Der Muskelkater lässt nach; ich kann wieder laufen. Barfuß trimmtrabe ich 10 km die Isar nordwärts und durch den Englischen Garten zurück.
Warum barfuß? Die Vorgeschichte ist ein Riss des vorderen linken Außenbandes, am Morgen eines "Rock the Classic"- Drehtages in der Schweiz, im Herbst 2014. Ich joggte damals frohgemut in der Nähe des Klosters Einsiedeln einen Talweg entlang. Plötzlich knickte ich grundlos um, es machte "Peng!", der Fuß schwoll melonenhaft an, und ich wusste sofort, dass ich mich ernsthaft verletzt hatte. Immerhin schaffte ich es noch, ins Hotel zu humpeln und den folgenden Drehtag sehr tapfer zu absolvieren. Abends stand ich sogar noch als Flötist auf der Bühne in Zürich; auf Tanzeinlagen verzichtete ich, und in mein Showlächeln schlich sich bedröppelte Säuernis.
Seitdem lief ich in grobem Gelände nie mehr so unbeschwert wie vor dem "Peng!", und ich erwog, gänzlich aufs Laufen zugunsten anderer sportlicher Genüsse zu verzichten. Dann jedoch entdeckte ich einen wesentlichen Vorzug des Barfuß-Laufens: Umknicken ist unbeschuht nicht möglich. Ja, da staunt Ihr, gell? Nur, wer Schuhe trägt, kann sich die Bänder demolieren - so wollen es die biophysikalischen Grundgesetze. Neugierig startete ich im Sommer 2016 ein erstes Barfuß-Marathontraining, welches jedoch nicht von Erfolg gekrönt war. Als es bereits stark herbstelte, schienen mir meine Füsse noch nicht reif für die große Strecke, und so lief ich den München-Marathon im letzten Oktober in herkömmlichen Mainstream-Laufschuhen, ganz vorsichtig und imTasteschritt.
Dieses Jahr will ich's wissen! Dem Vorhaben kommt zugute, dass mir das barfüßige Dasein großen Spaß macht. Unwillkürlich wähnt man sich im Urlaub, fühlt sich frei, arm und besonders. Erstaunlich, welche Reaktionen man bisweilen hervorruft! Bürgerliche Damen gucken mitleidig oder schütteln mit dem Kopf, Angetrunkene Handwerker rufen mir "Du hast die Schuhe vergessen!" hinterher, und tauche ich blankhaxig auf einer Bühne auf, kann ich sicher sein, dass die Aufmerksamkeit des Publikums von Weltenbrett bis zum Knöchel reicht; alles andere interessiert vergleichsweise wenig.
Eine Freundin meiner Freundin findet es sogar eklig, schuhlos durchs Leben zu gehen, von wegen Bakterien, Taubenkot und Wundstarrkrampf. Derlei Vorbehalte spornen mich nur noch mehr an; was dem Steinzeitmenschen recht, kann mir nur billig sein. Bakterien gab's damals nämlich auch, und trotzdem sind unsere Vorfahren nicht von unten her verfault.
Zugegeben: Es gibt Wegbeläge, auf denen man sich Sohlen wünscht, etwa Rollsplitt, Kantkies oder nasses Kopfsteinpflaster. Letzteres ist nämlich bei Regen enorm rutschig, wenn man's mit nackten Fußes beläuft. Andererseits ist das Laufen auf taubenetzter Wiese barfuß ein besonderes Geschenk und unbedingt zur Nachahmung empfohlen.
Wo ich meinen Marathon laufen möchte, habe ich noch nicht entschieden, aber die Strecke sollte möglichst komplett asphaltiert und frisch gefegt sein. Soweit bin ich aber noch nicht; ich werde einstweiligen vorsichtig die Umfänge steigern. An Orten, an denen echtes Barfußtraining unmöglich scheint, werde ich auf meine "Leguanos" zurückgreifen. Hach, wie ich diese heroischen Ziele liebe! Ja, ich bin ein Heroist, naiv und gefährlich.
Nun denn; bis zum ersten Frost ist noch viel Zeit, und vorher gibt es noch allerlei andere sportliche Herausforderungen zu bestehen.
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