Samstag, 15. Juni 2019

Auf Bremens höchsten Berg



Die höchste (natürliche) Erhebung des Landes Bremen (von „Berg" mag man hier nicht wirklich sprechen), befindet sich im Friedehorstpark im Ortsteil Lesum, also in Bremen-Nord: 32,5 Meter über Normalnull, und damit abgeschlagen auf dem letzten Platz unter den Sixteen Summits der deutschen Bundesländer. 
In den einschlägigen Foren wird er als Geheimtipp gehandelt, denn er ist der einzige Höhepunkt, auf den nicht mit Gipfelkreuz, Stein, Hütte, Plakette oder sonst wie hingewiesen wird. Hanseatische Bescheidenheit? Oder der klammen Kasse des Senats geschuldet? Nichts wie hin zum Ortstermin. 



Mag der (bezeichnenderweise namenlose) Berg der kleinste sein, so wird dafür meine Anfahrt die längste: Morgens um 5:15 besteigen mein Faltrad und ich die Hafenfähre „Reeperbahn" an den St. Pauli Landungsbrücken und lassen uns über die Elbe nach Finkenwerder schippern. Am frühen Vorabend war ich mit dem Kollegen Hirschhausen in Pilawas Quizduell zu Gast (gewonnen!), und ich durfte mit Alsterblick übernachten - darum ist Hamburg Ausgangspunkt der heutigen Expedition. 

Von Finkenwerder aus radele ich nach Buxtehude und auf eher ereignisarmen Radwegen weiter nach Zeven. Dort kehre ich im Ratscafé zum Kaffeetscherl ein, mit Blick auf den Takko-Markt. 




Es gibt gewiss viel schönere Wege von Hamburg nach Bremen, allen voran den offiziellen Radfernweg, aber zum einen möchte ich mittags bei Muttern in Oldenburg sein, und für eine echte Bummelei fehlt mir die Zeit, zum anderen handelt es sich bei dieser Strecke um eine Traditionstour. Regelmäßig, am liebsten einmal pro Jahr, befahre ich diese Route, einmal sogar zT mit meinem verehrten Sportfreund Uwe Weist, und als Konservativer ändere ich nur im Notfall die Fixpunkte meines Sportkalenders. 

Hinter Zeven passiere ich die namensstarken Ortschaften Hipstedt und Ostereistedt. Hinter Tarmstedt rechts durchs Teufelsmoor, dann quer durch Worpswede, das berühmte Künstlerdorf. 

Dass man eine betont öde Gegend bewohnt, um sich bildnerisch in ihrer Trostlosigkeit zu spiegeln - das macht ja heutzutage niemand mehr. Die Instagrammer gieren alle nach Berlin, Dubai und Co. 



Paula Moderson-Becker hätte womöglich auch Instafame gesammelt, aber, nun ja, mit ganz anderen GIFs. Die Blattstrünke in heutigen Selfis gehen ja zumeist eher in diese Richtung: 🌿



Jetzt wird die Landschaft pittoresk. Weite Horizonte, viel Entengrütze in den Kanälen. An Ritterhude vorbei in die Freie Hansestadt. Der Friedehorstpark ist per Komoot schnell zu finden, nach 115 km Anfahrt. Rein in den kleinen Park und staunen. Tatsächlich, da ist nichts, was man für eine Bodenerhebung halten könnte. Eine Baumgruppe etwa da, wo Spezialseiten den Gipfel verorten, davor ein Brennesselnest. 



Ja, das könnte es sein. Die pieksige Brennessel als wehrhafter Wächter des Tors zum Himmel. Könnte. Kaum zu fassen, dass man derlei nicht anständig markiert. Bremen, so behauptet jedenfalls mein Papa gern, habe eine der größten Sektionen des DAV. Also, liebe Bremer Alpinisten, erklärt Euch, mir, warum man den Peak mühsam suchen muss. Interessiert mich wirklich! Da baut man in Bremen gernegroße Groschengräber wie den Space-Park, und die echten Attraktionen, vom lieben Gott für umme in den (Earth-)Park geworfen, versteckt Ihr Bremer geradezu. Oder gibt es hier gar keinen „höchsten Punkt"? Alles gelogen? Nein, meine Quellen sind seriös (Internet).
Um auch ja nichts zu verpassen, radle ich kreuz und quer über alle Wege. Stattliche Bäume wachsen hier. Klar, wir sind ja auch jenseits der Baumgrenze - von oben gesehen. 



Mit gemischten Gefühlen („I did it"-Gipfelglück, verquirlt mit dem Gleichmut des Desillusionierten) verlasse ich den Friedehorstpark wieder und rolle rüber nach Vegesack zur Weserfähre. Ehe wir ablegen, darf ein Seeschiff Richtung stadtbremische Häfen passieren - eine Besonderheit heutzutage. Die meisten haben schon in Bremerhaven keine Puste mehr oder steuern gleich den Jade-Port, Hamburg oder Rotterdam an. Auf der Oldenburger Seite pette ich am Deich entlang, komme zu einem Strandkorb, der mit einem Pappschild versehen ist, auf dem „Pause" steht. Würde gerne, will aber ins Elternhaus, das ich, nach Linkskurve in Berne und Endspurt durch hochsommerliche Mittagshitze, um kurz vor zwei erreiche. 153 km und ein, äh, Berg. Tolle Tour!  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen