Dienstag, 23. Mai 2017

Zwei Schweine im Laubwald

Für "Gute Nacht - Die Show vorm Einschlafen" habe ich mir nahe Henstedt-Ulzburg von "Waldläufer" Kai de Graf erklären lassen, wie man sich eine Laubhütte baut. Der Trick ist das "schiefe Dreibein", das aus drei Astgabeln besteht, die am Giebel ineinander verschränkt werden. Der Kenner erkennt hieran die Meisterschaft des Totholz-Ingenieurs. 


Sofern die Dachbedeckung aus Laub 30 cm stark ist, kann man sich in dieser Kleinimmobilie regensicher wähnen. Auch das Innere wird reichlich mit Laub gefüllt, um gediegenen Schlafkomfort zu gewährleisten. Der Isolationseffekt der luftigen Laubschicht ist beachtlich; sie ist die uralte, strubbelige Schwester der Noppenfolie. 


Die Nacht verlief angenehm; ab und an rieselte es von der Decke, und tausende Würmer und Kerbtiere sorgten für ein beständiges Rascheln. Gegen zwei Uhr flanierte in Wurfweite ein Wildschwein vorbei, das rhythmisch mit der Nase durchs Laub pflügte und dabei introvertierte Grunz-Gluckser murmelte. Ich lauschte dem Selbstgespräch etwas bang, überlegte, wie ich mich verhalten sollte, falls das Wildschwein auf mich Kurs nähme. Gut, dass ich für Angstgefühle viel zu müde war und das Schwein bald südwärts abschnüffelte. 

Bereits um fünf Uhr wurde ich vom Kamerateam geweckt; schlaftrunken stammelte ich meine Eindrücke in die Kamera, und kaum fünf Minuten später rief die Aufnahmeleitung "Drehschluss". Dies, juchhu, war einer der kürzesten Arbeitstage meines Lebens. Jetzt gehe ich ein Stündchen joggen und lungere rum, ehe es heute Abend um 18 Uhr im Schlaflabor weitergeht. 

10:33 Nachtrag: Nein, ich war doch nicht laufen, sondern bin auf dem Birdy von Eimsbüttel aus an der Elbe entlang zum Willkommhöft nach Wedel geradelt. Endlich habe ich sie mal in Aktion erlebt, die berühmte Schiffsbegrüssungsanlage. 


Hin u zurück 35 km. 

Montag, 22. Mai 2017

Was passiert mit all den vergessenen Fahrradwracks? 


Manchmal ist ja Facebook doch für was gut: Der Chef des Fahrradzentrums in Oldenburg las meinen gestrigen Bericht und bot an, heute Vormittag mein Birdy zu reparieren. Wie praktisch! Und während ein freundlicher Mitarbeiter sich meiner diversen Defekte annahm, führte mich Meister Tom durch sein Reich, zu dem die Radstation hinterm Hbf, das Radzentrum gegenüber, diverse Werkstätten, ein Klamottenladen und ein Holzmöbelfachgeschäft gehören. Gegründet wurde die Firma 1998, und sie beschäftigt neben gesunden auch psychisch kranke Menschen sowie solche mit Behinderung. Das Thema interessiert mich sehr, und ich lasse mir eifrig die Besonderheiten eines solchen Betriebes erklären. 

Spannend auch die beiden Rad-Parkhäuser mit 1500 Plätzen; wobei manch Nutzer bezahlt, sein Rad abstellt und dann nie wieder abholt - ein merkwürdiges Phänomen. Wenn die schliesslich an die eingestaubten Räder gehefteten Zettel längere Zeit unbeachtet bleiben, werden die Waisenräder der Stadt übergeben, die diese dann noch eine Weile zwischenlagert (auf einem ehemaligen Flugplatz), ehe nach einer feierlichen Zeremonie (Mozart-Requiem, gespielt vom Oldenburgischen Fahrradklingel-Chor; Ansprache des Oberbürgermeisters sowie des niedersächsischen Kultusministers) jeder Rahmen entstaubt, einbalsamiert, mit Mullbinden umwickelt und auf einem Nachen über die Hunte transportiert wird. Am fackelbeschienenen Südufer nehmen dann freiwillige Velozipedisten die Ladung entgegen und tragen sie, Beschwörungsformeln murmelnd, zur großen Pyramide an der Holler Landstraße, hinter Ikea, in deren Innern sie ihre letzte Ruhestätte finden. Nach einer alten Oldenburgischen Sage verirrt sich jeder Grabräuber in jenem Labyrinth, das der heiligen Halle vorgelagert ist. Noch kein Unbefugter habe die Pharado-Pyramide lebend verlassen. Also Obacht, liebe Langfinger! 

Kurze Testfahrt: Mein Birdy rollt wieder. Die Mumpsbeule am Vorderrad war übrigens entstanden, weil ich bei der Montage den Schlauch eingeklemmt hatte - typischer Anfängerfehler. Normalerweise knallt's in einem solchen Fall zügig, und dass ich's damit gestern quer durch die norddeutsche Tiefebene geschafft habe, kann nur mir meinem besonders innigen Verhältnis zum Pharado zu tun haben. 

Auf Sport habe ich heute keine Lust. Jetzt Zug nach HH, dort drehe ich Zuspieler für die "Gute Nacht Show". Drei Nachtdrehs hintereinander. Uff; ob ich da Gelegenheit für Leibesübungen haben werde? 

10 Stadttransfer-km. 


Sonntag, 21. Mai 2017

Von Osnabrück über New York nach Oldenburg


Mit'm Klapprad übern großen Teich? Der Reihe nach. Im Team mit Roberto Blanco konnte ich beim gestrigen "Quiz für den Westen" leider nichts mehr reißen. Aber immerhin schaffte es mein 80-Jähriger Kollege, mich Kraft seines kompromisslosen Verzichts auf Wettbewerbsmentalität in Bestlaune zu versetzen. Schnellraterunde: "Welche Soße erfand der Düsseldorfer Sowieso im Jahr 18irgendwas?" beantwortete er mit "Vormittags oder Nachmittags?" Null Punkte. Ein Triumph der Scheißegalité. 


Heute Wecker um halb fünf und ab nach Osnabrück. (Die Strecke Köln-OL, 300 km, steht bei ebenfalls auf'm Zettel, aber momentan fühle ich mich nicht frisch genug. Also heute die moderate Variante). 

Als ich vom Hbf losrolle, ist mir sogleich mein Birdy suspekt. Schwabbeliges Fahrgefühl. Vorgestern habe ich neue, pannensichere Mäntel aufgezogen. Muss zentriert werden? Da springt auch schon die Kette ab, au wei! Ich schaue bang aufs Kettenblatt. Es hat einen monumentalen Schlag, eiert unrund vor sich hin. Halunke, wo bist Du?! Wer hat mein Rad kaputt gemacht? Muss wohl beim Lufttransport von M nach K passiert sein, gestern. Der Haken, mit dem das Vorderrad am Restrahmen befestigt wird, ist auch kaputt. Aber immerhin komme ich vorwärts, nachdem ich die Kette füßelnd wieder aufgelegt habe. Hm. Ob ich es auf dieser ramponierten Mähre bis zu meinen Eltern nach Oldenburg schaffe? Dort gibt es heute Mittag Schnibbelbohnen. Daumen drücken! 


Osnabrück ist am Sonntagmorgen enorm verpennt, öder als in den schlimmsten Vorurteilen, die man gerade als Oldenburger genüsslich pflegt. Umso spannender präsentiert sich das nördliche Umland. Zunächst passiere ich Kalkriese, wo die berühmte Varusschlacht stattfand, und ich male mir tausende römische Legionäre aus, die verängstigt und verdrossen, sehr fern der Heimat, in diesem Wald eins auf die Mütze kriegten. Und zwar bei deutlich mieserem Wetter als heute. Nein, die Römer werden Osnabrück nicht langweilig gefunden haben, eher schon unangenehm aufregend. Ich schaue konzentriert nach Überbleibseln. Liegt da ein Stück römischer Rüstung im Rinnstein? Nein, s'ist nur eine Red-Bull-Dose. Gut auch der Ortsname Lappenstuhl. Hihi. Und einen Alfsee gibt's in der Nähe auch, null problemo! 


Dann: Moor! Echtes Moor, mit Torfstich! So richtig wie früher. Sensation! Ich dachte, sowas sei schon seit Kanzler Helmut Schmidt verboten, von wegen Umweltschutz. In langen Reihen sind die Torfsoden zum Trocken aufgereiht. Werden die verfeuert? Im Kraftwerk? Viele meiner Vorfahren waren Torfbauern und starben mit 40 an Altersschwäche; ich bin familiär dem braunen Sumpf verbunden - ob ich will oder nicht. 

Aufs Camper Moor folgt sogleich der nächste Höhepunkt: Die Dammer Berge - Autofahrern wegen der dazugehörigen Autobahnraststätte ein Begriff. Vom Fahrrad aus passiert man nördlich von Damme ein grünes Schild, auf dem "Dammer Schweiz" steht. Dann ein 10-minütiger, moderater Anstieg. Den "Gipfel" markiert das "Schweizer Haus", ein Ausflugslokal. Runterwärts machen Baumwurzeln den Radweg rumpelig, und mein angeschlagener Drahtesel jault vor Schmerz. 

Vechta. "Verein ehemaliger Christen" deuteten wir das KfZ-Kennzeichen VEC, während CLP "Christliches Lumpenpack" bedeuten sollte. Tiefreligiöse Gegend, katholischer als die Sprosse der Familie Boning aus Goldenstedt ist schwer möglich (ich bin die Ausnahme). 

Kurz halte ich nach dem Rolf Dieter Brinkmann-Haus Ausschau, das vor einigen Jahren eröffnet wurde. Brinkmann ist einer meiner persönlichen Helden und der wichtigste Sohn der Stadt Vechta sowieso. Das hören die Vechtaer nur gar nicht so gern. Nestbeschmutzer, der. Brinkmann hörte ich erstmals ca. 2000 auf einer nächtlichen Autofahrt im Radio. Eine Dichterlesung auf Englisch. Ich wusste sofort, wer da spricht, und zwar wegen des typischen südoldenburgischen Akzent. Es war "The Last One", live in Cambridge. Wutbürger in gut. 

Am Ahlhorner Dreieck steht dann die Freiheitsstatue im Vorgarten eines Spargellokals. 2 m hoch. Leider ohne Inschrift. Auf dem Original liest man das folgende Gedicht von Emma Lazarus: 


Puh, da kriege ich sofort Gänsehaut (wenngleich die Praxis in Ellis Island nicht immer ganz so einladend war). 

Inzwischen ahne ich, dass nicht die Laufräder zentriert werden müssen, sondern der vordere Mantel der Übeltäter ist, offenbar ein Montagsexemplar, mit merkwürdiger Gummibeule. Mantel-Mumps? Das ganze Rad muss dringend in die Werkstatt. Am teuersten dürfte das neue Kettenblatt werden. 

Am Sager Commenwealth-Friedhof vorbei nähere ich mich Oldenburg, das letzte Stück auf'm Deich des Osternburger Kanals, und nach 109 km im 23er Schnitt (leichter Rückenwind) klingele ich bei Mama und Papa. Schnibbelbohnen, lecker. Danke, krankes Birdy, fürs Duchhalten! 




Samstag, 20. Mai 2017

In der aktuellen "BikeBild" steht: 

Das war ein angenehmer Tag, damals, und der entstandene Artikel ist durchaus einladend zum Radeln - das war mein persönliches Ziel bei der Sache. Einige Kleinigkeiten sind sachlich nicht richtig, etwa beträgt die Strecke von HH nach Winsen keine 80 km. Eher 30 oder so ähnlich (Ich möchte bitte nicht für einen Aufschneider gehalten werden). Aber was soll ich mich drüber ärgern - für Wutwallungen gibt's momentan bessere Gründe.

Die ganze Nacht habe ich mit der gestrigen S-Bahn-Kontrolle gehadert. Heute nun radelte ich per Birdy zum Flughafen München, der just jetzt seinen 25. Geburtstag feiert. Im Zuge des Jubiläums sind allerhand Festzelte errichtet, die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt - und die Radwege gesperrt. "Soup au lait", Milchsuppe: So nennt man auf französisch einen aufbrausenden, leicht überschäumenden Menschen. Moi. In scharfem Ton herrsche ich den Sicherheitsmann an: "Ich habe ein Ticket, wie komme ich jetzt zum Flugsteig?" Der schmunzelt und empfiehlt die S-Bahn, was ich natürlich ablehne. "Der Laden stinkt mir!" - "Das kann ich verstehen", nickt der Securist, " dann bleibt ja nur die Schnellstraße". Ich knirsche mit den Zähnen wie ein prasselndes Osterfeuer. "Ja, dann bleibt wohl nur die Schnellstraße" äffe ich ihn nach, "da sind Fahrräder verboten, aber hilft ja nix". Und prompt trage ich das Rad über die S-Bahn-Treppe, steige ab zum Standstreifen und rolle an der Leitplanke entlang zum Terminal 2. Auf nach Köln; da versuche ich heute bei in einer WDR-Show ("Das Quiz für den Westen") ein paar Öcken für Dravet-Syndrom e.V. zu erspielen, dessen Schirmherr ich bin. 

Und jetzt erstmal runterregeln. An den Wegrändern blühen die Wiesenwitwenblumen. Lange Hosen braucht niemand mehr. Und vorgestern habe ich Steckrüben gekocht, "Oldenburger Südfrüchte", mit Ochsenschwanz. Das schmeckte wie bei Muttern, und alle wurden satt. Es gibt also auch gute Nachrichten in diesen Tagen. 


Freitag, 19. Mai 2017

Ulli Hoeneß und ich. 

 

Gut: Sohn Leander begleitet mich morgens zum zweiten Tag der "Ghostsitter"-Hörspiel-Aufnahme zur Bummfilm nach Otterfing. Leander hat in den letzten Wochen das Fahrradfahren für sich entdeckt und einige 80-km-Touren hinter sich gebracht - mitunter sogar alleine und bei Dreckswetter. "Aus Langeweile" antwortet er auf die Frage nach seiner Motivation, und die Begründung ist durchaus glaubwürdig, nachdem er einem eventuellen Studium zunächst ein Sabbatical vorangestellt hat. Also rollen wir einträchtig durchs frühsommerliche Oberbayern und diskutieren die Rede Ulli Hoeneß' ("Jeder hat das Recht, sich ungerecht behandelt zu fühlen"), den Brexit ("Früher galten die Briten als besonders rational, heute sind sie mehr, äh, hormonell gesteuert") und Nationalratswahl in Österreich ("Kurz hat lange Ohren"). Da wir beide unsere Diskussionsbeiträge gerne gestisch untermalen, radeln wir vorwiegend freihändig. 


Wo sich vorgestern noch die bronzene Blindschleiche im Siberlicht aalte, steht heute ein goldiges Rehkitz, reg- und arglos. Kaum fünf Meter trennen uns; wir blicken uns an wie Gut und Böse im Showdown von "High Noon", dann fällt kein Schuss, und wir passieren beglückt den Faunaklimax des heutigen Tages.

Für "Ghostsitter" spreche ich den Rechtsanwalt Rufus T. Feuerflieg, einen überkandidelten Schnellredner à la Groucho Marx. Alle Dialoge werden gemeinsam von allen Beteiligten eingesprochen, u.a. von Kollege Bernhard Hoecker, und diese Vorgehensweise macht die Chose angenehm lebendig. 

Alle 15 Minuten ordnet Tommy eine Lüftungspause an und fügt verdächtig offensiv an, dass dies nicht mit dem Aroma meines Radlwams zu tun habe. Hm. Wechselkleidung habe ich keine dabei. Wenn Hörspielproduktionen einen Vorteil haben, dann doch den, dass die Kleidung völlig egal ist. Dachte ich.

Als der Heimweg ansteht, warnt man uns eindringlich vor der Radfahrt nach München. Schwere Unwetter mit Golfball-Hagelschlag hätten bereits ein Produktionsauto beschädigt. Als wir zudem ein paar Inline Skates stadtwärts transportieren sollen, folge ich höflichkeitshalber den Empfehlungen meiner Kollegen, den Rückweg doch besser per S-Bahn zurückzulegen. Wir stempeln Streifenkarten ab (auch für die Räder) und steigen in den spärlich besetzten Zug ein - vorschriftsmäßig, wie wir glauben. Prompt geraten wir in eine Fahrkartenkontrolle und erfahren, dass Fahrräder zwischen 16 und 18 Uhr in der S-Bahn verboten sind - außerdem brauche man eine Fahrrad-Tageskarte der DB. Ein doppeltes Fahrpreiserschleichungsdelikt quasi. Meine Halsschlagader schwillt auf Überbrückungskabelstärke an, und mit der Stimmfärbung einer gereizten Klapperschlange zische ich meinen Dank für die ausgedruckte Kostennote hervor. 120 €. Ohne böse Absicht. Der Kontrolleur: "Ich kann leider keinen Promibonus anwenden, weil: wir haben hier überall Kameras". Meine Stimmung kippt endgültig, und ich skandiere heiser: "Es! Ist! Ja! Wohl! Auch! Völlig! Egal! Wer! Ich! Bin!" Oh, wie ich sie alle hasse: Den ÖPNV und seine kafkaesken Regularien. Die Autos auch. Und meinen Heuschnupfen. Lasst mich einfach radeln, Ihr alle! (Dass wir durchs Zugfenster keinen Tropfen, kein Hagelkörnchen sehen, möchte ich an dieser Stelle am liebsten gar nicht erwähnen). 

Ja, jeder hat das Recht, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Nicht nur Ulli Hoeneß. 

36 km.


Donnerstag, 18. Mai 2017

Klingelingeling, hier kommt der...

Traumtag, total Tretroller-tauglich. Meine Freundin hat morgens in Hasenbergl zu tun, Münchens wildem Nordwesten, hinter BMW, dort, wo die Erlkönige in zweiter Reihe parken, wo die sperrhölzernen Bärenfellmützenträger der "Kingsgard-Textilpflege"-Filialen die bestgekleideten Passanten sind und der Plattenbau (West) einen seiner historischen Siege feierte. 

Aber erstmal hinkommen. Der Zweirad-Verkehr ist dicht wie ein Abflussrohr in  der Kanalisation des alten Islamabad. Lastenfahrräder mit Kindern drin, Studenten, verwitterte Komparserie aus "Zur Sache Schätzchen", und alle, alle haben's eilig. Zwischendurch werden wir von wirren Autofahrern angehupt, und ich motze beherzt mit meiner Oldenburg-Klingel zurück. Pass up do! Als Tretrollerfahrer ist man etwa so schnell wie eine sehr alte Tourenradlerin, auf den ersten Metern jedoch spritziger. Laut Straßenverkehrsordnung gilt ein Roller allerdings als "Kinderspielzeug", unterliegt keiner Beleuchtungspflicht und darf, ja muss, Trottoirs befahren. Man ist also nicht Fisch, nicht Fleisch. Vogel wäre gut, dann höb' man ab und hätt' sei Ruh'. 

Kurz vor knapp geht meiner Komoot-App der Strom aus, und so verlasse ich mich für den Rückweg auf die städtische Radweg-Beschilderung. Ist eh viel besser. "Radl-Autobahn" - so nennt man in Minga diese kreuzungsarmen Schnellwege. Daran kann man gut sehen, welche Fahrzeugklasse den Verkehr dominiert (ich warte auf ein Zeitalter, in dem man eine exklusive Kraftfahrtstrasse "Auto-Radweg" nennt). 

Viele Pollen in der Luft. Ich schniefe asthmatisch - wie bereits im Lenz vor drei Jahren. Daheim durchstöbere ich das Internet nach Einkaufsquellen für Atemschutzmasken. Jemand sagte mir zwar, die taugten nicht gegen Pollen - aber ich würde es dennoch gerne selber ausprobieren, schon alleine wegen der inkognitisierenden Optik. Vielleicht sowas? 


Strecke: 25 km, 2h

Mittwoch, 17. Mai 2017

Ist Arbeit tatsächlich die Folge der Erbsünde? 

"Arbeit ist die Folge der Erbsünde" seufzte meine fromme Oma mütterlicherseits oft und gern. Ich stelle ihre Sicht ungern in Frage, aber mindestens ein Aspekt am Erwerbsleben gefällt mir ausgezeichnet: der Arbeitsweg. Arbeit ist für mich deswegen unverzichtbar, weil sie mir Gelegenheit gibt, mich morgens aufs Rad zu schwingen und an den Arbeitsplatz zu eilen. Heute befindet sich dieser bei der Bummfilm, in Otterfing, 30 km südlich von München. Das Hörspiel "Ghostsitter" wird dorten eingesprochen, und so eile ich auf meinem Crossrad am oiden 60er-Stadion und dem Trainingsgelände des FC Bayern vorbei durch den Perlacher Forst. Mannometer, Ihr Autofahrer, habt Ihr einen Schimmer, was Euch entgeht? Die Natur feiert sich selbst, ekstatisch, es riecht nach Feuchtholz, Chlorophyll und Dung, man meint in der Höhe bis an die fernsten Ränder des Universums blicken zu können, und vor mir paradieren die Alpen, weiß geschminkt wie thailändische Ladyboys auf einem Laufsteg. 


Kurz vor Sauerlach, auf dem "Eisenbahnstrassl", einer Schotterpiste neben der Bahnlinie Richtung Tegernsee, erlebe ich dann auch schon meinen Tageshöhepunkt: Eine Blindschleiche liegt im Prachtlicht und tankt Wärme. Ich steige ab, verwickle sie in einen kurzen Plausch (Wahl in NRW, Trump verrät Staatsgeheimnisse an Russland, ESC), dann wünsche ich Ihr einen angenehmen Resttag und fahre weiter, so dass ich nach eineinhalb Stunden im Studio eintreffe. 


Regie führt Tommy Krappweis, dessen Papa unlängst beim Radtraining ums Leben kam. Werner war 75, früher in der Nationalmannschaft der Rennradler, und fuhr auch als Senior mehrmals wöchentlich 80-km-Touren. Die Bücher "Vorzelt zur Hölle" und "Sportlerkind" machten ihn einem größerem Publikum bekannt. Werner war hurtig, hilfsbereit, herzlicher Humorist und hintersinniger Haudegen, Herzensbrecher und Hallodri - und hiermit zähle ich nur jene seiner Vorzüge auf, die mit "h" beginnen. Immerhin war er sofort tot, nachdem auf einer Abfahrt das Automobil vor ihm eine grundlose Vollbremsung hinlegte und er chancenlos auffuhr. Er hat sich einen derartigen Tod immer gewünscht: Vom Rad fallen - tot. Hat er mir selber mal gesagt. Allein: Der Trost ist schwach. 

Der Berg, an dem der Unfall passierte, soll, so wünscht sich sein Radsportverein, in "Werni-Berg" umbenannt werden und veranstaltet zu seinen Ehren eine Sternfahrt. Blühende Rapsfelder und wonnemonatliches Gesummse passiere ich auf meiner nachmittäglichen Heimfahrt und gedenke seiner inniglich. Leute, bitte fahrt vorsichtig!


Macht zusammen 64 km, 3h

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