Dienstag, 30. April 2019

Deutsche Flüsse (23): Aller




Aller 

guten Dinge sind

Knaller

am Allerwertesten


In aller Freundschaft

faucht Pofalla

Pall Mall

Fiderallalla


Dr. Dralle beisst

in die Gartenkralle?

Nein. 

„Wietze Fuhse Wölpe“

Lachte Ise. 

Er bestellt Leipziger 

Allerlei und warmen 

Waller im Sud


Winsen Sie 

was? Jupp Derwall

fährt im Celler Loch

mit einer Kalaschnikow

Motorrad 

Milch macht

müden Hodenhagen, 

ich schaller dir eine! 


Aller, was geht?

Pigalle, Pigalle

mitten in Verden

Gürtelschnalle

Gift und Galle

Taj Mahal 

That‘s all. 

Oker?

Deutsche Flüsse (22): Neger



Die Neger, so lese ich morgens im Hotelbett, entspringt im Rothaargebirge. Sie durchfließt das Negertal, dessen Abschluss man sich als „Kar“ vorstellen dürfe, was bei mir sogleich alpine Assoziationen auslöst. Ich sehe einen reißenden Gebirgsbach zwischen Altschneefeldern gurgeln, unter Geiern, und dicke Murmeltiere pfeifen Alarm. Gespeist wird die Neger von der Namenlosen, die bisweilen auch „Namenlofe“ genannt wird. Mal abgesehen davon, dass eine Namenlose ja schlecht zwei Namen haben kann, vermute ich hier einen lispenden Anwohner als Ursache des Konsonantentauschs. Weitere Zuflüsse heissen „Fauleborn“ und Faules Siepen“, was natürlich irgendwie rotgrün versifft klingt, oder im Gegenteil rassistischen Vorurteilen folgend, oder, ganz anders, mit Faulgasen im Bachlauf zu tun haben könnte. Jedenfalls ist da irgendwas faul. Nach 17,7 km entwässert die Neger in die Ruhr, ja, so sagt man in der Hydrologie. Als Laie denke ich bei „Entwässern“ zuerst an Kaffee, Bier oder Spargelsaft, den aber die Neger gewiss nicht führt, sondern vielmehr klares Wasser von den Hängen des Klapperberges und anderer rothaariger Riesen. 

Bei der weiteren Bettrecherche stoße ich auf das bemannte Torpedofahrzeug der deutschen Kriegsmarine gleichen Namens. Der geht auf den Marinebaurat Richard Mohr zurück, den geistigen Vater dieser Waffe. Entwickelt wurde der Torpedo mit Cockpit, an dessen Unterseite ein zweiter Torpedo befestigt wurde, der über kein Cockpit, dafür aber reichlich Sprengkraft verfügte, ab 1943 in der Torpedoversuchsanstalt Eckernförde. Wichtigster Konstruktionsmangel: Der „Neger“ konnte nicht tauchen, die etwa 200 Einsätze wurden daher überwiegend nachts durchgeführt. 80 Prozent der Besatzungen kamen ums Leben. 

Weitere Kleinkampfmittel der deutschen Marine hießen: K-Projekt, Molch, Hecht, Biber, Delphin, Manta, Tarpon, Grundhai, 27, 34, 27 F, 27 G und 32

- letztere waren sozusagen Namenlose. 

Murmeltier und Geier blieben anderen Waffengattungen vorbehalten.

Auf zum Frühstück. 

Montag, 29. April 2019

Deutsche Flüsse (21): Dhünn



Zum Frühstücksei verspürte ich Appetit auf eine temporäre Nebenbeschäftigung als rheinischer Heimatdichter. 
Kölsche Mundart, oha. 
Seit Wochen hänge ich in der Domstadt herum, höre den Leuten zu - da kann es schon mal zu merkwürdigen Gelüsten kommen, so wie Schwangere sich ja auch bisweilen nach Senfgurken mit Sahnehaube sehnen, gell?
Beim Schreiben tauchten allerdings diverse Sprachfragen auf, die ich, so lautete bald der Beschluss, von einer autochthonen Fachfrau klären lassen wollte, nämlich meinem langjährigen Bodyguard Kathrin Linden. 
Zunächst der Text, wie ich ihn ihr nach seiner Fertigstellung whattsappte: 


De Dhünn ist nicht dick
De Dhünn ist kein Tünnes
Braun fließt de Dhünn
mit einem Schuss Grün

De Dhünn schunkelt munter
Vom Bergischen runter
De Dhünn wird nicht bunter
Im Gegenteil. Guiness-

farben mündet sie in die Wupper
Dünnflüssig braun. Tupper-
warentürkis ist sie oben. Man hat 
de Dhünn‘n Riegel vorgeschoben

Am Staudamm steht ein Tünnes
Ein dicker Tünnes und pupt.
Neben ihm hampelt ein 
Spatz, der piept. 

De Dhünntalsperre ist voll
De dicke Tünnes ist auch voll.
Tünnes und Spatz 
piepen und pupen harmonisch

De dicke Tünnes sagt:
„In Kölle, da wohn isch"
De Spatz fliegt nach oben
De Dhünn fliesst nach unten

Richtung Leverkusen
De Tünnes isst eine Pampelmuse
Sie scheint ihm zu munden
Der Saft tropft in de Dhünn

De Dhünn wird verdünnt.
Der Spatz ist weg
De Tünnes geht zum Bus. 
Schluss.


Voilà. Kathrin ging sogleich an die Arbeit, und nach einem Viertelstündchen durfte ich mich über die folgende Übersetzung freuen:


De Dhünn is nit dick
De Dhünn ist keine Tünnes
Braun fleeß de Dhünn
mit einem Schoss Jrön

De Dhünn schunkelt munter
Vom Bergischen erunter (eig. eraf)
De Dhünn weed nit bunter
Im Gegenteil. Guiness-

farben mündet se in de Wupper
Dünnflüssig brung. Tupper-
warentürkis is se bovven. Man hätt 
de Dhünn‘n Riegel vorjeschoben

Am Staudamm steht en Tünnes
Ne dicke Tünnes und pupt (wenns pupsen heissen soll dann is et futze oder möffe).
Neben ihm hampelt en 
Spatz, der piept. 

De Dhünntalsperre ist voll
De dicke Tünnes ist och voll.
Tünnes und Spatz 
piepe und pupen harmonisch

De dicke Tünnes säht:
„In Kölle, da wohn isch"
De Spatz fliegt noh bovven
De Dhünn fliesst noh unge

Richtung Leverkusen
De Tünnes isst ne Pampelmuse
Se scheint ihm zu munden (schmecke?!)
Dä Saff tropft in de Dhünn (dä Saff is in de Dhünn am droppe?!)

De Dhünn weed verdünnt.
De Spatz ist fott
De Tünnes geht zum Bus. 
Schluss.


Was soll ich sagen? Et hat noch immer johtjejange! 
Welch wunderbarer Wohlklang quillt aus diesen weichen Zeilen! 
Herzlichen Dank, liebe Kathrin. 


Sonntag, 28. April 2019

Deutsche Flüsse (20): Wertach





Der Augsburger Augustusbrunnen 

ist mit Pflockweibern verziert

der Fachmann nennt sie „Hermen“

Aus ihren blanken Busen sprudelt Wasser

Brunnen- wie auch Busenfreunde schwärmen:

Juhu!

Die Barbusigen heissen

Singold, Wertach, Brunnenbach und Lech

Sie sind aus schwarzem Messingblech legiert

Oben steht der Kaiser, der mit harter Hand regiert

„Adlocutio“, so nennt man diese Geste 

bei der Ansprache ans Heer

Ein bisschen wie Mario Barth, wenn er

„Weeste, weeste?“ sagt. 

„Mario wer?“

scheint die Wertach nachzufragen, 

diese Unschuld aus den Bergen, leer 

der Blick, höchstens ein bisschen 

Unbehagen könnte man in ihm vermuten

Kein Wunder, wenn dir Wasser 

aus dem Busen quillt. 

Spuckmamillen: Selten sieht man solche

im Repertoire des internationalen Porno

Augustus, der in Nola, Mezzogiorno,

starb, stand, so sagt man, mehr auf Dolche

und auf Cola, die er, wenn mit ersteren er

Kuckucksuhren schnitzte, literweise soff.

Neinnein, suppende Damenbrüste sollten eher 

Schwabenblicken schmeicheln

Wahrscheinlich gab es Zoff mit Ehefrauen

Womöglich musste manch Betrachter heucheln

Wer hat sich diesen Brunnen ausgedacht?

Mario Barth? Russ Meyer? Stand die 

Squirting-Sitte bei der Wertach Nässe Pate?

Wo recherchiert man derlei? 

Venus-Messe? Kam das schon bei Arte?

Gibt’s zu diesem Thema Foren? Youporn?

Falls mitnichten, hab‘ ich mir geschworen, 

unsern Wissensstand zu ändern und

die Pflockweiber bekannt zu machen,

so bekannt wie Männchen Piss, sprich

den Brüssler Bub zu gendern. 

Wie also popularisieren überzeugte

Feministen solche Wesen?

Fürs erste reicht‘s, wenn Sie,

verehrte Leser, diese Zeilen

lesen. Danke. 


P.S.: Meine Mama schickt mir soeben nach Lektüre dieses Bild, geknipst in Traudmannsdorf bei Meran:










Samstag, 27. April 2019

Deutsche Flüsse (19): Havel



In einem Sommer wollte ich alle Berliner Badegewässer beschwimmen. Mit Krumme Lanke, Schlachtensee und Grunewaldsee ging’s los - das war naheliegend, weil ich in jenem Sommer am Schloßparktheater probte und spielte, also im Südwesten Berlins. Gediegene Waldsäume und saubere Sandgründe unter bernsteinfarbenem Hautschmeichelnass. 

Mit der Straßenbahn fuhr ich bald darauf zum Orankesee, früher ein Refugium für verdiente Mitarbeiter der Stasi. Als ich mich jener Bojenkette näherte, die den Badebereich begrenzt, wurde ich vom Bademeister, der meine Absicht, den gesamte See zu durchmessen, offenbar mithilfe eines Fernstechers antizipiert hatte, per Flüstertüte zurückbeordert - und ich meinte hierin eine gewisse geheimdienstliche Kontinuität zu erkennen. 

Vom Weißensee blieben mir vor allem die Skulpturen am Ufer im Gedächtnis, friedliche, sanfte Bronzen, und nicht weniger friedliches, sanftes Damwild könnte ich dort auch gesehen zu haben - wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, streichelfeindlich eingezäunt. Der Hundekehlesee gab sich schmuddelig wie ein billiges sofioter Stundenhotel, den Müggelsee zierte müffelnder Algenschlamm. 

Zu den Höhepunkten zählten mehrerer Ausflüge, die ich schwimmend auf der Havel zurücklegte, beziehungsweise ihren ausgeuferten Seitenarmen: Einmal zog ich mich bei der Loretta aus, stopfte die Kleidung in meine Schleppboje und zog diese quer über den segelbootstrotzenden großen Wannsee zum berühmten Und-dann-nüscht-wie-raus-Strandbad. Wirklich splendid dort: die Vielzahl der Strandkörbe vor der Klinkerfassade, die länger als die Beine der Lollobrigida ist, modern, mondän und maritim. 

An einem anderen Tag startete ich ebenfalls bei der Loretta, und ein aus einer Brötchentüte Pattex schnüffelnder Jugendlicher, dem ein ganzes Hosenbein fehlte, schaute benebelt zu, wie ich in die Fluten stieg. Wahrscheinlich dachte er, ich sei eine Halluzination. Diesmal schwamm ich den kleinen Wannsee hinauf, unter trübem Himmel, ein schmales Stück Wasser zwischen sattgrünen Gärten, und in vielen sieht man originell gestaltete Bootsgaragen. Im Slalom zwischen den Teichroseninseln hindurch schlängelte ich mich zum Pohlesee. Der Blick weitet sich dort, und gegen den Durst genehmigte ich mir ein paar Schluck Seewasser. Schmeckte zart nach Terpentin, wie alle Fließgewässer in Berlin. Warum, konnte ich nie klären. An der Kohlhasenbrücke stieg ich aus und ging am Ufer entlang zurück zum Ausgangspunkt, vorbei an jener Stelle, an der Heinrich von Kleist erst seine Geliebte und dann sich selbst erschoss. 

Ein paar Tage später stieg ich nicht weit entfernt in den Griebnitzsee, bei dem es sich limnologisch um dasselbe Gewässer handelt, und stellte mir selber vor, mit Schusswaffen traktiert zu werden, verlief doch die Grenze zwischen DDR und Berlin (West) hier just durch die Seemitte. Theaterkollegin Anne Rathsfeld hatte in der hiesigen Schauspielschule studiert, direkt hier am Ufer, und sie war 1989 eine der nur 12 Schauspielerschülerinnen im letzten Jahrgang, die sich in den Pausen im Garten der Villa zum Rauchen trafen und sehnsüchtig rüberäugten, direkt unterm Wachturm, von dem die Grenzer der Arbeiter- und Bauernmacht wiederum aufmerksam hinunteräugten. Bemerkenswert am Ein- und Ausstieg ist hier der besonders grundlose, saftig-saugende Schlick, der mich sogleich bis zur Hüfte verschwinden ließ, ausserdem der rege Binnenschiffsverkehr.

Den schönsten Schwimmtörn erlebte ich allerdings, nachdem ich einige Tage später in Potsdam an der Nuthestrasse in die Havel stieg, und bei mittlerem Landregen zur Glienecker Brücke brüstelte, der berühmten Agenten-Austausch-Anlage (starring Tom Hanks), mit bestem Blick auf Schloß Babelsberg und die sagenhaft arkadisch gestaltete Uferpartie. Sattsehen geht nicht, im Gegenteil, je mehr ich meinen Hals nach rechts renkte, ins preußische Paradies, desto weniger wollte ich wieder raus aus der lauwarmen Havel mit ihrem beruhigenden Dröpje-for-Dröpje-Muster samt sonorem Soundtrack. 

Noch fehlen mir einige Gewässer in meiner Berlin-Sammlung, etwa der Tegeler See mit seinem berüchtigten Riesenwels, der dort allabendlich Möpse, Mütter und vor allem Kinder frisst, und, gleichsam als Krönung, eine Umrundung der Museumsinsel in der Spree. Ist natürlich wegen der vielen Dampfer in der engen Spundwandgasse streng verboten, darum müsste und würde ich die Sache auf einen hochsommerlichen Sommermorgen legen. Start mit dem ersten Sonnenstrahl. 

Würde? I wo. Werde! 

Deutsche Flüsse (18): Jade



Stumm dümpelt Gordon, die Badeente

auf der Jade dem Busen entgegen.

Alt ist sie, schon seit 10 Jahren in Rente.

Ist sie ein Feriengast? Von wegen!

 

Sie wohnte bis dato in Gelsenkirchen

gemütlich am Rand einer Badewanne 

gemeinsam mit anderen Quietsche-Tierchen

in der Obhut von Marvin, Karl-Heinz und Susanne.

 

Dann hieß es: "Urlaub! Es geht in den Norden!"

und Marvin packte das Tier in die Tüte.

Mit Hi-man und Dragonball Z reiste Gordon,

nicht ahnend, was ihm am Urlaubsort blühte.

 

Die Ferienwohnung war nahe der Jade,

an deren Ufer nach knapp einer Woche

Hi-man und Dragonball Z an der gedachten Wade

Gordon gewaltsam ergriffen und durch ein Loch

 

in der Tüte ins Freie verschleppten, bis an den Fluss.

Es geschah abends, am Freitag, dem vierten.

Bevor die Täter entkamen, per Bus,

schlugen sie Gordon k.o., penetrierten 

 

die leblose Ente und anschließend schmissen

die Mörder ihr Opfer ins moorige Wasser.

Das Tatmotiv? Soweit wir Ermittler zur Stunde wissen

sind Hi-man und Dragenball Z Entenhasser.

 

Vorsicht! Die Täter sind Actionfiguren

aus Hartgummi, und ihre Schultern sind breit.

Wir wissen nicht, mit welchem Bus sie fuhren.

Falls Ihr sie seht, sagt uns Bescheid.

Danke!


Jade 

Freitag, 26. April 2019

Deutsche Flüsse (17): Erft



Der unterschätzteste aller Flüsse

ist die Erft, diese Perle des Rheinlands

Erst neulich schaute ich Markus Lanz

Da sagte ein Jemand, man müsse

 

im Kanu Jangtse und den Kongo hinunter 

um sagen zu können: "Ich war dabei"

Spontan entwich mir ein Schrei:

„Von wegen! Die Erft ist wilder und bunter!"

 

Nun gut, sie ist kürzer und nicht so bekannt

Sie ist eine Wolga im Büßergewand

für Schiffsverkehr viel zu flach 

 

Vielleicht wohnt sie deshalb in meinem Herzen

Denn ich, und das sage ich ohne zu scherzen

bin ebenfalls weniger Fluss als Bach.

Deutsche Flüsse (16): Panke



Über die Panke mag ich nicht schreiben

Zwei Vögelchen flattern die Parkwege ab

Boatengkäfig, Bunte & Kuchen in Buch

Kladdenopfer auf Hegels Grab

- ein schöner, ein schaler Versuch


Los ging’s am Bierpinsel, wippender Dost

Den Botanischen Garten beehrten wir auch

1984. Schwimmen mit märkischen Hechten

Ein Jahr lang wippt der blühende Strauch

- in braven, in brutwarmen Nächten


Wahlverwandt im Garagenpark

Ein Nashorn wirft sich auf die Flanke

Es riecht nach Yoga, Weihrauch und Ruß

Dann fällt der Schnee in die Panke

- in den süßen, den schmutzigen Fluss







Donnerstag, 25. April 2019

Deutsche Flüsse (15): Emscher



Die Emscher? Wir kennen uns ewig, waren ja beide Punks. Ich schlitzte mir damals mit der Flex Löcher in meinen Fischgrätanzug, die Emscher ließ sich von Klopapierschiffchen befahren. 

Ich zerbiss Sektgläser und schlief auf Pappkarton, die Emscher engagierte Wanderratten, die per Treidelgeschirr braune Würste durch Dortmund-Aplerbeck zogen. 

Ich spielte am Ufer Katzenmusik auf einer Kindergeige, und die Emscher onanierte dazu schaumiges Ejakulat. Verdient haben wir mit der Nummer nichts.

Dann nähte ich die Löcher im Anzug zu, wurde Ornithologe, und die Emscher unterzog sich einer aufwendigen Sanierung. Am Phoenix-See wohnen jetzt die Lamborghini-Fahrer vom BvB. 

Sind wir uns untreu geworden? Ach was. Das ist doch nur der Neid der Kindergeigen und Treidelratten. Hätten sich ja umschulen lassen können, auf Wohnzimmerdeko und Wuscheltier, woll? 

Mittwoch, 24. April 2019

Deutsche Flüsse (14): Delme



Halbfinale gegen Bayern. 34. Minute. Alleine im Hotelzimmer, mit Puls 1000. Ich kann mir dieses Spiel unmöglich anschauen. Und jetzt, genau jetzt! fällt das Tor für die Bayern. Immerhin sinkt der Puls nunmehr auf knappe 750. Erstmal durchatmen. Nicht aufregen. Ablenken. Augen zu. Ich sehe die Delme. Braun schlängelt sie sich durch den Park. Lindenblüten und zerzauste Erpel. Der Himmel ist aus dunklem Marmor. Der Schlot der Kammgarnspinnerei pafft zigarrenhafte Kringel. Florian Kohfeldt kickt eine Coladose am Ufer entlang. Ein Bürostuhl mit sechs Rollen liegt im Delmeschlick, der kleine Florian nimmt Maß, schießt die Dose mit der Pieke Richtung Stuhl, aber der ist zu weit weg, die Dose verhungert im liederlich gemähten Ufersaum. Der Schlot schaut interessiert zu, pafft dabei unkonzentriert weiter, verschluckt kalten Rauch, und die Kammgarnspinnerei beginnt zu husten. Ein furchtbarer Hustenanfall. Ganz Delmenhorst wölbt und krümmt sich, ringt nach Luft, und der kleine Florian steht Kaugummi kauend am Ufer und wundert sich. Der Delme bekommt die Husterei gar nicht gut; das Wasser schwappt über, läuft aus, alte Fahrräder und einzelne Schuhe werden sichtbar, der Schlamm wirft Blasen, es riecht faulig. Die Delmenhorster sind natürlich verwirrt, manche panisch, schreien um Hilfe, andere sind konstruktiv und bieten der Kammgarnspinnerei ihre Hilfe an. „Soll ich klopfen?" fragt die kleine Sarah Connor, aber die Kammgarnspinnerei kann nicht antworten, so sehr muss sie husten. Gefährlich schräg steht der nun nicht mehr paffende Schlot, aber er bricht nicht. Tief und laut klingt der Husten. Kettenraucher, COPD. Der Bürgermeister hat mittlerweile eine besonders große Ladung Hustensaft organisiert, zwei Tanklastzüge. Er hat Spezialbeziehungen zu einem Mitarbeiter der „Delmed", der „Deutschen Online-Apotheke". Die Feuerwehr versucht mit zwanzig Mann und einem riesigen Silberlöffel, der Kammgarnspinnerei einen Löffel Hustensaft zu verabreichen, aber es herrscht Unklarheit darüber, wo der Mund ist. Das Haupttor? Das Haupttor ist auf, der Löffel wird im Laufschritt herbeigetragen. Hustensaft schwappt über den Löffelrand. Der kleine Florian steht daneben und schaut zu. Das Spiel ist vollkommen offen. Die Fabrik hustet weiter. Der Löffel verschwindet halb im zitternden, hüpfenden Gebäude. Der Feuerwehrchef zählt: 1,2,3! Dann wird der Löffel umgedreht, der rote, klebrige Saft ergießt sich über den Fabrikboden. Mittlerweile sind tollkühne Helfer des THW ein Gerüst an der Fassade hinaufgeklettert, eigentlich für Malerarbeiten dort aufgestellt. Sie wollen das hustende Riesengebäude mit Pinimenthol einreiben, damit es besser durchatmen kann. Aber woher nehmen? Die Apotheken haben mittlerweile zu, es ist 22:02, 59. Minute Werder gegen Bayern, weiterhin 0:1. Also. Alle Delmenhorster haben ihre Hausapotheken durchforstet und bringen das benötigte Pinimenthol heran. Versammeln sich unten am Gerüst und werfen die Tuben und Gläser hinauf. Die Versuche, diese zu fangen, schlagen fehl, bis auf einen. Mit hochrotem Kopf öffnet ein THWler ... 2:0 für Bayern. Müller. Scheiße. Weiter; ist jetzt egal, die Fabrik hustet, ihr muss geholfen werden! Schnell! Kohfeld kaut weiter Kaugummi. Also, der THWler schmiert die Wand mit Pinimenthol ein. Das Gerüst wackelt. Was macht derweil die Delme? Ihr Wasser hat sich in großen Pfützen im Park gesammelt. Neue Arme haben sich gebildet. Der Bürostuhl liegt immer noch an Ort und Stelle, vor ihm die Coladose. Dann ein Riesen-Rumms: Der Schlot der Kammgarnspinnerei schwankt doller als die Baupolizei erlaubt. Die Baupolizei kommt sogleich, tatütata. Ein Baupolizist steigt aus dem polizeigrünen Bauwagen, sagt: „Baupolizei, guten Abend!" und hält eine Polizeimaurerkelle als Ausweis in die Höhe, unterseits mit der Werderraute verziert. Dem Schlot ist aber die Baupolizei egal, er kippt einfach um. Pardauz. Schlimme Sache. Die Fabrik hustet weiter. Mehr Hustensaft, los. Florian guckt zu und regt sich auf. Verdammt, kann man denn gar nichts tun? Es ist zum Heulen! DA IST DAS TOOOR! 1:2. Könnte spannend werden. Aber ein....haaaaaaaa.....oooo...2:2 ZWEI zu ZWEI! Der Schlot liegt...jetzt Elfer. Scheisse. 3:2 für Bayern. Noch zehn Minuten. War kein Elfer. Ich kann nicht mehr. Florian Kohfeld schreit. Harnik kommt rein. Er geht sogort nach vorne zum Gerüst, sammelt soviele Pinimenthol-Gläser wie möglich, steckt sie unters Trikot, klettert die Fassade hoch. Schmiert. Schreit. Die Fabrik hustet etwas leiser. Sarah Connor klopft. Im Takt von...gelb für Kruse und James. Egal. Kohfeld schreit die Fabrik an. Die Delme fliesst weiter. Das Bett füllt sich. Jetzt spuckt die Kammgarnspinnerei geräuschvoll gelbes Sekret in den roten Hustensaft, der im Haupttor eine große Lache gebildet hat. Florian Kohfeld bückt sich, kostet. Geschmackstyp Weisswurst und Breze. Kohfeld verzieht das Gesicht. Rafinha kommt. Noch fünf Minuten, höchstens. Delme. Die Quelle ist in Twistringen. Twistern, wie man sagt. Entwässert in die Ochtum. Fünf Minuten Nachspielzeit. Pizarro köpft daneben. Der Schlot liegt im Hustensaft. Der Husten klingt ab. Alles riecht nach Pinimenthol. Ein Fisch zappelt einsam im Delmebett. Eine Meerforelle. Scheitzinderei. Nee, falsch, das Wort hiess anders. Der Bürgermeister ist weg. Feierabend. Alle singen. Hejahejaho. Die Kammgarnspinnerei ist still. Sollte mal mit dem Rauchen aufhören. Die Delme fliesst wieder in ihrem Bett. Abspielzeit abgelaufen. Sarah Connor klopft weiter. Der Baupolizist packt seine Kelle ein. Das Spiel ist aus. 

Dienstag, 23. April 2019

Deutsche Flüsse (13): Eider



Ins Bisongras biss

der große Martin Böttcher

Palominos galoppieren weinend

über den gefrorenen Silbersee.

Mit Pfeil und Geigenbogen

bläst ein letztes Mal 

Intschutschuna die Harmonika.

Im Jagdgrund breitet Nschotschi

zum Grusse ihre Arme aus. 

Der Pferde Tränen - und die meinen

rollen um die Welt,

bis nach Rendsburg

an der Eider

wo Böttcher starb.

Leider, leider. 


Winnetou-Melodie

Montag, 22. April 2019

Deutsche Flüsse (12): Oster



Ostergeschichte: Maria besuchte das Grab Jesu. Es war leer. Hinter ihr stand Jesus und raunte ihren Namen. Sie erkannte ihn nicht, meinte, er sei der Gärtner. Dann schaute sie nochmal genau hin und wurde ihres Sohnes gewahr. Die Theologie nennt diesen Moment die „Mariensekunde“. Seither ist in Krimis gerne der Gärtner der Täter. Und überdies handelt es sich um die erste schriftliche Erwähnung eines Double Takes.

Ach ja; die Oster ist ein linker Zufluss der Blies in Wiebelskirchen, Stadt Neunkirchen, Landkreis Neunkirchen, Saarland. 


Freitag, 19. April 2019

Deutsche Flüsse (11): Weiße Elster



Als ich das erste Mal in Leipzig war, bei den Jazztagen 1986, erklärte mir zur Begrüßung ein Schelm in Schneejeans, dass unter uns der Dings verliefe, der Dingsbumsgraben, ein unterirdisch verlaufender Abzweig der Sowieso, und ich dachte: Wahnsinn, der spricht Deutsch, genau wie ich! Und später erhoben wir in der Moritzbastei unsere Schnapsgläser auf die Verlegung der Mauer. Statt Ost- und West- sollte sie lieber Nord- und Süddeutschland trennen. Die Stasi saß hinten am Tisch und hörte betont unauffällig zum Fenster hinaus. Und abends im Hotelbett drehte sich alles; die Mauer fiel um und bedeckte die Sowieso, von dem dieser Dingsbumsgraben abzweigte. Weg war sie. Man konnte drüber laufen, auch in den goldenen Westen, wenn man denn noch laufen konnte. Ich nicht. 



Donnerstag, 18. April 2019

Deutsche Flüsse (10): Lippe



Ein Süßwasserschwamm namens Waldi

kaufte am Sonntag bei Aldi Tomaten, 

Frühkartoffeln, Fujiyama – Salz und

eine Zahnbürste mit weichen Borsten,

per GoldCard der Sparkasse Dorsten. 


Anschließend raste er in seinem Lada

ins polizeiliche Radar. Der Wachtmeister

dachte, der Schwamm sei besoffen

und fragte betroffen: Ist denn in Hamm 

heute verkaufsoffener Sonntag? 


Ja? Ein Traum! Der Wachtmeister packte

sein Radargerät in den Kofferraum,

liess Waldi in Ruhe und kaufte in Hamm

Jesus und Esel für die Weihnachtskrippe.

Und Waldi fuhr heim in die obere Lippe.

 







Montag, 15. April 2019

Deutsche Flüsse (9): Weser



„Vryheit do ik ju openbar“ - so steht es auf dem Schild des Bremer Roland. Das erste Mal: Da wo die Weser einen großen Bogen macht. Ich 17. Vom Nachbarhaus schallte Tina Turner herüber, mit „Private Dancer“. Zwei Häuser weiter befand sich die Diskothek „Römer“, und aus den Boxen quoll „Dee-Lite“. Auf der Box links kauerte allabendlich ein dürrer Nerd mit dicker Brille namens Zeno, der eines Tages mit einem grandiosen Konzert verblüffte. Sein Geheim-Hit: „Brötchen“. An der nächsten Ecke wohnte der Freiherr; er hatte so eine Art kommunistisches Volksabitur, rauchte „Senior Service“ und spielte ein brachiales Baritonsaxophon. Freejazz, natürlich. Außerdem malte er, zumeist U-Boote im Nordatlantik. Mitten im Fluss lag die Weserburg, in der meine knapp halb-avantgardistische Jazzband probte: „Arts Praxis“. Der bescheuertste Bandname, der mir je untergekommen ist. Gut möglich, dass ich ihn mir höchstselber ausgedacht habe, peinlichpeinlich. Am Schlagzeug saß Jens, so ein filigraner Beckenpulsierer à la Tony Williams mit R5 und enorm hübscher Freundin, der abends gern den Uni-See durchschwamm. Am Kontrabass: Reinhard, stark behaarter Knuddel, ruhig und irden. Charlie Haden meets Kelly Family - wobei letztere damals noch eine Kleinfamilie war und völlig unbekannt. Lars spielte Trompete, und Vlatko Saxofon - der virtuoseste, begabteste, deepste Sheets-of-Sounds-Produzent, den Ostfriesland je hervorgebracht hat. Wobei, wenn man so drüber nachdenkt, fällt auf, dass John Coltrane einige ostfriesische Züge hatte: den heiligen Ernst eines Menno Simons zB. Die eigene Sprache. Den weiten Horizont. Das Ausufernde, Nie-enden-wollende. „Arts Praxis“ spielte nur selten Konzerte, einmal auch in Walle, in irgendso’nem alternativen Café, wo die Fischerhemdenträger Pfeife rauchten und müde über Lenin diskutierten. Die Jüngeren gingen lieber in ein kleines New-Wave-Café in der Waller Herrstraße; da habe ich mal mit KIXX gespielt, „Noise Rock“, „Free Funk“, „Fake Jazz“, wie die Schlagwörter damals lauteten. Ich trug einen hellblau getönten, halbdurchsichtigen Regenmantel überm nackten Oberkörper und schrie wie am berühmten Spieß. Im Publikum stand Claudia in Leopardenbody und roten Pumps und verschwand nach dem Konzert mit Schlagzeuger Jim Meneses hinter der Kaimauer des Überseehafens. Mein eigentliches Stammlokal war das „Café Grün“ im Fedelhören, wo ich später meine einzige Ausstellung als Maler machen durfte. Alle Flyer eigenhändig per Buntstift koloriert. Hespos gefiel’s. Das Café Grün jedenfalls war damals der coolste Ort diesseits des Atlantiks, und zwar spätestens seitdem die „Tassen“ dort aufgetreten waren, bestehend aus Arto Lindsay, John Zorn, Gerd und Torsten, der hauptberuflich die „Mittagspause“ bei Radio Bremen gestaltete, mit Sun Ra, Sam „The Man“ Taylor, Art Blakey und all den anderen Fixsternen meiner Jugend. Außerdem stand er hinterm Tresen des Café Grün, ebenso wie Max Schmalz, der freundliche, melancholische Meisterdichter. Da gab‘s auch eine Zeitschrift namens „Stint“, wie der Weser-Fisch, für die ich einen burschikosen Beitrag schrub, über die Entstehung des Hohentorshafens durch Jehova, Bergsteigen und den Weltuntergang, alles verquirlt auf zwei Seiten. Ubiquitäres Delirieren, krause Krümel auf Weltniveau., „Bremen - New York“ stand auch auf unseren KIXX-Plakaten (obwohl Jim ja eigentlich aus Philadelphia kam), und illustriert waren sie mit Dampfern der Hapag-Lloyd aus den 20ern. Oder mit fiesen Szenen aus’m Schlachthof, passend zu unserem musikalischen Konzept. „Meat and Torture“ hatte unsere erste Musicassette geheissen, vertrieben vom Weserlabel. Einmal spielten wir mit KIXX irgendwo im Weserbergland, auf einem Festival. Vor uns „Komeda Artist“, dann wir. Ich hatte eine Kehlkopfentzündung, und aus meinem Hals entwich partout kein einziger Ton. Ich stand auf der Bühne und schrie mit knallrotem Kopf, aber nichts war zu hören. Zunächst. Irgendwann verzauberte fiependes Geflöte die Porta Westfalica, ähnlich einem Rosettenmeerschwein, und zuerst erkannte ich gar nicht, dass mein Schlund die Ursache war. Dann zelebrierte ich die Spezialtechnik mit grosser Hingabe, und dem bekifften Publikum gefiel’s. Meat and Torture halt. Anschließend wurden wir in einer nahen Bauernkate verpflegt; eine uralte gichtige Gebrüder-Grimm-Greisin kredenzte uns grobe Brote mit Blutwurst, die ich aufgekratzt genoss, wortlos und glücklich, mit Blick auf die Weser. 

Samstag, 13. April 2019

Deutsche Flüsse (8): Rhein




Das erschreckendste, was über den Rhein geschrieben wurde, ist womöglich Heinrich von Kleists Ode „Germania an ihre Kinder":


„Zu den Waffen, zu den Waffen! 

Was die Hände blindlings raffen!

Mit dem Spieße, mit dem Stab,

Strömt ins Tal der Schlacht hinab!

(...)

So verlaßt, voran der Kaiser,

Eure Hütten, Eure Häuser,

Schäumt, ein uferloses Meer, 

Über diese Franken her!"


Gemeint sind die bösen Franzosen. Und weiter: 


„Alle Plätze, Trift‘ und Stätten,

Färbt mit ihren Knochen weiß;

Welchen Rab und Fuchs verschmähten,

Gebet ihn den Fischen preis;

Dämmt den Rhein mit ihren Leichen;

Laßt, gestäuft von ihrem Bein,

Schäumend uns die Pfalz ihn weichen,

Und ihn dann die Grenze sein!

Eine Lustjagd, wie wenn Schützen

Auf die Spur dem Wolfe sitzen!

Schlagt ihn tot! Das Weltgericht

Fragt euch nach den Gründen nicht!"


Unangenehm zu lesen, gell? Bedeutend lieber ist mir jene Szene aus Carl Zuckmayers „Des Teufels General", in welcher Harras - im berühmten Film vom knorrigen Curt Jürgens verkörpert - einem jungen Offizier, der aufgrund mangelnder Rassereinheit um seine Karriere bangt, folgende Worte mit auf den Lebensweg gibt:


„Schrecklich, diese alten verpanschten, rheinischen Familien...

Stellen sie sich mal ihre womögliche Ahnenreihe vor:

Da war ein römischer Feldherr. Schwarzer Kerl. Der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie - das war ein ernster Mensch; der ist schon vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Dann kam ein griechischer Arzt dazu, ein keltischer Legionär, ein graubündener Landsknecht, ein schwedischer Reiter. Und ein französischer Schauspieler. Ein böhmischer Musikant. Und das alles hat einmal am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen, gesungen und Kinder gezeugt. Und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven. Und der Gutenberg. Und der Matthias Grünewald. Und so weiter, und so weiter. Das waren die Besten, mein lieber. Vom Rhein sein, das heisst: vom Abendland sein. Das ist natürlicher Adel. DAS ist Rasse. Seien sie stolz darauf (...)

Film gucken


Dass „Rhein in Flammen" heute nur ein harmloses Großfeuerwerk bezeichnet, hätte dem mordlustige Heinrich von Kleist wohl ein verächtliches Kopfschütteln abgerungen. Als Symbol des Hasses ist der Rhein jedenfalls außer Betrieb - hoffentlich für längere Zeit. 

Etwas anders verhält es sich mit dem „natürlichen Adel": Man denkt sogleich an Flüchtlinge, Merkel, Pegida. Mit der Rückkehr des „völkischen" Deutschland-Denkens erscheint es gut möglich, dass ein zukünftiger Harras einem Deutschen mit syrischen, marokkanischen oder eritreischen Wurzeln auf Zuckmayersche Art Mut macht, mit dem Rhein als Sinnbild des supranationalen Saufens, Singens und Kinderzeugens. 

Während er also als Sehnsuchtsort der Nationalisten, als Symbol des Hasses ausgedient hat, taugt der Rhein auch weiterhin als Symbol der Verbrüderung, der Toleranz, der Liebe. 


Man kann natürlich auch einfach an seinem Ufer entlang spazieren, mit unbestimmtem Gesichtsausdruck, und behaglich vor sich hin drömeln. Oder Feuerwerke bestaunen. 


P.S.: Wo befinden sich eigentlich die Sehnsuchtsorte der heutigen Nationalisten? Wartburg, Hambach, Helgoland? Hm. Warthe und Memel? Früher gab es den Sticker „Deutschland ist größer als die Bundesrepublik", aber derlei taucht auf den Plakaten der AfD nicht auf. Sehnsuchtsorte sind wohl eher die „national befreiten Zonen", also ethnisch „gesäuberte" Gegenden, ohne „Fidschis" und „Asylbetrüger", „Zecken" und „Liberale", neue „Reichsmusterdörfer" in Mecklenburg-Vorpommern. Sowas. Oder? Lesen zufällig Nationalisten mit? Für diesbezügliche Nachhilfe wäre ich sehr verbunden.