Samstag, 24. Juni 2017

Lamm und Lügenpresse

Bei dieser Apotheken-Deko fällt mir ein, dass ich mit sieben Jahren im "Urlaub auf dem Bauernhof" war, Ostern 1974, im Teutoburger Wald. Außer der Familie Boning waren noch andere Kinder zugegen, fünf an der Zahl. Mit Clemens, einem pummeligen Hornbrillenträger, freundete ich mich aufs engste an, so eng, dass ich die ganze Heimfahrt über trennungsschmerzgebeutelt weinte.

Erzählen möchte ich jedoch etwas ganz anderes: Am Gründonnerstag gebar ein Schaf des Ferienbauern Sechslinge, was auch unter Schafen eine außergewöhnliche Sache ist - so außergewöhnlich, dass die Lokalzeitung einen Reporter schickte, um wohlwollend über das wollige Glück zu berichten. 

Sechs frisch geborene Lämmer zu fotografieren, ist gar nicht so leicht. Der Reporter, offenbar ein Fuchs, sah uns sechs Kinder, kombinierte schlau und entwickelte folgende Bildidee: Jedes Ferienkind nimmt ein Lamm auf den Arm. Eines der Lämmer war besonders zart und schwach und wurde dem kleinsten der Kinder zugeteilt - also mir. 

Während der Reporter uns positionierte, starb "mein" Lamm. Oh weh; erst war die Aufregung groß, dann machte sich tiefe Trauer breit. 

Trauernde Kinder überm Knick hielt der Reporter jedoch für keine Zierde seiner Osterausgabe, und er mochte auf die Sechslings-Sensation keinesfalls verzichten. Also drückte er mir den Leichnam des zierlichen Tieres in die Arme, forderte mich auf, das Köpfchen unauffällig abzustützen, wischte meine Tränen ab, stellte mich zwischen die anderen Kinder und rief ein lautes "Cheese". Auf dem Bild, das so entstand, sieht das Lamm zwar ziemlich müde aus, nicht aber tot. Und ich lächelte etwas gequält, aber: ich lächelte. 

Neulich, für die Vorbereitung meines Auftritts bei Pilawas "Quiz der Supertiere", fragte mich ein Redakteur nach einem persönlichen Erlebnis mit Tieren, das ich zum Besten geben könnte. Ja, ich hätte da eine Anekdote...

Erzählt habe ich dann aber doch etwas anderes. Harmlos und vor allem kürzer. Vorabendlich-supertierisch eben. Mit dem Lügenlammlamento warte ich bis zum "Quiz der toten Tiere" - irgendwann kommt gewiss auch dies. 

Die Apotheken-Deko befindet sich in Garmisch-Partenkirchen; an Ostern '74 denkend, stiefele ich hinauf auf den panoramastarken Wank, drei sehr langsame Schulklassen mühsam überholend. Oben, an der Wand des Wankhauses, finde ich ein Thermometer mit Delial-Werbung, typisch für eben diese Epoche, die sonnengeilen Siebziger. 

Was wohl aus Clemens geworden ist? 



1 Kommentar:

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