Donnerstag, 2. Juli 2020

Gestatten: Versager.

14.6.
Sieben Uhr morgens am Bahnsteig. Ich möchte gerade meinen Fuß in den Zug setzen, als mein Handy bimmelt und der Präsident des Instituts für Putzpoesie (ifpupo) mir in trockenem Tonfall mitteilt, dass unser Open Air Auftritt in Brandenburg abgesagt sei. Unwetterwarnung; schade. Also schnell den Fuss wieder aus der Zugtüre und ab nach Hause. 
Die Absage ist natürlich eine unschöne Sache, aber, wie man am Nachmittag um viertel nach fünf sehen wird, vollauf berechtigt, denn just als es zu kübeln beginnt, hätten wir uns auf der Freilichtbühne warmgeredet, und das Publikum hätte sich nach Unterstellmöglichkeiten gesehnt - die es dort offenbar nicht gibt. Eine lustige Note hat die Absage natürlich auch: Da haben wir endlich ein behördlich abgesegnetes Konzept, alle Karten sind verteilt, Hemd, Unterwäsche, Mundschutz und Auftrittskünstler sind frisch gewaschen, die Vorfreude immens - und dann spielt das Wetter nicht mit. In der Sprache des Fußballs: Erst fehlte das Glück, und dann kam auch noch das Pech dazu. Egal, wir suchen nach einem neuen Termin, und dann nehmen wir einen weiteren Anlauf. Nächsten Freitag bin ich mit Bernhard Hoëcker beim Car Watch Festival in Viernheim, das stelle ich mir schonmal deutlich regensicherer vor. Aber freuen werde ich mich erst, wenn ich auf der Bühne stehe, im Schein der Lichthupen. Wer weiß, was da dazwischenkommen kann: Geisterfahrer? Benzinmangel wegen Ölkrise? Ein überraschendes „Einfahrt verboten“-Schild?
Einstweilen fühle ich mich wie ein Liebhaber, dessen Date ins Wasser gefallen ist. Schmallippig setze ich mich bei fiebrigen Temperaturen zu meinem Söhnchen in die Sandkiste, stülpe gefüllte Eimer um und schaufle mit ihm große Silos, runde Industriebauten, Öltanks, wie man sie von Raffinerien kennt, womöglich dem unbewussten Wunsch folgend, sich durch Vorratslagerung gegen Spritknappheit infolge einer Ölkrise zu wappnen. 
Überhaupt: Denke ich später an die Krise, so werde ich zuerst an das kleine Holzgeviert im Garten denken, in dem hockend ich dutzende Tonnen Sand von einer Ecke in die andere umgeschaufelt habe. 
Später übernimmt mein Schwiegervater das Entertainment, mit einer Idee, bei der schnell nicht nur die Freude überschwappt: Er füllt einen Bollerwagen mit Wasser und fährt die Kinder darin spazieren. 
Könnte man nicht, so dachte ich beim Zuschauen, auch ein Cabriolet so umbauen, dass das Wageninnere zum Pool wird? In Badekleidung, das Wasser bis übern Lenker schwappend, säße sich‘s im hochsommerlichen Feierabendstau doch gleich viel angenehmer. Dieses Mobilitätskonzept würde bestens in die Zeit passen: Im leicht gechlorten Corona-sicheren Wasser versuppt alles Fernweh, und die Urlaubsreise nach Ansteckistan entfiele. So‘n VW Kübelwagen Sondermodell Chlorona würde ferner haargenau zur diese Woche beschlossenen „Nationalen Wasserstoffstrategie“ passen - als Badewasser käme das bei der Wasserstoffverbrennung anfallende H2O in Betracht. Als (selbstfahrende) Stretch-Limousine könnte ein solches Fahrzeug auch für den Schwimmsport interessant sein, bzw. für den Sportunterricht an Schulen. 
Mangels Liquidität wird mit Schwimmbad-Neubauten in den nächsten Jahren eher selten zu rechnen sein. Die Deutsche Automobilindustrie braucht Unterstützung? Wie schön, dass ich mit meinem Einfall mithelfen darf, diese vor dem Ertrinken zu retten. Tüüüt!

15.6.
Kreuzfahrt tut not - sagen wenigstens TUI und Meyer Werft. Unbenutzt dümpeln die Kähne herum und warten auf bessere Zeiten, und in Papenburg baut man noch ein paar Schiffe fertig, die nach derzeitigem Stand eher nicht gebraucht werden. Ich möchte der epidemiologischen Entwicklung nicht vorgreifen, aber es kann sicher nicht schaden, schonmal ein paar Anschlussverwendungen für die schnieken Schaluppen auszuhecken. Man könnte sie zB einsetzen, um die Wohnungsnot zu lindern. In München ist die Lage besonders dramatisch, und dabei steht mit der olympischen Ruderregattastrecke ein Gewässer zur Verfügung, das geradezu danach schreit, von einem dicken Pott besetzt zu werden. 
Für die Anfahrt über Ems, Küstenkanal, Hunte, Weser, Fulda, Main, Rhein-Mein-Donau-Kanal, Donau, Isar, Schleißheimer- und Würmkanal müssten die Wasserläufe natürlich entsprechend ausgebaggert werden, zudem fehlt noch ein kurzes Verbindungsstück zwischen Fulda und Main - alles Baumaßnahmen, die die Konjunktur verlässlich in Schwung bringen würden.
Nicht nur dem Wirtschaftsleben, auch mir fehlt heute jeglicher Schwung. Usseliger Dauerregen macht mich brägenklöterig, und so versuche ich, mit dem Schnüren pfiffiger Konjunkturpakete und anderer Zukunftsszenarien mein Herz zu erwärmen. 
Neuer Versuch. 
Dienstag ist der große Tag, auf den wir alle so sehnsuchtsvoll gewartet haben: Die App ist da! Bereits jetzt, so vermute ich, schlagen die Hardcore-Fans ihre Zelte auf, um in der Warteschlange vorm App-Store ganz vorne mit dabei sein. Vergiss Abercrombie & Fitch, vergiss Apple, vergiss die Beatles, jetzt kommt sie, die Königin der mobilen Endgeräte-Applikationen, in einer schwarz-rot-goldenen Sänfte mit Bundesadler, getragen von Jens Spahn und Lothar Wieler. 
Ich muss gestehen, dass ich eine Weile gebraucht habe, bis ich den Unterschied zwischen „Tracing“ und „Tracking“ kapiert habe, dachte anfangs, da gäb’s Journalisten, die irgendwas falsch aussprechen, aber mittlerweile habe ich’s kapiert, Tracking ist oll und Tracing ist hot stuff, und ich überlege, was ich tun kann, um möglichst noch am Dienstagmorgen unter den ersten zu sein, die wegen Feindkontakt alarmiert werden. Ich bin ja so neugierig, wie sich das anfühlt, was dann zu tun ist, welche Nummer man dann wählt, ob überhaupt irgendjemand rangeht etc und würde dann meinem Tagebuch viel zu erzählen haben. „Wollten wir nicht eigentlich auf die Hütte?“ fragt meine Frau. Ach ja, stimmt. Da oben werde ich allerdings niemandem begegnen, der das Handy piepen lassen könnte. Schade. 
Es regnet immer noch, und meine Seele hängt mittlerweile in Kniehöhe, wie die Taschenuhrenkette von Cab Calloway. 
Singen, in Chor und Kirche - das würde meine Laune zuverlässig heben, aber Chöre sind mittlerweile das, was früher Bordelle waren: Sündenpfuhle, Horte der Ansteckung und der Unmoral. „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“? Vonwegen! Menschen, die sich zum Singen treffen, rangieren in etwa auf einer Stufe mit besoffenen Halbstarken, die Polizisten anhusten. Nein, wer unbedingt singen will, erledige dies bitte alleine und gehe dazu in den Keller.
Und sage niemand „mein lieber Herr Gesangsverein“ - man muss die Leute ja nicht unnötig in Panik versetzen.

16.6.
In Tirol. Erstmal in den Supermarkt zum Einkaufen: Halbfettmargarine, spiralförmige Leimfallen, Rei in der Tube. Seltsam, irgendwas stimmt hier doch nicht. Ich schleiche durch die Reihen und frage mich, was hier anders ist als daheim. Da! Ein unmaskiertes Gesicht. Holla die Waldfee, was ist denn hier.... und bis ich diesen Satz zu Ende denke, kommt eine ältere Dame aus der Spirituosenabteilung eingebogen, auch sie ohne Mund-Nasenschutz. Schon will ich nach der Polizei rufen, Marktleiter, Staatsschutz, da sehe ich an der Kasse in halber Ferne eine ganze Armada Gesichtsnackideis, und mir dämmert: Heureka, da war doch was! Österreich hat die Maskenpflicht abgeschafft. Fasziniert reihe ich mich in die Kassenschlange ein. Ach ja, ich habe ja meine noch da, wo sie hingehört - jedenfalls jenseits des Achenpasses, in Deutschland. Diskret nehme ich die Maske ab. War was? Mir ist, als läge hinter mir ein langer, unbarmherziger, verworrener Traum, und jetzt bin ich wach, im Hier und Jetzt. Und mit diesem Gedanken zahle ich, stapfe aus dem Supermarkt und reibe mir perplex die Augen.
Tagesthema: Der Abriss von Denkmälern, die Rassisten darstellen. In Deutschland scheint, wenn man dem Deutschlandfunk glauben darf, auch Immanuel Kant ein heißer Kandidat zu sein. Von Bilderstürmen halte ich nichts, weil man das Problem - den Rassismus- kaum löst, indem man die Verbindung zu jenen kappt, die der Aufklärung überhaupt erst Namen & Schwung gegeben haben - ein Emanzipationsprozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. 
Ja, Kant war - nach heutigem Verständnis - Rassist, aber man wird vor Olympe de Gouges generell kaum Weiße finden, die sich öffentlich gegen Sklavenhandel ausgesprochen haben. De Gouges, die nicht nur für die Abschaffung der Sklaverei, sondern auch für das Frauenwahlrecht focht, starb 1793 unter der Guillotine. Ich persönlich wünsche mir nicht weniger Kant - sondern mehr De Gouges-Denkmäler. 
Auch der Vorschlag, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu tilgen, wird die Rassisten nicht aussterben lassen. Ob es Rassen gibt oder nicht, schert sie nicht; auf ihrer Suche nach Sündenböcken werden sie immer fündig werden, egal, was im Grundgesetz steht - so egal, wie es den Coronaviren ist, was wir Menschen über sie denken. 
Zahlreiche weitere Parallelen zwischen Rassisten und Coronaviren drängen sich auf: Es gibt sie so lange es Menschen gibt, sie mutieren, sie haben kein Hirn, fühlen sich nur in der Gruppe stark...
Lieber verbringe ich den Rest des Tages bei den Kühen auf der Alm. Mein kleines Söhnchen wohnt wie gebannt dem abendlichen Melken bei. Besser als Peppa Pig. Wir trinken die Milch frisch gezapft und genießen den nicht weniger frischen Sprühregen. Übrigens: Gläubige Hindus trinken Kuh-Pipi gegen Corona. Kein Witz. Stand so in der Berliner Morgenpost. 
Damit meine kleinen Kinder in der Nacht nicht frieren (und ich nicht allzu oft nachts aufstehen muss, um Holz nachzulegen), habe ich ein Paket ostdeutsche Braunkohle im Internet erworben. Ganz gegen den allgemeinen Trend arbeite ich an der Karbonisierung unseres Hüttenglücks. 
Ach ja: Koffer ist anwesend. Meine Frau fragte mich auf der Fahrt hierher ein Dutzend Mal, ob ich ihn auch wirklich eingeladen habe. Weitere scherzhafte Bemerkungen zu diesem Thema sind völlig überflüssig. Werde ihr jetzt frische Kuhmilch aufschäumen, damit ich ihr einen Cappuccino ans Bett bringen kann.

17.6.
Ja, ich habe sie, die App! Zunächst hinderte mich ein technisches Problem am Runterladen; der für mich zuständige Mobilfunkmast schien durchgerostet oder eingeschlafen oder hatte auf einem Dreimaster als Ersatzmast angeheuert und war übern Atlantik geschippert. Folge: Kein Netz, nicht mal Telefonieren war möglich. Die Familie schlief noch (5 Uhr morgens), ich regelte mich runter und nahm ein gutes Buch zur Hand: „Schule der Rebellen“ von Charles King - über die Entstehung der modernen Kulturanthropologie aus dem Geiste Immanuel Kants (lustiger Zufall; da hatte ich mich ja gerade gestern mit beschäftigt). Und so lag ich da und schmökerte und genoss es sehr. 
Lesen, ohne Parallelblick aufs Handy: Das fühlt sich ein wenig an wie Einkaufen in Österreich, ohne Maske, nämlich befreiend nostalgisch. Steampunk & Wohlbehagen. 
Als ich wieder online war, lud ich mir sogleich die Corona-App runter und war verblüfft über die Simplizität, auch mit Blick auf die 20 mio €, die die Entwicklung gekostet haben soll. Sind Apps immer so teuer? Ich Klein-Fritzchen hätte gedacht, sowas kriegt man für weniger. Mehr Richtung fünfstellig. Das türkische Lokal von umme Ecke hat sich auch eine eigene App machen lassen, mit richtig viel Schnickschnack, und die war garantiert billiger. Aber die Döner-App erkennt evtl auch keine anderen Handys per Bluetooth - vielleicht ist das der Kasus knacktus. Nun ja; ich habe keine Ahnung von IT - sonst wäre ich ja kaum im Pantoffelkino gelandet.
Voller Abenteuerlust aktivierte ich als erstes die Risiko-Ermittlung, was mir jedoch nur kurz das Herz in die Hose rutschen ließ. Das Ergebnis war nicht unbedingt überraschend: „Da Sie Ihre Begegnungs-Aufzeichnung noch nicht lange genug aktiviert haben, konnten wir für Sie kein Infektionsrisiko berechnen“. 
Als Dreingabe zu dieser vorläufigen Entwarnung wurde mir mitgeteilt, wie ich mich „richtig“ verhalte: regelmäßig Händewaschen (ach nee, echt?), Mundschutz tragen, Abstand halten und in die Armbeuge niesen (ich will immer „schnäuzen“ schreiben, aber das gibt bekanntlich diese hässlichen gelben Flecken). 
Das Logo der App erinnert mich spontan an die Flagge der Türkei (nur dass der Stern in den Halbmond kreativ integriert ist). Wäre also vielleicht auch etwas für das o.g. türkische Lokal von umme Ecke - vielleicht sollten die beiden Apps fusionieren? 
Nach gemeinsamem Frühstück unternehme ich nun meinen Standard-Gang rauf zum Schartenjoch und begegne im Innern einer Regenwolke meinem Lieblingstier, dem schwarzen Alpensalamander. 
Über mir rattert ein Schneehuhn. Sein Warnruf klingt in etwa wie die Holzrasseln, die in der Baseler Fastnacht zum Einsatz kommen. Kontrollhalber ein Blick auf die App: Nein, keine Risiko-Benachrichtigung, wäre ja auch ein gar zu skurriler Fail: Wenn Alpensalamander bluetoothfähig wären, hätte das schwerwiegende evolutionäre Folgen, und Jens Spahn würde sich vorm Untersuchungsausschuss „Amphibie“ für ein Kuddelmuddel voller Fehlalarme rechtfertigen müssen. 
Bei „Risiko“ denke ich unwillkürlich an Wim Thoelkes „Der große Preis“ - da gab’s „Risiko“-Fragen, die mit einem spannungsgeladenen Jingle angekündigt wurden. Und wäre ich Gesundheitsminister, hätte ich diesen Thoelke-Jingle in die App integriert, als nostalgischen Gruß an die Risikogruppe der Wum-und-Wendelin-Fans. Parole Steampunk & Wohlbehagen. Ersatzhalber würde allerdings auch der Ruf des Alpenschneehuhns als Risikowarnung taugen. Aber, seufz: Gesundheitsminister werde ich in diesem Leben nicht mehr, genauso wenig wie IT-Fachkraft.

18.6.
Grünkohl und Pinkel im Hochgebirge! Ja, ich weiß, die Saison ist schon lange vorbei. Allerdings liegt am Schartenjoch noch ausreichend Schnee, um sich selbst eine Sondererlaubnis für eine nachsaisonale Kohlfahrt zu erteilen. 
Hungrig wandere ich zur Speikspitze, unter dessen Gipfel-Steinhaufen ich vor längerer Zeit einen Flachmann mit Schnaps vergraben habe. Der Dauerregen ist weichem Gewölk gewichen, als ich mir einen Schluck verabreiche. 
Zum Boßeln ist das Terrain eher ungeeignet- aber probiert hätte ich’s trotzdem, wenn ich denn eine passende Kugel dabei hätte. 
Auf die Idee für die heimatliche Sause brachte mich, ganz schlicht, der Umstand, dass das Haltbarkeitsdatum eines Bad Zwischenahner Weckglases in unserer Hütten-Vorratskammer in Bälde abläuft. 
Und so schließe ich in 1800 Metern Höhe am Mittag die Augen, imaginiere die norddeutsche Tiefebene, genieße schmatzend vor mich hin und summe „Im schönen Oldenburger Lande, da liegt ein Städtchen friedlich still...“ 
Nach dem verdienten Nickerchen beschäftige ich mich mit der Corona-Lage. 6,5 mio Apps sind gedownloaded - klingt nach Hit. Allerdings höre ich von vielen, die keineswegs gewillt sind, mitzumachen. Handy zu alt. Verbraucht zu viel Strom. Großer Schritt in den Überwachungsstaat - dies sind die häufigsten Argumente gegen den Corona-Warner. 
Mit knappem Gruß entfreundet sich sogar eine Abonnentin, als sie liest, dass ich mir die App aufs Handy geholt habe - es scheint sich für sie demnach um eine Glaubensfrage zu handeln, à la „Zeig mir dein Display, und ich sag dir, wo du stehst“. Doch nicht nur Gegner aller Regierungsmassnahmen vergrätze ich mit meiner gestrigen App-Kritik, sondern auch den einen (oder anderen) Befürworter, der nämlich meine angeblich „immer wieder durchsickernden Verächtlichmachungen“ (der Maßnahmen) rügt. Hm.
Einer der letzten Bundesgesundheitsminister (war es Gröhe? Geißler? Focke?) sagte über seinen Job: „Das Wichtigste ist, sich mit allen Seiten gleichermaßen zu verkrachen.“ Und seit Monaten stelle ich mir immer wieder die Frage: Was würdest du tun, wenn du Gesundheitsminister wärst? - offenbar habe ich ministerielles Denken mittlerweile ausreichend verinnerlicht, um Ablehnung von der Impfgegnerin bis zum Hundertfuffzigprozentigen nicht nur ohne Bitterkeit hinzunehmen, sondern für einen persönlichen Erfolg zu halten. Weiter so! Erst wenn mich alle disliken, mache ich irgendwas richtig. 
Meine Sympathie gehört daher allen Glaubensstarken, die mich schwankende Sturmlaterne kritisieren - zumal feste Überzeugungen in unsteten Zeiten Sicherheit vermitteln, ungefähr so wie der Rückzug in die Heimat, und sei es auch nur die kulinarische. 
Ja, auf diese Krise reagiert kaum jemand mit „Ist mir Wurst“, eher schon wird die Wurst zum Stabilitätsanker, der im Innern des Verunsicherten versenkt wird. 
Umso alarmierender ist die Nachricht, dass in der Schlachterei Tönnies 657 Mitarbeiter positiv getestet wurden und mit der Schließung des Betriebes 20% aller deutschen Wurstwaren fehlen werden. 
Erst war Corona - und jetzt reißt auch noch die Ankerkette! Prost Mahlzeit.

19.6.
Mein Tagesablauf auf der Alm ist klar strukturiert: Während die Restfamilie schläft, hudele ich aufs Schartenjoch, gegebenenfalls verlängert um Anrainer-Gipfel wie die Speikspitze oder um vergessene Wege, die ich auf alten Wanderkarten entdeckt habe und nunmehr zu rekonstruieren versuche. 
Heute etwa studiere ich jenen Pfad, auf dem früher die Kühe von uns zur Triplonalm trippelten. 
Auf dem Schartenjoch stehe ich heute übrigens zum 22. Mal, und noch nie bin ich auf meinem Weg hinauf jemandem begegnet. Einsame Gegend fürwahr. Als begeisterter Anhänger der Freikörperkultur werde ich die Strecke demnächst mal gänzlich unbekleidet angehen - wahrscheinlich werden mir Nackedei just dann Staatschefs und ganze Schulklassen entgegenkommen. 
Nach dem Morgenspaziergang gemeinsames Frühstück, anschließend Visite bei der oberen (schwarz-buntes Milchvieh) und der unteren Nachbaralm (Kälber, Ziegen). Hiernach Mittagessen, Hängematte. Nachmittags Ausflug mit Kindern in Kraxe und Trage. Gestern zum Aussichtsstein überm Märzengrund. Highlight: ein junger Hirsch in hundert Metern Entfernung. 
Nächster TOP: Stallkleidung anlegen, melken, ausmisten, die Kinder spielen währenddessen in einer großen Holzbox, die mit Kraftfutter gefüllt ist. Sandkiste mit Nährwert. Danach sieht alles aus wie mit Mehl bestäubt. Zwei Stunden Kleidung ausschütteln, Milchreis kochen (wegen Corona ist die Milchnachfrage um 20% gesunken, und wir tragen emsig die Überkapazitäten ab). Ofen anfeuern. Abendessen. Vorm Zu-Bett-gehen ein Braunkohle-Brikett der Firma „Rekord“ auflegen, was bald darauf dazu führt, dass die ganze Gegend nach real existierendem Sozialismus riecht. In den aromatischen Schwaden meint man, am Waldrand im letzten Dämmerlicht Erich Honecker zu erahnen, mit geschulterter Flinte macht er wohl Jagd auf den jungen Hirschen von gestern. 
In der Nacht muss ich mehrfach raus, wanke nackt ins Freie und bestaune unter mir die Lichter des Zillertals. Wenn die Berge nicht wären, könnte man bis nach Ischgl gucken, die Hauptstadt des unbeschwerten Wintersportvergnügens.
Die Nacht ist mittlerweile klar; quer über mir funkelt das Band der Milchstraße. Plötzlich tippt mir von hinten jemand auf die Schulter. Erschrocken fahre ich herum; es ist Honecker, den jungen Hirschen an einem Kälberstrick tot hinter sich herziehend. 
Kurzer Small-Talk über Brillen. Er behauptet, mein Exemplar habe früher ihm gehört - ich halte dies für eher unwahrscheinlich. Die kommt aus dem Pappkarton für die russische Mission, antworte ich wahrheitsgemäß, ist Westware. Made in France. In der Ferne nahen ABC-Schützen in der Kluft der Jungpioniere heran, mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz auf rotem Mundschutz. Angeführt werden die Knirpse von Margot Honecker. Ihr Gatte säuselt „Bleiben sie gesund!“, dann reichen wir uns die Ellenbögen, ehe der Vorsitzende des ZK im Laufschritt vor seiner Frau querfeldein talwärts flüchtet. Somnambul schlurfe ich zurück in die Hütte und lege mich wieder schlafen.
Zum Morgenkaffee untersuche ich die Wiese vor der Terrasse. Ja, da sind Schleifspuren. Könnten von einem Hirsch stammen, aber ganz sicher bin ich nicht.
Große Überraschung am Abend: In der Tagesschau im Ersten um 20 Uhr keine einzige Corona-Meldung. Sehr surreal. 
Ist die Krise etwa vorbei?

20.6.
Mit Bernhard Hoecker beim „Car Watch Festival“ in Viernheim (Nähe Mannheim). 
In einem Autokino war ich zuvor erst einmal, nämlich Mitte der 90er in Aschheim bei München, um mir „Apollo 13“ mit Tom Hanks anzusehen. Die Renaissance dieser Darreichungsform gehört zu den ulkigen Aspekten der Krise, und als ich das erste Mal davon hörte, loderte bei mir sogleich das Verlangen, auch einmal vor Autos aufzutreten - und sei es auch nur, um eines Tages veteranenhaft meinen Enkeln davon berichten zu können. 
Also. Halb acht, Wetter gut, ein Riesenparkplatz am Einkaufszentrum, große Bühne, Leiwand-Leinwand, Top-Technik. Erster Gedanke von oben: Die Autos haben Gesichter. Der schwarze Kühlergrill des weißen Toyotas ähnelt einem offenen, lachenden Mund, der BMW schmunzelt etwas verkniffen, der Nissan daneben beömmelt sich leicht schielend. Lichthupe und Hupe stellen Applaus dar, Scheibenwischer Winken, Fortgeschrittene bedienen die Scheibenwaschanlage, um Rührung darzustellen, noch gewieftere Zuschauer öffnen die Motorhaube, um Ablehnung mitzuteilen („muss man nicht sehen“), Kofferraumklappe auf hingegen bedeutet Lob („hier kann man was mitnehmen“). 
In unserem Programm „Gute Frage“ beantworten Bernhard und ich bekanntlich Publikumsfragen, und manche haben mit der Situation zu tun, etwa: „Haben Flugzeuge eine Hupe?“ oder „Warum klingt der Rückwärtsgang anders als die Vorwärtsgänge?“. Auch mündlich werden Fragen vorgetragen, allerdings sind die Wege weit, und ein Tonmann muss das Mikro an der Angel minutenlang nach hinten schleppen, damit wir „Was habt ihr heute gegessen?“ beantworten können. 
Keck erwägen wir, mit dem Publikum einen kollektiven Kavaliersstart einzuüben, nehmen aber von der Idee Abstand, aus Angst vor der Beulenpest. Wir haben auf der Bühne ernsthaft Spaß, und ich glaube, das Publikum auch. Hätte ja auch sein können, dass man sich unwohl fühlt, weil einen der Mangel an mimischen Publikumsreaktionen stört. Nein, ich bin eh so schwachsichtig, Kühlergrills sind meiner Sehkraft generell angemessener als ferne, feine Gesichter. 
Können wir, so lautet mein Urteil, jederzeit wiederholen. 
Anschließend noch eine Premiere: Mein erster postcoronäischer Hotelaufenthalt. Schon a weng spooky, wenn die gepflegte Gastlichkeit einer sicherheitsbetonten Begegnungskultur weicht. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aufgrund der Coronaschutzverordnungen keine Zeitungen, Bücher oder Prospekte für Sie auslegen, die Minibar nicht befüllen und keine Snacks für Sie bereitstellen können“. Ferner muss ich einen Zeitpunkt angeben, zu dem ich mein Frühstück einzunehmen gedenke. Ich will nichts falsch machen und folge etwas verkrampft den Klebepfeilen auf dem Boden, die ich durch meine beschlagene Gleitsichtbrille nur höchst undeutlich wahrnehmen kann. Fast laufe ich gegen eine Säule, nur mein Strohhut schützt mich vorm Nasenbeinbruch. Mir scheint, ich bin der einzige Gast in der mit dunklem Holz vertäfelten Luxusherberge. Kurz denke ich an „Shining“, verwerfe den Gedanken aber sogleich wieder und erinnere mich stattdessen an den ansteckend lachenden Toyota. 
Wie sagt man so schön? Das Hupkonzert ist das Brot des Künstlers. Und so schlafe ich, trotz leerer Minibar, gut gesättigt ein.

21.6.
Statt zu schlafen, studiere ich in der Nacht eine Liste aller Kaufhof-Karstadt-Filialen. Ungefähr ein Viertel habe ich besucht, und ich versuche zu rekonstruieren, was ich jeweils eingekauft habe. ZB Duisburg: Zwei Postkarten. Berlin: Ein halbes Dutzend Schiesser Doppelripp und eine Gitarre. Bremen: Zelt und Nadelstreifenanzug. Die gute Nachricht: Einige Häuser, mit denen ich besonders schöne Erlebnisse verbinde, bleiben bestehen, etwa Karstadt Osterstrasse in HH oder mein derzeitiges Wohnzimmer am Rotkreuzplatz in M. 
Die schlechte Nachricht: 5000 Leute werden arbeitslos.
Peter Altmaier kommt mir in den Sinn, der einst bei „Hart aber fair“ versprach: „Es wird kein einziger Arbeitsplatz wegen der Coronakrise verloren gehen“. 
In den Tagesthemen tritt die Kommentatorin noch nach, stellt gleich zu Beginn die von ihr für rhetorisch gehaltene Frage: „Wann waren Sie das letzte Mal in einer Karstadt-Kaufhof-Filiale?“. Zweimal pro Woche kaufe ich dort ein, und von der von ihr prognostizierten „Lieblosigkeit“ der Verkaufsstätten kann keine Rede sein. Gewiss, derzeit hält die Mehrheit Amazon für den größten Menschheitssegen seit der Erfindung des Röstkaffees - für mich als passionierten Spaziergänger jedoch ist das klassische Kaufhaus der Zielpunkt schlechthin. Zum Surfen mag das Internet ja taugen, aber zum Spaziergang? Und findet man dort wirklich jene Liebe, die die Kommentatorin der Tagesthemen vermisst? I woas net.
Klar, man mag einwenden, dass Karstadt-Kaufhof sowieso in Nöten war. Aber trifft dies auch auf die 35 kleinen Cafés und Restaurants zu, die alleine in Nymphenburg-Gern, meiner unmittelbaren Nachbarschaft, inzwischen geschlossen haben? Ein Herr vom Ordnungsamt nannte diese Zahl vorgestern, und ich war baff, allerdings auch, dass es überhaupt so viele Lokale bei uns gab. Ich hätte noch engagierter auswärts essen sollen. Im Alleingang die Branche retten, dafür verarmen und verfetten. Hätte, hätte...
Mit dem Zug zurück nach München, ab Hbf per Pedes nach Hause. Im Schaufenster des bayerischen Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes entdecke ich einen Aushang über Anweisungen zur Verringerung des Ansteckungsrisikos: Hilfen nur im Notfall annehmen. Führen durch Ansagen ersetzen, Zurufe aus sicherer Entfernung. Notfalls Handrücken antippen. Den Führenden nicht am Ellenbogen anfassen (könnte durch Husten-Etikette kontaminiert sein). Besser am Oberarm. Beim Führen einen Strick mit Knoten oder eine sogenannte „Wanderkugel“ einsetzen (Strick mit Holzkugeln an den Enden) - mir fällt auf, dass ich diesen Aspekt der Krise noch gar nicht im Blick hatte. Zuvörderst waren mir Gehörlose in den Sinn gekommen, die, wenn sie nicht von den Lippen lesen können, im Nachteil sind und darum Visiere beim Gegenüber bevorzugen. 
Ergo: Spazierengehen bildet. Wäre das nicht auch ein passender Studiengang für mich: Spaziergangswissenschaften? Das erste Mal hörte ich von diesem Fach beim ZDF „Quizchampion“ und war sogleich begeistert. 
Lucius Burckhardt gilt als der Vater der Promenadologie. Er entwickelte diese „kulturwissenschaftliche und ästhetische Methode zur Erweiterung der Umweltwahrnehmung“ an der Uni Kassel in den 80er Jahren. Seminare gab es seither in Bremen, Leipzig und Wien. 
Mir erscheint der Ansatz hochaktuell; noch ist die Krise nicht vorbei, aber vor dem Hintergrund der jüngeren Forschungsergebnisse (wesentlich höheres Infektionsrisiko drinnen als draußen) darf man annehmen, dass „Stay home“ eventuell kein ganz glücklich gewähltes Motto war. Nicht ausgeschlossen, dass „Raus an die frische Luft!“, bzw „Go out!“, wie die Kampagnenfuzzis sagen, effizienter gewesen wäre. 
Vielleicht machen nicht Stubenschule, SUV und Sofa-Shopping glücklich und gesund, sondern: der Duft des Asphalts kurz nach dem warmen Sommerregen.

P.S.:
Das Altmaier-Zitat hatte ich aus der „Welt“ vom 29.4. 
Von einem aufmerksamen Leser wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass er keineswegs so’ne Art Arbeitsplatzgarantie ausgesprochen hat. Das komplette Zitat lautet anders, nämlich:
„Es wäre verantwortungslos zu sagen, dass in zwei oder vier Wochen der ganze Spuck wieder vorbei ist.“ Deutschland müsse sich auf eine längerfristige Ausnahmesituation einstellen, so wie die Wirtschaft. Die Bundesregierung tue alles, um Firmen, die wegen des Virus mit Ausfällen kämpfen müssten, zu unterstützen. „Wir haben so viele Reserven, dass wir versprechen können, dass wir alles tun werden, damit kein Arbeitsplatz wegen Corona verloren geht und kein gesundes Unternehmen schließen muss. Wir sind bereit, notfalls auch Schulden zu machen, um die Ausgaben zu stemmen“, sagte Altmaier.

22.6.
Plünderungen in Stuttgart. Als ich im Radio davon erfahre, sind Hintergrund und Dimension noch unklar, und so beginnt am Frühstückstisch ein heiteres Begründungsraten. Warum Stuttgart? War der Streit um den Bahnhof Ursprung einer Tradition, den Staat herauszufordern? Am Neckar wurde der „Wutbürger“ geboren, kaum dass Stéphane Hessel seinen Bestseller „Empört euch“ veröffentlicht hatte. Wird Stuttgart, die Stadt der Anwältin Beate Bahner, für die „Neue Normalität“, was Berlin und Paris für die 68er Studentenrevolte war? 
Teresa schüttelt den Kopf. „Du denkst viel zu politisch. Schwaben sind bekanntlich sparsam, die plündern auch 1-Euro-Märkte, wenn sich die Gelegenheit bietet!“ - Ich wiege den Kopf und mutmaße, der Schwabe sei nicht nur sparsam, sondern auch vom Pietismus geprägt, der frühaufklärerischen Reformbewegung. Kern: Aus Prinzip dagegen sein. Und dann fallen mir noch die Biberacher Bilderstürmer und Gotthilf Fischer ein, genau: Was, wenn dies der lang ersehnte Relaunch der Fischer-Chöre ist? Teresa gähnt verstohlen und beißt ins Brötchen, so dass ich für eine Weile das Thema wechsele. 
Zum zweiten Frühstücksei trudeln Meldungen ein, die Gewalttäter stammten aus der „Party- und Eventszene“. Ah! Sogleich kommt mir die japanische Tanzmaus in den Sinn, eine Zuchtform der chinesischen Hausmaus, die aufgrund ihres gestörten Gleichgewichtssinnes dazu verdammt ist, ihr Leben beständig tanzend zu verbringen. Dies bringt mich wiederum zu den Raves der 90er, mit tagelang zuckenden Leibern zu Westbam & Konsorten. Ich will keineswegs Maus und Mensch in einen Topf werfen, aber die wochenlange Schließung der Tanzlokale kann natürlich bei beiden Frust hervorrufen. Teresa zeigt mir einen Vogel, so liebevoll man eben einen Vogel zeigen kann. 
Bald darauf spezifiziert die Polizei, dass auch Alkoholika im Spiel waren und die Täter ausschließlich männlichen Geschlechts, und bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich, dass ich mir schon seit Jahren vorgenommen habe, den Stuttgarter Stadtwein zu probieren, der an jenen Hängen gedeiht, die man zB rechterhand erblickt, wenn man das Bahnhofsgebäude Richtung Innenstadt verlässt. 
Als wir schließlich die dazugehörigen Bilder sehen, weicht die schale Heiterkeit blankem Grusel; wir denken an die verletzten Polizisten, und ich schäme mich meiner geschmacklosen Burschikosität. 
Der Rest des Frühstücks verläuft schweigend.
Ich schildere dieses Stochern im Nebel deshalb so ausführlich, weil es ein Paradebeispiel für so viele Stochereien in den letzten Monaten ist. Irgendwann las ich einen Zeitungsartikel, der besagte, dass ein infizierter Fahrradfahrer eine 30 Meter lange, ansteckende Aerosol-Schleppe hinter sich herzöge. Hieß dies, dass, wenn ein Radler passierte, man in einer Mülltonne Schutz suchen und bis 30 zählen sollte? Viele Antworten blieb die Wissenschaft schuldig, gerade zu Beginn des Lockdowns, und so verbrachte ich manche Stunde im Müll. 
Aus dem Kreis Gütersloh, von der Firma Tönnies, erreicht uns ein verstörendes Sittenbild. 1973 musste man noch „Ihr da oben - wir da unten“ lesen, um sich über die Gepflogenheiten in deutschen Industriebetrieben zu informieren, inzwischen wird Wallraffs Werk vom Corona-Virus fortgesetzt, der sich undercover einschleust und die Öffentlichkeit zur Kenntnisnahme zwingt.
Der R-Wert nimmt, veranlasst durch die Ausbrüche in Rheda-Wiedenbrück, Göttingen und Neukölln, fast so schnell zu wie jemand, der sich ausschließlich von Tönnies’ Schmankerl ernährt. 
Israel meldet derweil den Beginn der zweiten Welle; von täglich 16 sei die Zahl der Neuinfizierten auf 300 gestiegen. Schon wird in meinem Bekanntenkreis vor der heran galoppierenden Apokalypse gewarnt. In der Ferne hört man Hufgetrappel. 
Soll ich in die nächste Mülltonne springen?

P.S.: Beate Bahner ist natürlich Heidelbergerin. Danke für den Hinweis.

23.6.
Noch ein Gedanke zum Stichwort „Party- und Eventszene“. Was ich von Alkohol & Drogen halte, wurde ich gestern gefragt, und ich musste schmunzeln, weil man mich mittlerweile genauso gut fragen könnte „Was halten sie von Bodenplatten mit Spanngliedhüllrohren im Stahlbetonbau?“ 
Also: Die Sehnsucht, sich die Birne wegzuballern, scheint uns Menschen mit einigen anderen Wirbeltieren zu verbinden, die zB mit Vorsatz vergorene Früchte zu sich nehmen. Als Jugendlicher im Jazz sozialisiert, war Fischers „Handbuch der Rauschdrogen“ ein Schmöker, den ich ebenso tief inhalierte wie Borroughs „Naked Lunch“ und Ernst Jüngers „Annäherungen und Rausch“. 
Heute kann ich mich an meine bekiffte Jugend nur noch in schwach duftenden Schwaden erinnern. Der Reiz ist weg, und ich stelle fest: Chemie als Glücksbringer ist ein kompletter Irrweg. Es ist die Musik selber, die törnen muss; Sounds, die einem packender vorkommen, wenn man cannabisiert ist, taugen in Wahrheit nüscht. 
Als Menschen haben wir die Möglichkeit, grelle Halluzinationen, totale Ekstase, völligen Realitätsverlust auch ohne Doping, aus uns selbst heraus, anzufachen. Hilfsmittel: Imagination, Bewegung, Landschaft, Geduld, Schlafmangel, Humor, Erotik und - natürlich - die Liebe. 
10 Stunden auf einem Fahrrad bringen mich in einen Zustand der heiteren Entrückung, und alle Sorgen & Aggressionen lösen sich auf wie Zucker im Kaffee - nur die Süße der Ermattung bleibt. Geht auch mit Sauna oder Wechselbädern, sofern man ausreichend Zeit mitbringt. Man kann auch Beten oder auf einem Stuhl sitzen und die leere Wand anschauen (Königsdisziplin). Geduld garantiert den Erfolg. 
Alkoholika finde ich bisweilen sogar lecker - wobei ich meinen letzten Schwips vor über 20 Jahren genoss. Dann wurde ich Vater, was buchstäblich ernüchternde Wirkung hatte. Ich kann mich nicht daran erinnern, seit Amtsantritt Gerhard Schröders mehr als zwei Glas Bier, Wein oder Schnaps getrunken zu haben, und gedenke, an dieser Praxis auch nichts mehr zu ändern. 
Und wo wir schon mal dabei sind: Gröhlende Männer kann ich auch nicht mehr ab. Das ganze klassische Männlichkeitsideal kann mir den Buckel runterrutschen. Testosteron ist noch schlimmer als Alkohol, ist das destruktivste Zeugs von allen. Früher hat man sich wenigstens noch anständige Wirtshausschlägereien geliefert, mit hochgekrempelten Ärmeln und Schwitzkasten und sich anschließend wieder vertragen (sagen die Älteren in meinem Freundeskreis) - heute holt ja immer irgendwer ein Messer raus oder tritt dem anderen von hinten ins Kreuz, und aus Spaß wird Ernst. 
Der wichtigste Rat, den ich den jungen Leuten gebe: Macht mal was abgefahrenes und verbringt die Nacht auf dem Fahrrad. Und am nächsten Tag könnt ihr euch ja immer noch prügeln, wenn ihr Lust drauf habt. Der Rat gilt natürlich nicht nur Jugendlichen; geht zusammen laufen, schwimmen, spazieren, knutscht, egal was, aber tut es so lange, bis ihr grundlos zu lachen beginnt und Eichhörnchen im Schottenrock am Firmament zu sehen meint. Ich behaupte mal ganz unbefangen: Wenn wir alle sagenwirmal 20 Stunden pro Woche mit stupide sich wiederholender körperlicher Tätigkeit verbringen, gibt es keine Kriege mehr.
Das ist das, was ich zu sagen hätte - das Konstruktivste, was mir zu Stuttgart einfällt. (Auf alles andere haben alle anderen bereits hingewiesen). 
Natürlich hätte der von mir entworfene Weg für Deutschland und umzu weitreichende Konsequenzen. Da sich 20 Stunden Bewegung nur realisieren lassen, wenn man zB alle Arbeitswege, Pendelstrecken etc aus eigener Kraft zurücklegt, wären Motoren völlig überflüssig. Die Automobilindustrie müsste folglich umdenken, und zwar in Richtung Tretauto. 
Natürlich geht mit meinem Konzept ein gewisser Wohlstandsverlust einher, aber das macht nichts: Wer sein Glück daraus bezieht, dass er tageweise eine weiße Wand anstarrt, erfreut sich eines eingeschränkten Liquiditätsbedarfs.

24.6.
Lockdown in Tönniesien, einer abgelegenen Gegend in Laschetstan, in der, wie man hört, mittelalterliche Arbeitsverhältnisse liebevoll gepflegt werden. König Clemens von Eisbein, Dauersieger der Schweineschlacht und Herrscher über die Schalker, wurde auf seiner eigenen Burg festgesetzt, und Herzog Armin I., beschlagener Großvisier und Herzog von Lock und Lockerer, im Dauerclinch mit Markus dem Strengen, verkündete sintemal, dass alles wieder werde wie neulich, die Märkte aber dabei offen bleiben sollen. Auch Urlaub sei seinen Untertanen erlaubt, allerdings bittet seine Durchlaucht sie, die Grenzen der fürstlichen Ländereien nicht zu überschreiten. 
Klingt nicht unkompliziert. 294 Landkreise gibt es, und wenn im schlimmsten Fall für jeden ein exklusiver Regel-Reigen ausgeheckt wird, kann man endgültig den Überblick verlieren. Die Bundesregierung sollte schon jetzt eine zweite App in Auftrag geben, nämlich den Corona-Regel-Rechner, der dem User am jeweiligen Standort verrät, was er darf und was nicht. 
Nicht nur in Sachen Lockdown ja/nein/vielleicht/ein bisschen wird die Lage immer unübersichtlicher, auch im Wirtschaftsleben blickt niemand mehr durch.
Wirecard - da fehlen 1,9 Milliarden, und das ist auch schon alles, was ich über diesen Skandal weiß. Eine geheimnisvolle Müdigkeit ergreift mich, sobald ich mich mit der Story beschäftige. Spannend ist vor allem die Dimension; bei mir zuhause fehlen selten Beträge in Milliardenhöhe (wobei ich meine Kontoauszüge manchmal nur luschig überfliege). Häufiger stoße ich unerwartet auf vergessene Bargelddepots: Mal finde ich unterm Sofa zwei Euro, mal eine Handvoll Kupfergeld in der Besucherritze. Ich weiß noch nicht mal, was Wirecard genau bedeutet. Drahtkarte, gell? Spontan denke ich an einen Landkartenverlag, der Wanderkarten für Querfeldeinläufer herstellt, in denen der Verlauf der Stacheldraht- und Elektrozäune vermerkt ist. 
Hach, ich fühle mich momentan latent überfordert. Durfte gestern mal wieder erwerbstätig sein, und zwar als Quizkandidat im öffentlich-rechtlichen Hauptabendprogramm. Leider wurden mehrfach Schätzfragen gestellt, à la „Wie lange dauerte das Erdaltertum?“ 1000000? 100000000 Jahre? Bei großen Zahlen bin ich raus - so wie offenbar auch Controlling und Aufsichtsrat bei Wirecard. Auf eine Null mehr oder weniger kommt’s jetzt auch nicht mehr an, gab ich mich lässig, aber in Wirklichkeit haderte ich mit meiner Ahnungslosigkeit. Hängt vielleicht auch mit dem fehlenden Saalpublikum zusammen - muss ich mich erstmal dran gewöhnen.  
Was soll’s; andere Leute haben ganz andere Sorgen: Der Drahtkarten-Verlagschef geht vielleicht fünf Jahre ins Kittchen, und Clemens I. kann froh sein, wenn er nicht geteert und gefedert wird. Wo die 1,9 Milliarden wohl abgeblieben sind? Ich geh gleich nochmal meine Besucherritze untersuchen.

25.6.
Jetzt auch mein Wildeshausen, wo ich geboren bin, der Ort, der mir meinen Namen gab. 
Im Landkreis Oldenburg hat man in den letzten Jahren eigentlich sehr gut mit und von der Nahrungsmittelindustrie gelebt, und Corona nahm man (neben den Toten) vor allem übel, dass das Gildefest in diesem Jahr ausfallen musste. Die Schützengilde gibt es seit 1403, das dazugehörige Fest ist der kulturelle Kern meiner Heimatstadt, und dass Pfingsten nicht „fiert“ ward, ist für echte Wildeshauser ein kaum verkraftbares, traurigstmögliches Unrecht. Und jetzt auch noch Wiesenhof - da werde ich ganz blass um die Nase. 
Jens Spahn spricht abends von Corona-Fällen in „Bremen“, und das ist einerseits knapp daneben, aber andererseits hätte zB Ischgl sicher nichts dagegen gehabt, wenn alle Welt irrtümlich von „Innsbruck“ gesprochen, während die Ischgler leise flötend zu Boden geblickt hätten. 
Und so hoffe ich für das Spahnsche „Bremen“ einerseits, dass es sich um einen minderschweren Fall handelt, der keinen Lockdown erzwingt, und andererseits, dass für Mensch und Tier in diesem dubiosen Industriezweig unter der Lupe des Infektionsgeschehens Verbesserungen erzwungen werden. 
Ach ja, Ischgl: Seit einigen Tagen liegt bei mir auf dem Kaffeetisch der famose gleichnamige Fotoband von Lois Hechenblaikner. Auch verrückt: Da fotografiert einer seit 25 Jahren die Deformierung seiner Tiroler Heimat hin zur Gaudi-Hölle der Feierbiester, zum Wiesenhof unter den Alpin-Destinationen, und plötzlich dienen seine Bilder als perfekte Illustration der Verhottspottung. Beim Durchblättern der Fotos, auf denen sich zB als OP-Ärzte verkleidete Skifahrer auf der Piste einen hinter die Mullbinde kippen, denkt man unwillkürlich: Nein, das konnte nicht gut gehen. 
Ist es Zufall, dass sich das Virus dort besonders wohl fühlt, wo Menschen besoffen sind oder trunken vor Geldgier, wo sie von Ausbeutern in schmutzige Löcher gezwungen, wo Kreaturen geschändet, wo Landschaften verschandelt werden? 
Jeder halbwegs gewiefte Pastor des neunzehnten Jahrhunderts hätte hierin ein System, nämlich die Strafe Gottes erkannt.
Ich sehe vor mir einen aufgebrachten, hageren Gottesmann, der von der Kanzel blickt und unten feixende Skifahrer sieht, mit ihren Bunnies auf dem Schoß, daneben Wuhaner Marktbeschicker nebst Käfigkörben, in denen Schleichkatzen wie Rilkes Panther auf und ab schreiten, dahinter Tönnies im Gazprom-Shirt, Wiesenhof, Westfleisch, sie legen Bruzzzler für 1,99 € auf den 500€-Grill, und dem Rest der Gemeinde (ja, wir sind auch dabei) läuft das Wasser im Munde zusammen. Der Pfarrer reckt drohend die Bibel, sein Gesicht wird vom Grill feurig beleuchtet, und mit bebender Stimme kündigt er die Rache des Herrn an. Draußen donnert’s, die Gemeinde zuckt zusammen, außer die sturzbesoffenen Skifahrer; einer steht auf und schickt sich an, ins Taufbecken zu brechen; ein deutliches Beben lässt das Gotteshaus schwanken, die Bunnies schreien spitz, und die Krippe erwacht zum Leben: Melinda und Bill Gates beugen sich zu ihrem Kind hinab, das seinen Oberkörper aufrichtet, gehüllt in einen weißen, mit Straßsteinen besetzten Polyesteranzug. Jesus hat schwarze Haare und einen Entenschwanz, Caspar, Melchior und Balthasar reichen ihm eine Gitarre, heben zu einem dreistimmigen Chorgesang an, und der King beginnt zu singen: „Devil in Disguise“. Er schwingt sein Becken; Esel, Hund, Katze, Hahn stapfen im Takt auf die Hühnerbarone los, die wollen fliehen, stolpern über abgestellte Skier, das Grillfeuer greift aufs Holzgebälk über, und noch ehe der Pastor der verkommenen Gemeinde ein endgültiges „Amen“ entgegenkeifen kann, kracht die ganze areosolgeschwängerte Kirche zusammen, und es herrscht Stille. 
Fast - nur King Corona singt weiter, unplugged & forever.

26.6.
Mein großer Sohn Cyprian hat vor, sein Berufsleben dem Tourismus zu widmen. Mit dem Bachelor in der Tasche schloss er vor Corona einen Arbeitsvertrag für 10 Wochen Jobben auf Sardinien ab. Lange war unklar, ob er überhaupt würde anreisen können. Erst kurz vor knapp die erlösende Mail: Forza! Andiamo zum Flughafen, ich auch da, ihm Ade sagen. Atmosphäre wie bei Geisterspielen im Stadion; nur ein Bäcker hat auf, alle Flure und Hallen leer, auf der großen Anzeigetafel eine Kinderhandvoll Flüge. Erstmal dringend zum WC (Antibiotika), dort gerade Polizeieinsatz mit Schwerbewaffnung. Ich maximal unter Druck, der junge Polizist auch. Er herrscht mich in an: „Polizeieinsatz-die Toilette ist für Sie gesperrt- gehen Sie weiter“. Fast reiße ich mir die Maske vom Mund vor Entsetzen, fürchte jedoch, dafür erschossen zu werden. Eine junge Polizistin, freundlicher: „Da hinten sind weitere Klos“. Ich renne, klappe in allerletzter Sekunde die Brille hoch - das war die Ouvertüre. 
Am Eurowings-Schalter ist schon allerhand Betrieb. Ausreichend Zeit. Hot news: Ab sofort kommt nach Sardinien („coronafrei“) nur, wer ein Formular der Regionalregierung online ausfüllt und abschickt. Allerlei Fragen à la „Haben Sie Husten?“ etc. Dann: Steuernummer? Cyprian schaut mich panisch an. „Die weiss ich nicht“. Nur die Ruhe. Wir rufen beim für ihn zuständigen Finanzamt an. „Darf ich ihnen am Telefon nicht sagen!“ - „Und wenn ich ihnen ein Foto meines Personalausweises schicke?“ Selbes Haus, neuer Gesprächspartner. Nummer wird durchgegeben. Gleich eintippen. Geht nicht. Noch dreißig Minuten. Zahlendreher? Ach, Schrägstriche vergessen. Sind sie ein Roboter? Markieren sie jene Felder, auf denen eine Ampel zu sehen ist. Abgestürzt, noch mal. Cyprian zur Frau am Check-In: „Nehmen Sie mich notfalls auch so mit? Nein? Aha!“ Nochmal, mit meiner Steuernummer, nur testhalber. Geht auch nicht. Ohne Schrägstriche? Nein, ich bin kein Roboter. Cyprians erstes Arbeitsverhältnis- da darf man doch unmöglich den Flieger verpassen, wegen sowas! Abschicken. Geht nicht. Noch fünfzehn Minuten. Wieder beim Finanzamt anrufen. Ich parallel zum Eurowings-Service-Counter. „Nein, da kann ich ihnen nicht helfen“. Sind Sie ein Roboter? Markieren Sie jene Felder, auf denen ein Zebrastreifen zu sehen ist. Wo zum Teufel soll da ein Zebrastreifen sein? Abschicken. „Pflichtfeld fehlt“: die Steuernummer. Noch fünf Minuten. Am Service-Schalter kriegt derweil eine Kundin einen vulkanösen Wutausbruch: „Sie lassen mich extra aus Hamburg hier her reisen, und jetzt darf ich nicht mit? Ich kriege gleich einen Herzinfarkt!“ Nochmal von vorne. Sind Sie ein Roboter? Markieren Sie jene Felder, auf denen ein Traktor zu sehen ist. Rechner stürzt ab. Ein freundlicher Mitarbeiter, der bisher pausenlos andere Reisende beraten hat, schlurft heran, erbarmt sich unser. Neben dem Feld „Steuernummer“ gibt es ein Rechteck „Nationalität“ mit kleinem Häkchen links oben. Der Trick: Das Häkchen muss weggeklickt werden. Eine Maske springt auf, ein Land wird ausgewählt, Steuernummer, Roboter, Zebrastreifen. Danke sehr! Jetzt aber schnell. Wie spät ist es? Aha, Abflug. Das Eincheckpersonal geht in die Pause. Halt! Ich eile zum Service Counter. Schlange stehen, warten. Flieger ist in der Luft. Ich schildere alles nochmal. „Kann man wenigstens gratis umbuchen?“ Eurowings-Mitarbeiter: „119 Passagiere haben das mit dem Formular hingekriegt. Kann ja nicht so schwer sein. Nein, da ist nichts zu machen“. Grande Finale. Feine Rauchsäulen entweichen meinen Ohren. Wann geht der nächste Flieger nach Olbia? „Am 2. Juli, in einer Woche“. Aus den feinen Rauchsäulen werden zischende Fontänen, wie bei einer alten Dampflokomotive. Sind sie ein Roboter? 
Cyprian will seinem Arbeitgeber Bescheid geben. Kurzarbeit, keiner geht ran. 
Ein Blick in den Spiegel. Markieren sie jene Felder, auf denen ein Versager zu sehen ist. Cyprian trottet mit hängenden Schultern heim, ich stürme zum nächsten Klo.
Zu spät. Habe mich lange nicht mehr so beschissen gefühlt.

27.6.
Ich unterhalte mich mit einem Bekannten, der eine Coronaerkrankung erfolgreich hinter sich gebracht hat. Er berichtet: „Es passiert mir regelmäßig, dass man Kontakte mit mir meidet - auch solche, bei denen man zwei Meter Abstand einhält. Einer insistierte sogar auf fünf Meter. Als ich nachfragte, warum, kam zur Antwort: „Weil mir mein Leben lieb ist“. 
Andere Stadt, gleiche Situation: Eine Frau wird nach Covid-19-Erkrankung wieder gesund, und als sie einkaufen gehen will, wird ihr der Zugang zum Supermarkt verwehrt. Wie sie darauf reagiert hat, wurde mir leider nicht berichtet. 
Sogar gegen mich gibt es Vorbehalte - obwohl ich mich niemals irgendwelcher Symptome erfreute. Eine sehr ängstliche Verwandte kann sich erst in einigen Monaten ein Treffen mit mir vorstellen - wegen der kleinen Kinder, über deren Infektiösität „man ja in letzter Zeit viel gehört“ habe, aber auch wegen dieses Tagebuchs, das ihr nicht gefällt. Womöglich habe ich mich zu lax, zu ungewaschen präsentiert. 
Corona hat, wenn nicht zu endgültigen Zerwürfnissen, so doch zu Haarrissen geführt, die sich quer durch viele Freundschaften und Familien ziehen. Nun kenne ich Haarrisse aus zwei Zusammenhängen: Bei einer Stressfraktur am Mittelfußknochen heilt der Riss nach sechs bis acht Wochen aus, ich habe aber auch schon mal in einem überteuren Einzimmer-Appartement am Lehmweg in HH gewohnt, und als ich auszog, zückte der Vermieter ein Diktiergerät, um die angeblich von mir verursachten Schäden verbal zu dokumentieren. Ich stand schräg hinter ihm und wohnte der nicht weniger schrägen Situation bei. „Dann wollen wir mal“, hob er im Bad an, drückte die Record-Taste, und (darum komme ich überhaupt drauf) begann sein Werk mit den Worten „Haarrisse am Waschbecken“. Insgesamt summierten sich sämtliche Schäden auf eine halbe Stunde Sprechzeit, und als ich am Ende fragte, ob von meiner Kaution denn irgendetwas übrig bleiben würde, da lachte er leicht angeschmuddelt und wünschte mir noch einen schönen Tag.
Es ist die Frage, welche Art Haarrisse Corona hervorruft: Temporär oder bleibend? In optimistischen Momenten spekuliere ich auf einen Heilungsprozess, der wie die frakturspezifischen sechs bis acht Wochen dauert, in düsteren denke ich an eine Zeitspanne, die ähnlich lange anhält wie das Zurückzahlen der Corona-Kredite. 
Abends beehren Teresa und ich die Bummfilm-Studios in Otterfing, um am Live-Hörspiel von „Rufus T. Feuerflieg“ auf Twitch mitzuwirken. Ursprünglich sollte das Werk auf der Buchmesse Saar aufgeführt werden, die coronabedingt ausfällt, so wie bekanntlich alle anderen Messen auch. 
In fünf verschiedenen Zimmern stehen die Mitwirkenden vor den Mikros, außerdem ist ein Sprecher aus Hamburg live zugeschaltet, Esther Schweins aus Mallorca, und während der längste von uns, Götz Otto, in einem kleinem Kabuff hinter der Klimaanlage Platz nehmen muss, dürfen Teresa (als meine Assistenzhexe Kreszenzia Freifrau von Himmelberg-Hasseloh) und ich uns gemeinsam im größten Studio austoben. Ein gemeinsamer Hausstand - das ist ein großer Luxus in diesen Tagen. Kaum geprobt, ist so‘n Live-Hörspiel für alle ein spannendes Abenteuer, das nur gelingt, wenn keiner der Sprecher zwischendurch an Corona denkt. Hat geklappt. Ein rundum gelungener Abend.

28.6.
In der Dämmerung bringe ich Cyprian zum Flughafen. Zweiter Versuch, nach Olbia zu gelangen, jetzt mit anderem Carrier. Sein Arbeitgeber war gnädig, offenbar hatten einige Kollegen beim ersten Anreiseversuch dasselbe Problem wie er. Lustigerweise muss man neuerdings das Einreiseformular für Sardinien vor Check-In online ausfüllen, um im Flieger alles nochmal handschriftlich zu Papier zu bringen - die sardische Doppelstrategie gegen Covid-19. 
Nach dem Einchecken trinken wir noch einen Kaffee auf der großen Plaza, draußen, zwischen den Terminals, und lauschen den Sperlingen beim Morgenkonzert. Uns ist, als habe sich die Natur bereits einen Teil des Airports zurückerobert: den Luftraum über der Krümelzone. 
Das brachiale Gezwitscher werde ich, wenn das Virus eines Tages außer Dienst gestellt wird, vermissen.
Nachmittags fahre ich mit dem Geländerad meine Hausrunde und habe eine blöde Panne: Speichen am Hinterrad sind locker, ich kann nicht weiterfahren, und ohne Werkzeug („Nippelspanner“) ist da nichts zu machen. Also schiebe ich den Alufanten durch die Sommerhitze. Am S-Bahnhof gibt es einen Radladen, den ich beflissen maskiert betrete. „Bedaure, wir nehmen bis zum Herbst gar keine Reparaturaufträge an“ - „Wie, gar keine?“ - „Wir können einen Termin ausmachen, für die Annahme des Rades“. Ich staune. „Kein Problem. Ich kaufe einen Nippelspanner, dann kann ich das Problem selber beheben“ - „Tut uns leid, so was haben wir nicht. Wir wurden schon seit Wochen nicht mehr beliefert. Die Firmen kommen einfach nicht hinterher.“ Ich staune noch mehr. Nicht nur Amazon und Sagrotan sind Krisengewinnler, sondern auch das Fahrrad. 
Zu Beginn der Krise hätte ich kaum gedacht, dass sich dieser Trend verfestigt - ungefähr so wenig, wie ich noch letzte Woche an den Klassenerhalt meines Lieblingsvereins geglaubt habe. Gefällt mir natürlich gut, dieser Boom - auch wenn ich heute per Bahn heimfahren muss.
Immerhin kann ich so einen Blick aufs Handy werfen und erlebe live, wie Werder Bremen sich auf den Relegationsplatz schiebt. Damit hatte ich ehrlich gesagt nicht mehr gerechnet. Die Jubelszenen nach dem Spiel kann ich leider nicht verfolgen, wg. Akku. Schade; ich hätte gerne gesehen, wie die Mannschaft zur Fankurve schreitet und mit den Geistern die Choreo zelebriert. Die leibhaftigen Fans verfolgten das Spiel offenbar vollzählig an den Stränden der Seen und Meere, ehe sie sich nach Spielende vorm Weserstadion versammelten. Fernsehbilder legen nahe, dass dabei der durchschnittliche Abstand von Hüftknochen zu Hüftknochen in Cuxhaven-Duhnen oder am Timmendorfer Strand eine knappe Handbreit betrug. 
Noch kontaktfreudiger schmiegen sich laut BBC nur die Engländer aneinander; Sonnen- und Kuschelhunger der Untertanen ihrer Majestät scheinen immens. Natürlich wächst mit der Enge die Übertragungsgefahr durch Aerosole, andererseits wirkt die starke UV-Strahlung antiviral. Namentlich die Engländer, so erfuhr ich in der Tagespresse, setzen an den Stränden auf eine Kombiprävention durch UV-Strahlung plus Alkohol. Noch wissen wir nicht, was Corona von dieser Strategie hält - auf jeden Fall erscheint sie mir erfolgversprechender als das sogenannte Stuttgarter Modell, also Alkohol plus Plünderungen in der Nacht. Die epidemiologischen Auswertungen der verschiedenen Präventionsansätze erfahren wir, wie immer: in zwei Wochen.

29.6.
Als mir meine Frau morgens vom Fall Kretschmann erzählt, entgleisen mir sämtliche Züge. Der Ministerpräsident habe sich unmaskiert im Flughafen blicken lassen, umgeben von Mitarbeitern, die das Gesetz ernster nehmen als er. Mein Puls touchiert die 100, mein Blutdruck die 200. Sogleich formuliere ich stumm Verwünschungen, und Joschka Fischers berühmte Beleidigung fällt mir ein, eingeleitet durch „Mit Verlaub...“ Dann lese ich mich ein und erfahre, dass Kretschmanns Facebookseite wegen massenhafter Beleidigungen geschlossen wurde. Hahaha, denke ich mir, erst fällt der Herr Potentat hinter Friedrich den Großen zurück und meint, er stehe überm Gesetz, dann reagiert er obendrein weinerlich und löscht die Kommentare, die er doch selber erzwungen hat. Besonders hirnrissig finde ich die Behauptung seiner Sozialmedien-Fachkräfte, „Corona-Rebellen“ hätten seine Seite „lahmgelegt“. Ein Hacker-Angriff? Mitnichten! Laut Staatsministerium seien „im Sekundentakt zahlreiche Falschaussagen, Verschwörungserzählungen, Drohungen, Beleidigungen und andere strafrechtlich relevante Inhalte“ gepostet worden. Nun ist allerdings auch das Nicht-Tragen einer Maske mindestens eine Ordnungswidrigkeit. 
Insgesamt seien 4000 Kommentare von „Störern“ eingegangen, so dass die seriösen Fragen von Bürgern „völlig untergegangen“ seien.
Nein, nicht nur „Corona-Rebellen“, auch Unterstützer der „Maßnahmen“ wie zB ich, haben ein Problem damit, wenn der Landesherr meint, er dürfe - als einziger - sein Aerosol ungehemmt im Terminal verbreiten. Es ist keineswegs so, dass ausnahmslos alle, die Winfried dem Nunmehr-etwas-weniger-Großen nicht bedingungslos zu huldigen bereit sind, in die Klapsmühle gehören. 
Gerne würde ich mir persönlich ein differenziertes Bild der Kritik machen, die da auf ihn eingeprasselt sein muss - aber das geht ja nun nicht mehr, denn sie wurde gelöscht. 
Manometer, der soll doch froh sein, dass auf seiner Seite mal so richtig was los ist! Wenn ich jedesmal die beleidigte Leberwurst spielen würde, nur weil mich bei Facebook ein paar tausend Störer daran hindern, auf die seriösen Fragen der Bürger zu antworten, dann, äh, könnte ich mich von Rügenwalder als Brotbelag vermarkten lassen. 
Als ich Teresa in der Kirche St. Achaz abgeliefert habe, wo sie Rheinbergers A-Dur-Messe singt, schiebe und trage ich die Kinder durch Sendling und regle mich erfolgreich runter. 
Bah, diese wutbürgerlichen Herabwürdigungen älterer Herrschaften stehen mir nicht. Ich sollte gerade nicht so bigott sein wie Kretschmann, sondern menschenfreundliche Milde walten lassen. Kretschmann sagt, er habe Süßigkeiten essen wollen. Richtig so! Ich habe auch schon auf so mancher Bahnfahrt die Maske gelüftet, um mich zu verpflegen - das ist bei der DB sogar ausdrücklich erlaubt; was fliegt er überhaupt? 
Ist es nicht in Wirklichkeit positiv, wenn Kretschmann dem Ernst der Lage seine hoffentlich nicht allzu kariösen Zähne zeigt und ihn so gleichsam relativiert? 
Sodann überlege ich, welche Süßigkeit er gegessen haben könnte. Happy Hippo würde zu ihm passen, Lutscher natürlich auch, ebenso wie sehr, sehr weicher Keks.
Beim Verfassen der Pressemitteilung des Staatsministeriums jedenfalls waren sicher keine Smarties im Spiel. 
Puh. Winni hätte mich fragen sollen: Masken eignen sich vorzüglich als Bonbon-Reservoire. Ich habe jederzeit ein Dutzend Leckerlies im Backenbereich meiner Stoffmasken deponiert und schiebe mir bei Bedarf ein Gutsi per Hand in den Mund. 
Guten Appetit allerseits!

30.6.
OP! Eine gewisse Nervosität kann ich nicht leugnen, als ich mittags in kurzer Hose, Badeschuhen und Regenjacke am Krankenhaus aufkreuze. Meine am Eingang gemessene Körpertemperatur beträgt sogar 36 Grad Celsius - das ist für mich hohes Lampenfieber. Dazu muss man wissen, dass in diesen Wochen jeder, der an der Pforte Einlass begehrt, mit einer Stirnfiebermesspistole traktiert wird; ich war seit Abszeß-Öffnung fünfmal zum Tamponadenwechsel da, und nie überstieg meine Temperatur 35 Grad. Ohne zu zucken wurden die bedrohlichen Werte von eher branchenfernen Dienstleistern in ein gelbes Formular eingetragen, und nun danket alle Gott, dass ich’s immerhin bis hierher geschafft habe. 
Im OP laufen gedämpft ausschließlich Hits der 80er. Als ich mich auf den Tisch lege, „Fade to grey“ von Visage, als die freundliche Chirurgin mir die Betäubungsspritzen setzt, „Being Boiled“ von Human League. 
Dann muss das Zeugs einwirken, und ich unterhalte mich mit der Assistentin (ungefähr mein Alter) über die Trottellummen an der Langen Anna auf Helgoland und Elon Musk und seinen Kampf gegen das, was er für Faschismus hält. Anschließend nimmt sie mir die Brille ab. „Darf ich putzen? Ich kann soviel Dreck nicht ertragen“. 
Die Frau Doktor zückt das Skalpell. Im Hintergrund läuft Boy George, „Turn 2 dust“, ein leichter Schweißfilm benetzt meine Stirn, und ich muss mich konzentrieren, um Krämpfe in der Rückenmuskulatur zu vermeiden. „Tut das weh?“ fragt die Ärztin, und ich verneine. Nur ungefähr registriere ich, dass da eine Schere schnippschnappt, dass da mal gezuppelt, mal gerupft wird. 
Einige Fachfragen kommen mir in den Sinn, etwa, ob hier schon Leute eingeschlafen sind (es ist meine Nickerchen-Zeit), ob Zysten auch für irgendwas gut sein können, und ob es auch Patienten gibt, die während der OP am Handy daddeln (ich habe Flugmodus an). Aber ich stelle keine Fragen, aus Angst, ihre Konzentration zu stören - nachher geraten wir ins Plaudern, und am Ende fehlen mir zwei Nieren und der Dünndarm, aber die Zyste ist immer noch an Bord. Die Assistentin witzelt: „ Unter Chirurgen gilt ja: Abgemacht ist abgemacht.“ 
Schließlich nicke ich tatsächlich ganz kurz ein, Frau Doktor näht das Schlagloch zu, und aus dem Speaker tönt „Don’t go“ von Yazoo, als ich mich bedanke. Zwei mal zwei Zentimeter habe der fleischerne Tunichtgut gemessen. Eigentlich würde ich ihn gerne mit nach Hause nehmen, für Instastory, meiner Frau dürfte ich damit evtl eine Freude machen, vielleicht kann man‘s sogar einlegen, aber ich trau mich nicht zu fragen. Dann singt Kajagoogoo „Too shy“, aber da bin ich schon fast draußen.
Nach sechs Jahren als Besitzer eines vermeintlichen Lipoms kann nun ein neuer, unbeschwerterer Lebensabschnitt beginnen. 
Zunächst geht’s auf die Hütte, wo ich versuche, ein großes Tarp als Vordach zu installieren. Vielleicht keine ganz glückliche Aktion, so kurz nach Aufschnitt: Als die Betäubung nachlässt, beißt der Wundschmerz zu. Ich verstaue das Tarp mit Strichlippe in der Vorratskammer und beschäftige mich bewegungsärmer, nämlich indem ich den spektakulären Sonnenuntergang bestaune: ein knatterndes Leuchten, ungefähr wie in „True Colours“ von Cindy Lauper. 
Und dann liege ich eher mittelmäßig relaxed im Bett und überlege, ob es wirklich schlau war, kein Schmerzmittel mit auf die Hütte zu nehmen. Mal schauen, ob ich irgendwo noch Süssigkeiten finde. Waren da nicht neulich noch Happy Hippos, Lutscher und weiche Kekse?

1.7.
Mief! Gestern wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass „Die Doofen“ feiern dürfen: Vor 25 Jahren stand „Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke“ auf Platz 1 der Charts. 
Zunächst tue ich die Info als systemirrelevant ab, vielleicht aus Furcht, zum ewig seufzenden Nostalgiker zu werden. Dann aber beschäftige ich mich doch gedanklich mit dem Jahrestag. „Lieder, die die Welt nicht braucht“ bescherten Olli und mir einen Reigen einzigartiger Erlebnisse. An erster Stelle kommt mir unser Konzert im Münchener Olympiastadion in den Sinn. Wir hatten die ganze Stadt mit Plakaten zugekleistert und am nächsten Tag „ausverkauft“ drübergeklebt - kein Hexenwerk, nachdem wir nur 200 Karten verkauft hatten. Und so entstiegen wir den Katakomben, sahen in weiter Ferne einen winzigen Pulk jubelnden Fans, ansonsten gähnende Leere - womit die Verbindung zum Heute hergestellt ist. Einprägsam auch die Erinnerungen an hyperventilierende, kollabierende Musikfreunde (zumeist 4-12 Jahre alt) und „Rock am Ring“ im strömenden Regen, als uns aus einem Ozean aus Malerfolie zu „Toastbrotbaby“ zwei Dutzend durchweichte Kastenbrote um die Ohren geschleudert wurden. 
Oft werde ich gefragt, ob nicht die Zeit für eine Reunion reif sei? Hm. Unser Ziel war damals, „Deutschland vollständig einzudoofen“, und in der Rückschau kann ich sagen: Wir waren sehr erfolgreich, sogar über Deutschlands Grenzen hinaus: Donald Trumps Präsidentschaft wäre ohne „Die Doofen“ gar nicht denkbar. 
Heute gilt es, die zwischenzeitlich exponentiell gewachsene Doofheitskurve abzuflachen, um die demokratischen Institutionen vor Überlastung zu schützen. 
Andererseits haben Olli und ich vereinbart, dass, wenn uns die Altersarmut hierzu zwingen sollte, wir auch wieder gemeinsam auftreten. Wenn man uns also eines Tages in irgendeiner Kurmuschel tattrig „Es geht ein Pullunder auf Reisen“ spielen hören sollte, ist klar, warum. 
Kann sich aber alles ganz schnell ändern - wir leben in einer Zeit ohne Beständigkeit, und das gilt nicht zuletzt für Meinungen. Hatte ich nicht neulich noch geschrieben, dass ich finde, man sollte den Begriff „Rasse“ nicht aus dem Grundgesetz streichen? Dann las ich „Schule der Rebellen“ von Charles King, ein wundervolles Buch, aus dem ich erfahre, dass Franz Boas, der Vater der modernen Ethnologie, seit 1907 im Regierungsauftrag die Migration in die USA erforschte und dabei feststellte, dass es nicht möglich ist, Menschen nach einem festen Rassenschema zu kategorisieren, sondern dass es im Gegenteil alle denkbaren Kombinationen und Übergänge gibt. Was nicht definiert werden kann, ist wissenschaftlich nicht vorhanden - so begründete er seine Ablehnung des Begriffs Rasse, und diese Begründung ist bis heute stichhaltig. 
Eigentlich fand ich mein Argument dafür, das Grundgesetz nicht zu verändern, recht brauchbar („dem Rassisten ist eh egal, was da drinsteht“), wenn aber „Rasse“ echter Mumpitz ist: Raus damit. Deutschland unterhält ja auch keine diplomatischen Beziehungen zu Arkadien & Atlantis, und auf der roten Liste werden Wolpertinger auch im Kleingedruckten nicht erwähnt. 
Wundschmerz am Morgen verschwunden (gutes Heilfleisch). Vormittags döse ich noch in der Hängematte, dann spaziere ich aufs Schartenjoch. Versuche längere Zeit einen Schmetterling zu bestimmen, erfolglos (ähnlich Schachbrett, aber weniger verschachert). Dann Pressekonferenz der bayerischen Staatsregierung. Die gucke ich vor allem wegen Aiwanger. Niemand sagt so schön „Schaas“ (Chance) oder „Braasch“ (Branche). Söder wiederum wiederholt immer konsequenter seine Kernsätze. Hat er von Trump gelernt (und damit von den Doofen). Hat er von Trump gelernt (und damit von den Doofen).

P.S.: Der Schmetterling war ein Großer Speerspanner. Dank an Kenner Christian M.

2.7.
In Badelatschen auf‘n Berg. Warum nicht? Teresa ist mit den Kindern vorgefahren, ich muss eh runter zur Zillertalbahn, da könnte man auf dem Weg noch schnell einen Gipfel mitnehmen. Und da die Wanderschuhe oben bleiben sollen, gleichsam als Hütteninventar, entscheide ich mich für den Hamberg - der sieht schön rundlich aus, ohne Absturzgefahr. Müsste mit den Plastikschlappen machbar sein. Leichte Wanderungen hat die Chirurgin mir vorgestern ausdrücklich erlaubt - und Wege, die man in Badelatschen zurücklegen kann, müssen leicht sein. Oder etwa nicht?
Wetter ok, Gewitter sind erst für nachmittags angekündigt. Zunächst runter zum Märzenbach, auf der anderen Seite wieder rauf. Moderate Wanderwege und Forststrassen, immer hübsch diagonal am Hang. Hui, wie die Sonne brät; mein Wasserbedarf ist hoch. Praktisch, dass Bäche hier häufig sind und ich so unbefangen durchstiefele wie sonst selten. 800 Höhenmeter geht es bergauf, ehe der puppige Weg einer leichten Kletterei weicht. Große, trockene Gesteinsbrocken, auf denen man schlecht ausrutschen kann. Nach drei Stunden stehe ich oben, 2000 und ein paar Zerquetschte, und Teresa ruft an und berichtet von der Kinderspielgruppe, in der beim heutigen ersten Treffen draußen im Park diskutiert wurde, ob man die Zweige, die ein Kind angefasst hat, desinfizieren muss, ehe sie ein anderes Kind ergreift. Das hierfür zuständige Hygienekonzept geht auf dieses Detail nicht ein, was eine Mutter für einen ernsthaften Mangel hält. Und so beschließt diese besonders umsichtige Frau, die Spielgruppentreffen zukünftig zu meiden, zumal andere Kinder (unsere?) offenkundig nicht erfolgreich dazu erzogen wurden, Abstand zu halten. Das sei eine Frage der Solidarität, und wer seine Kinder einfach gewähren lasse, ein Egoist.
Ich studiere derweil die Westseite des Hamberges, balanciere dabei unsicher über den alpinen Schutt. Problem: Diese Seite ist weit steiler als jene, auf der ich hinauf gekommen bin. Über mir ballen sich Gewitterwolken. „Tschüss; ich komme so schnell wie möglich. Muss nur eben runter zum Bahnhof!“ Aber wie? In kleinen Tippelschritten suche ich nach Halt, gerate immer wieder ins Schlittern. Glatter Fels passt nicht zu Badelatschen, feuchter Humus nicht, Gras auch nicht. Wenn ich falle, so nehme ich mir vor, dann bitte nicht auf die frische Wunde. 
In der Ferne donnert’s, und leider kommt diese Ferne schnell näher. Unter mir sehe ich den Ort Fügen, die Häuser unangenehm klein. Ritsch: Ein Stock bohrt sich von unten durch die Sohle, schleicht sich an meinem Mittelfuß vorbei, reisst dann ein Loch ins Obergewebe. Uff. Gut, dass ich unverletzt geblieben bin. Bemerkenswert: Auch der andere Schuh löst sich auf, an gleicher Stelle wie sein Kollege, aber ohne Stockschuld. Vielleicht ist sie das, diese berühmte Solidarität! Du gehst kaputt, ich geh mit - man kann meinen Badeschlappen viel vorwerfen, aber keinen Egoismus. 
Zum Barfußlaufen ist das Terrain leider auch nicht der wahre Jakob, also weiter in den Schuhruinen. Handy ist fast leer. Große Tropfen platschen aufs Display, als ich die Karte konsultiere. Um eins esse ich den lächerlich kleinen Brotknust, den ich als Verpflegung dabei habe - ansonsten ist der Rucksack prall mit Hüttenmüll gefüllt. Aahhh...einen ganzen Meter rutsche ich auf feuchtem Waldboden, ehe ich die Kontrolle wiedererlange, eine von sieben veritablen Rutschpartien. Besser veritabel als vertikal, keuche ich, und bitte den Sensenmann (immer in Sichtweite dabei) um Geduld. Schließlich stoße ich auf eine Forststrasse, woraufhin er mit wegwerfender Handbewegung abdreht. Wahrscheinlich ist er aus Zucker, denn bald darauf kracht und blitzt es wie im Bilderbuch. Und jetzt, Freunde des Starkstroms, könnten meine Schuhe vom Sicherheitsproblem zum -Garant werden. Gummi isoliert doch, der Blitz kann mich mal! 
Und nach fünf Stunden insgesamt für 20 km Weg sitze ich im Zug, badeschlapp aber frohgemut, fahre heim und entsorge mein Schuhwerk noch am Hauptbahnhof. Danke, liebe Latschen.

P.S.: Es ist 9:04 Uhr und ein krachender Shitstorm bahnt sich an, bedrohlich wie das geschilderte Gewitter. Gleichsam als Regenjacke, in die ich mich hülle, appelliere ich an alle, womöglich noch schwankenden Leser: Was ich tat, war unvernünftig und gefährlich. Darum gilt: 
Nicht Nachmachen!

5 Kommentare:



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  5. Ich hätte fast meine Ehe verloren, weil mein Mann mich betrogen hatte, das dauerte ein Jahr, weil ich mir nicht sicher war, bis er eine Scheidung beantragte und das Haus verließ. Ich war schockiert, das machte mich so krank, dass ich mich tagelang auf keinen Bereich konzentrieren konnte, dachte weiter und fing an zu trinken. Ich brauchte so dringend Hilfe, dass ich eine Freundin um Rat bat und sie mir Dr. ODIBOH DADA empfahl, der mir versicherte, er könne mir helfen, und so tat ich, was er von mir verlangte, und er sagte mir, mein Mann würde seine Meinung ändern und dass er ihn dazu bringt, zu mir zurückzukehren und ihn auch vom Betrug abzuhalten, also vertraute ich ihm und nach 7 Tagen kam mein Mann nach Hause und bat mich, ihm den Schmerz zu vergeben, den er mir und den Kindern zugefügt hatte, den er wollte Sei wieder mein Mann und Vater für unsere Kinder. Ich hätte nie gedacht, dass es immer noch mächtige Menschen auf der Erde wie Dr. ODIBOH gibt, die immer noch helfen können, Probleme zu lösen. Ich bin für immer dankbar für seine Hilfe und empfehle ihn für Hilfe, was auch immer Ihr Problem sein sollte. Sie können ihn direkt über seine E-Mail (odibohsolutionhome@gmail.com) oder noch besser über seine WhatsApp-Nummer +2347048883838 erreichen.

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