Ich hatte noch eine Rechnung offen:
Vor zehn Jahren radelte ich mit meinem Sohn Cyprian von unserem Wohnort Bernbeuren zum Campingplatz nach Utting am Ammersee, um dort ein paar nette Tage im Zelt zu verbringen. Die Anreise ging in die Familiengeschichte ein. Ich fuhr auf meinem Rennrad, Cyprian auf seinem Kinder-Mountainbike. Nur letzteres war mit einem Gepäckträger versehen, auf dem die Campingausrüstung transportiert werden konnte. Folge: Der Zehnjährige wuchtete das schwere Gepäck die Hügel hinauf, ich rollte aufreizend anstrengungslos hinterher. Schon nach halber Wegstrecke war Cyprian fix und fertig, und ich schmetterte schmunzelnd Durchhalteparolen. Passanten schüttelten mit dem Kopf ob dieses schiefen Bildes. Was war das? Eine Strafmaßnahme? Kinderarbeit?
Längere Radtouren hat Cyprian anschließend nie wieder unternommen - bis jetzt. Nach der letzten Vorlesung fuhren wir am Freitagnachmittag von seinem Studienort Landeck am Inn entlang zum Schweizer Zollamt Martina, dann die Norbertshöhe hinauf nach Nauders und weiter zum Reschenpass. Ehrensache, dass diesmal ich das gesamte Gepäck transportierte, unter anderem, grusel, seinen uralten Bayern-München-Rucksack.
Am Heidersee übernachteten wir, am nächsten Tag rollten wir einträchtig auf dem Uferdamm der Etsch bis nach Salurn, an die Sprachgrenze, am dritten schließlich nach Rovereto und weiter zum Gardasee. Höhepunkt: Spargelpizza in einem verregneten Tennisclub nahe Bozen. Schmeckt nicht so abstrus, wie man vermuten könnte.
Quit.
Ja, ist denn die Etsch überhaupt ein „deutscher Fluss“? Nun ja; jedenfalls nicht weniger als der Rio Grande, wenn Karl May seine Helden durch dessen Täler reiten lässt.