Dienstag, 22. Januar 2019

High Noon in der Badewanne



Warum liegt, bzw steht mir der Kopfstand so außerordentlich? Eventuell, weil ich schon früh von meiner Mutter auf das Leben mit gehobenen Füssen vorbereitet wurde. Meine ersten Lebensmonate verbrachte ich kopfunter, eventuell inspiriert vom Kinderlied „Alle meine Entchen", in dessen Text es ja heisst: Köpfchen unters Wasser, Schwänzchen in die Höh’. 

Damals war das Kinder-an-den-Füssen-durch-die-Gegend-tragen nichts ungewöhnliches, aber heute, im Zeitalter der Helikopter-Eltern, ist man vorsichtiger, weil ja das Blut ins Gehirn läuft und von dort, so fürchten viele, nicht mehr den Weg in die Füsse findet. Es verläuft sich quasi. Blutkörperchen haben ja kein Navi. „Nächste Ader scharf rechts". „In der Aorta einen Meter geradeaus!" „Jetzt umkehren!" (Nanu)


Übrigens weiss ich aus Experimenten mit einer Spezialbrille bei der Fernsehshow „Clever", dass sich das Gehirn umstellt. Betrachtet man die Welt acht Tage lang auf dem Kopf stehend, wird das Bild im Gehirn zwar weiterhin als auf-dem-Kopf-stehend wahrgenommen, allerdings für normal gehalten, so dass volle Handlungsfähigkeit gegeben ist - und dann wird es nicht nur sinnlos, sich wieder auf die Füsse zu stellen, sondern sogar lästig. Ich tippe diese Zeilen auf einem Handy, das ich verkehrtherum halte und ärgere mich, weil das Schriftbild immer wieder umspringt, gleichsam auf die Füsse hüpft. Irgendwo kann man die Automatik doch ausschalten...Moment...jetzt. Geschafft. 


Auch für meinen Weg zum Weltmeister im Langsamschwimmen wurden die Grundlagen in den ersten Lebenswochen gelegt, beginnend mit meinem Gebärmutteraufenthalt. Neun Monate Dauerschwimmen, ganz ohne Pause, bei nur geringfügiger Strecke, die zurück gelegt wird: Jeder, buchstäblich jeder Mensch ist der geborene Langsamschwimmer. Mehr Trainingslager geht kaum. Glücklich ist, wer eine Mutter hat, die die Karriere konsequent weiter fördert, so wie meine Mama. Jeden Tag um 12 Uhr mittags wurde ich gebadet, erzählte sie erst unlängst. Dolles Ding. Jeden Tag. Immer 12 Uhr. Manch einer denkt da sogleich an „High Noon", den berühmten Western, gedreht im eher wasserarmen Millieu, aber ebenso auf schwarz-weiss-Film gebannt wie ich auf diesem Bild. Das Glockenläuten der nahen Kirche kann man sich mühelos hinzudenken: 12 Schläge. Macht man das heute noch so? In heutigen Elternratgebern wird empfohlen, Kinder abends zu baden, auf dass diese müde werden und gut schlafen. Ich muss mich demnach müde durch jeden halben Tag geschleppt haben - auch eine Form von Ausdauertraining. 




Montag, 21. Januar 2019

Mit Kopfstand zur Weltmeisterschaft 1974

Unlängst bat ich meine Mutter, daheim die Fotoalben zu durchforsten, auf der Suche nach Bildern, die ich bei meinem Diavortrag „Wie ich Weltmeister im Langsamschwimmen wurde“ einsetzen kann. Bevor ich mich an die eigentliche Erarbeitung des Vortrages mache, hier schon mal ein Blick auf die Ausbeute meiner Mutter.


Dieses Bild zeigt mich im Hochsommer 1974 im Ostseebad Großenbrode beim Training meiner damaligen Lieblingsdisziplin: Kopfstand. Ich habe die erste Schulklasse erfolgreich besucht, und meine ersten Versuche, die Welt auf den Kopf zu stellen, sind allesamt misslungen. Ehe ein müder Realismus in mein Leben einzieht, versuche ich, wenn denn schon die Erde zum Umdrehen zu unhandlich ist, einen radikalen Perspektivwechsel herbeizuführen. Der Versuch gelingt, und bis heute ist Kopfstand (seit der Teenagerzeit bevorzugt in der Yoga-Variante) eine meiner leichtesten Übungen. Den Sommer 74 dürfte ich zu 30% auf dem Kopf verbracht haben (weitere 30 liegend, den Rest schwimmend, essend, tobend und „Lustige Taschenbücher“ lesend). 

Von diesem Urlaub blieb mir übrigens nur ein einziger Moment im Gedächtnis: Als Gerd Müller im Endspiel der WM das 2:1 gegen Cruyff und Co schoss, stand ich auf dem Kopf, den Blick landeinwärts gerichtet. An der Oberkante meines Blickfeldes befand sich ein Campingplatz, und die spitzen Dächer der Zelte, aus denen Toor-Rufe herüberhallten, wiesen nach unten, wo ein  bedeckter Himmel vor sich hin dräute. 

Der weisse Strich im Vordergrund könnte ein Nasenhaar sein, evtl. sogar von mir (vergleiche mein Gedicht von vor drei Tagen)


Später las ich über Saxophonist Charlie Parker, dass er zwischen zwei Sets gerne in den Hinterhof des Jazzclubs gegangen sei, um sich dort zwischen den Mülltonnen hin- und herzurollen. Als man ihn fragte, was das solle, antwortete er: Man spielt danach anders. Ich weiss, was er meint. 


P.S.: Nein, das weisse Haar stammt nicht von mir, und auch nicht von meiner Mama. Es sieht mehr aus wie eine Wimper...ein Schnurrbarthaar...es ist...ja...ein Hasr meines Mwerschweinchens Fridolin, das Anfang der 80er Jahre verstarb. Mein handwerklich begabter Onkel Helmut hatte für das liebe Tier mit den kuscheligen Rosetten ein herrliches Häuschen gezimmert: gediegenes Fachwerk, gelb/rot/schwarz, das als verkleinerte Version eines norddeutschen Schafskobens nichts anderes als einen Höhepunkt des ambitionierten Modellbaus darstellte. Dummerweise hatte Fridolin viel Appetit, und mein Papa füttert Kleintiere für sein Leben gern. Ihrem Leben bekommt das Gefüttertwerden nicht wirklich. Fridolin passte bald nicht mehr dorch die Tür seines Fachwerkhauses. Die Öffnung musste mit einer Säge brachial vergrößert werden, das schöne Stück war hi‘. 



Sonntag, 20. Januar 2019

Zum Geburtstag



Wieder einmal bin ich um die Sonne

auf der Raumfahrtwanderroute

ohne Pause rumgeflogen

Wäre ich links abgebogen

(hab ich mehrfach dran gedacht)

hättet ihr mich ausgelacht


Laufsportler, die zweiundfünfzig

lange Jahre auf einer ovalen Bahn

brav Runde an Runde reihen

würde man der Doofheit zeihen


Merkwürdig: Beim Flug der Kugel

die uns durch das Weltall trägt

gilt mitnichten als verrückt

wem noch eine Runde glückt

(er kriegt gar die Hand gedrückt)


Sekt und Selters bis zum Schwipse

- auf die kommende Ellipse! 







Freitag, 18. Januar 2019

Betr.: Altersbedingte Absage

In meiner Nase schwingen mittlerweile

kaum noch schwarze Seile, mittels derer

man von einem Baum zum anderen

übersetzen könnte. 

Nun ist in meiner Nase gar kein Raum

für größere Gewächse. 

Und welche Echse/Affe, welche Jane 

sollte denn in meiner Nase schwingen

Und warum? Was soll das bringen?

Im Ernst: Vom innerlichen Nasendach

hängen überwiegend weisse Taue

runter. Ihre Eignung als Lianen lässt

sich nur noch schwach erahnen. 

Zudem steht die ganze Gegend 

dauerhaft im Feuchten, Scheinwerfer

und Leuchten mögen das nicht so. 

Parkplätze sind rar, es gibt kein Klo

und zudem wär das Honorar gar nicht

mal billig. Ich will Sie mitnichten linken,

darum will ich Ihnen nach gründlichem 

Ringen mit dem Ausdruck des Bedauerns 

zur geneigten Kenntnis bringen, 

dass ich Ihnen meinen Zinken 

nicht als Drehort für den neuen

Tarzan zur Verfügung stellen kann.


Mit freundlichen Grüßen und bis dann. 


Donnerstag, 17. Januar 2019

Betavoltaik

Nickel 63 bröselt ohne Gamma-Strahlung

leise vor sich hin. 

Zum Zweck der Strahlenschutzverschalung 

reicht ein Stück Bonbonpapier - 

ideal für Herzschrittmacher, deren Batterien 

bisher nach einer Dekade aus der Batterienlade

rausgefummelt und erneuert werden müssen.

Nickel 63, sollten Herzpatienten wissen, 

bummelt 100 Jahre dienstbeflissen 

vor sich hin.

Man kann es gefahrlos nutzen, 

notfalls essen, küssen - also mit Bonbonpapier. 

Rin damit ins offene Herz, auf dass der 

Klumpen wieder pumpen kann im Takt 

und nicht verkackt, weil eines Tages ihre 

Batterien nicht mehr angeboten werden!

Ihre Existenz gefährden würde solch ein 

Nachschubmangel; sparen Sie sich das 

Gerangel an den Kassen, Bettelbriefe an 

die Batterienmacher, gönnen sie sich lieber 

gleich das Herzens-AKW, den leisen Kracher, 

wie wir halb im Scherz beteuern, da ihr Herz 

durch das Produkt geräuschlos zuckt und 

das Erneuern ganz entfällt. 

In unserem Institut Selenogorsk, Sibirien

reichern wir den Brennstoff an, auf satte 

800 Promille. 

Kerngesunde Tatkraft, Wille

und Know-How gestatten uns den Bau

der Bonbon-Batterie. 

Verlässlich wie Beton, mit Garantie:

Unser Batterie-Bonbon im Schutzpapier.

Ihr

Rosatom. 



Mittwoch, 16. Januar 2019

Schmidts Schuhe

1978 trug man Clogs

(Holzschuhe mit Oberleder),

malte Wände dunkelbraun

(das erinnere an Höhlen),

und die damaligen Frauen

hiessen Dörte (oder Frauke).

Lehrer freuten sich in Klammern

(Klammheimliche Freude),

und die Mauke steckte

(häufiger als heute)

im bereits erwähnten Clog.


Der Kanzler fragte seine Olle

Loki (ja, nicht alle hiessen Dörte),

ob sie sommers mit ihm in der Jolle 

„Frauke“ übern Brahmsee schippern 

wolle. Antwort: Okidoki, und bald segelte 

der, der der Deutschen Dinge regelte,

(Loki packte noch die Sachen

aus dem Reisekoffer aus) erstmals

quer mit seiner Mütze (war‘s 

Prinz Heinrich?) durch die Pfütze

bei Neumünster und stiess (peinlich)

gegen einen (wie die Kapitäne sagen)

„Rock“ (die hier nicht aus dem Wasser

ragen und die Kähne öfters plagen). 

Durch die Wucht des Aufpralls 

(klang wie eine Pauke) verlor der Kanzler 

seine Mütze sowie einen Clog, der

von der Mauke über Bord

in Richtung Grund entschwand.

Schmidt steckte eine Extra-Lord 

aus seiner Hosentasche in den Mund,

sagte zu sich selber „Flasche!“ und 

stippte dann die Extra-Asche seinem

Holzschuh hinterher (die Mütze war

wie eine Frisbee-Scheibe oder‘n

Bumerang vom Wind ergriffen

und ans Ufer ran getragen worden, 

weiter noch, zu Dörte, äh, zu Loki, 

direkt in den Schrank - 

da wo sie hingehörte).


Und während die „Frauke“ sank, rauchte

Helmut noch zu Ende, machte seinen

Frieden mit dem Clog-Verlust, sagte

dann zu sich (ganz frei nach Kant):

„Du musst!“ und schwamm der Mütze

hinterher, zu Loki, erzählte ihr von 

der Affäre (sie fragte zärtlich, ob die 

Mauke blute), schließlich lud Schmidt

seine Loki ein - auf einen Grog. 

Ja, Krisen konnte er, der Gute.


P.S.: Hätt er noch eine geraucht (egal ob Reyno, Reval, Overstolz), wär ihm nicht entgangen, dass der havarierte Clog nach Kurzem wieder aufgetaucht, da Clogs (wie mehrfach schon erwähnt) aus Holz gefertigt sind. Im Jetzt-Jahrzehnt  trägt man ja eher selten Clogs. (Doch schreibt man drüber. In gewissen Blogs).




Brexit vs. Handball


Die lokale Bevölkerung in Köln-Longerich lässt sich aufteilen in jene, die gestern Abend der Übertragung des Handballspiels gegen Frankreich beiwohnten und jene, die zeitgleich den Verlauf der Brexit-Abstimmung im Londoner Unterhaus verfolgten. 

Als ich nach letzterer „Die Gegner haben gewonnen“ in die Runde rief, meinten viele, Frankreich habe gesiegt, ich aber dachte an die Gegner des Brexit-Abkommens. Bemerkenswert fand ich, dass ein nicht unerheblicher Teil meiner Gesprächspartner glaube, die Briten hätten sich gestern im Unterhaus gegen den Brexit ausgesprochen. Daraufhin griff Erleichterung um sich, die aber, nachdem Frankreich in letzter Sekunde ausgeglichen hatte, wiederum Bestürzung wich - was in der Summe zu einer neutralen Gefühlslage führte, quasi 1 +-1=0. Um diesen Leuten nicht den Abend zu vermiesen, klärte ich sie nur in Ansätzen über die tatsächlichen Folgen des Londoner Votums auf (allerdings könnte zur Stunde auch John Bercow persönlich das Abstimmungsergebnis kaum präziser deuten). 

Frankreich, soviel ist klar, spielt vorerst in EU und Turnier eine wichtige Rolle. Spielen die Engländer eigentlich auch Handball? 

The biggest Arztroman ever

Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...

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