Samstag, 13. April 2019

Deutsche Flüsse (7): Elbe



Draußen vor der Tür liegt eine Dame aus Böhmen.

Eigentlich eher flach, hat man sie mehrfach operiert.

Früher sagte man: Totaloperation - damit sie „Pride of China“ ertragen kann, und all die anderen bulligen Wichtigtuer. Als junges Ding hieß sie „Labe“ und machte einen Bogen um den flotten Prahans - der aber eh nur Augen für die musikalische Moldau hatte. Kaum erwachsen, lockten rotgesichtige Riesen. Boofen, Darling, Boofen! Sie zierte sich. In Dresden erlebte sie ihr blaues Wunder: Dampfer in weißen Anzügen prügelten mit Schaufelrädern auf sie ein, ihre Haut riss auf, sie flüchtete nach Pretzsch. Im Schloss saß Königin Eberhardine, von ihrem Mann in den äußersten Winkel des Landes verbannt, damit der in Ruhe kutschi-kutschi machen konnte. Die Böhmische floss dahin, hatte kurze Affären mit Jahna, Ohre, Tanger, Jessen, Melnik und Aken. Ständig breitete sie ihre Arme aus, sehnte sich nach dem sicheren Hafen. Sie geriet an den schmutzigen Herrn Bitterfeld, der sie mit K.o.-Tropfen traktierte. Die Arme starben, blieben tot am Weg zurück. Tränen versalzten, versauerten ihren Lebenssaft, und sie wurde ernsthaft krank. 40 Jahre lang war ihr Rumpf geteilt, sie bettlägerig, ehe es zu einer erstaunlichen Wunderheilung kam: Über Nacht verschwand die Wunde aus ihrer Mitte, und, kaum gesundet, schmiss sie sich dem feinen Herrn Hamburg an den Hals. Der überschüttete sie zwar mit Komplimenten und schenkte ihr glänzende Seidenstrümpfe, aber im Grunde baggerte er sie schonungslos aus. Zu allem Überfluss verhökerte er sie an Reeder aus Shanghai, die sie ohne Rücksicht überfuhren. Sie wurde breit und breiter, rau und grau. Ein Junge namens Jan Cux schenkte ihr ein letztes Lächeln, doch sie wunk ab, schritt langsam vorbei und stürzte sich ins Meer. 


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