Ich sitze gerade in der S-Bahn zum Flughafen, reise nach Köln zu Paul Panzer. Gute Gelegenheit für einen Nachtrag: Der trottinettistische Höhepunkt des letzten Jahres.
Köln. Wir schreiben Mitte August. Ein freier Tag in der „Genial Daneben“-Produktionswoche. Es ist noch Nacht, als ich ganz von selber erwache. Ich stopfe ein paar Utensilien in meinen Rucksack, schmeiße andere in den Kleiderschrank, entfalte meinen gelben Kostka-Roller und lege los.
4:30 Uhr. Leichter Regen, usselige Wärme. Gleich wieder anhalten, Regenjacke anlegen. Ich rollere am Rhein entlang zu den Ford-Werken, unterquere die Leverkusener Autobahnbrücke und warte, gemächlich tretend, auf den Tagesanbruch. 30 km in zwei Stunden, so geht mein Plan, anschließend ein Päuschen, und das sechsmal hintereinander, dann müsste ich laut „Komoot“-App in Arnheim sein. Die erste Pause findet an der Tankstelle zwischen Dormagen und Düsseldorf statt. Hat gerade aufgemacht, die untersetzte Spätblondine sortiert noch das Angebot. Ich kaufe ein Ladegerät fürs Handy, obgleich mir dämmert, dass die Pausen für eine Handyladung kaum ausreichen werden. Also beschliesse ich, nach Beschilderung zu fahren, notiere die grösseren Orte auf meiner Route mit Kuli aufm Unterarm und frühstücke ein Wurstbrot. Draussen dämmert‘s auch; ich verstaue die Klemmlampe im Rucksack und peile den Nordwesten an. Die Beschilderung führt mich nach Karst und Willich, über kleine Strässchen, durch Reihenhausidyllen und aufgeweichte Feldwege. Ein nasser Tag, eher ungeeignet für eine gloriose Großtour auf zwei Rädern, zumal, wenn das Trittbrett tief liegt und darum das Besudelungspotenzial hoch. Aber es gibt ja diese Tage, an denen Zweifel gar nicht erst aufkommen und das Ziel deutlich klarer ist als der Himmel. Heute ist so einer.
Vor St.Tönis gilt es einen durchnässten Wald zu durchqueren, mit tiefem Tannennadelbelag. Vereinzelt begegne ich Wanderern. Leichte Orientierungsprobleme. Ich halte an, trete aus und weiter. Als ich den Wald hinter mir lasse und in eine Siedlung einrolle, fällt mir ein wunderbarer Tante-Emma-Laden auf. Zwei Stunden sind rum, ich habe jetzt 60 km auf der Uhr, der Regen peitscht gerade heftig, also Stopp. „Heikes Eckladen“ heißt mein Rastplatz, und Heike steht selber am Tresen. Wir plauschen über den Kostendruck im Einzelhandel. So‘n Laden wie der ihrige geht eigentlich nur, wenn einem die Immobile gehört. Lecker Kuchen. Ich nehme unter einem Sonnenschirm im Gärtchen Platz und starre müd ins Plitschplatsch um mich herum.
Weiter. Kempen lasse ich links liegen, trete, inzwischen klatschnass, durch flache Fluren mit vielen Windrädern, an deren Aktivität ich mich berausche (wenn sie Seiten- oder gar Rückenwind anzeigen). Manchmal jedoch schlagen sie aufs Gemüt, wenn man nämlich an ihnen Gegenwind erkennt, ehe er sich fahrerisch auswirkt. Kiesgruben, menschenleere Käffer, Kühe in Halbtrauer. Ein LKW überholt mich, prischt durch eine Pfütze, und ich bekomme die volle Breitseite. Arschlochbrummi. Außerplanmäßiger Kurzhalt an einer Wegkreuz-Parkbank-Kombi im katholischen Nirgendwo. Was ich jetzt brauche, ist eine innere Verriegelung. Immer tiefer hängt der Himmel, Anthrazit ist der Farbton des Tages. Nieukerk - oh, das klingt schonmal angenehm holländisch. Wie klein die Häuschen hier sind! Entweder wohnen hier Asketen, Zwerge oder Geizkrägen. Oder die Leute sind alle sehr arm - aber flächendeckende Armut, so ganz ohne Ausnahme - sowas gibt es nicht, hat es noch nie gegeben. Irgendeiner macht immer Reibach und baut sich eine Protzvilla.
Kevelaer. Kenne ich vom Herbst 2016, als ich eine meiner ersten „Im Zelt“-Lesungen absolvierte. Auf der damaligen Tour war ich mit dem Klapprad unterwegs, von und nach Kleve. Kevelaer jedenfalls ist unter den Wallfahrtsorten eine ganz grosse Nummer. Heute ist Tamilen-Wallfahrt, das heisst: Tausende Tamilische Familien in Ausgehkleidung beschlendern die Innenstadt. Ja, das sieht exotisch aus. Umgekehrt finden die Wallfahrer Deutschland sicher auch exotisch: Als ich in einer zentralen Metzgerei raste, testen mehrere Tamilen das deutsche Traditionsgericht „Currywurst“. Sie unterhalten sich angeregt über die Spezialität; leider verstehe ich ihre Sprache nicht und weiss auch ihre Mimik nicht zu deuten.
In Kleve geniesse ich die einzige Abfahrt des Tages (ansonsten ist die Strecke flach wie ein Leser-Witz in der Neuen Revue). Hui, ist die lang! Und schnell! Und läutet den interessanten Teil des Tages ein: die Verästelungen des Niederrheins. Erstmal rauf auf den Deich. Frische Brise. Es klart auf, die Sonne scheint, die Farben leuchten. Jacke aus, Hose zu, Augen auf! Millingen! Goeten Dag! Ich bin im Königreich der Niederlande. Schonmal gut. Aber wie komme ich jetzt über den Rhein? Die Fähre fährt erst in einer halben Stunde. Abkürzen nach Nimwegen? Ist auch nicht soo nah, ausserdem ist erst früher Nachmittag- da geht noch was! Also warte ich auf die kleine Fahrradfähre und werde mit einer tollen Bootstour belohnt, begleitet von belgischen Seniorenrennradlern, die mich über mein Gefährt ausfragen. Ich verzehre allerletzte Riegelreste, die ich in den ewigen Jagdgründen meines Rucksacks gefunden habe (aus Hannes‘ Altbeständen, Geschmackstyp Erdnuss-Gummi, abgelaufen seit 2009), dann trete ich am Nordufer der Rheines entlang - bis ich bald wieder vor einer wässrigen Barriere stehe, dem Pannerdensch Kanaal. Also wieder Fähre, diesmal etwas grösser, für Autos. Anschließend, die Schatten scheinen schon länger, beginnt der Endspurt. Und den absolviere ich tatsächlich schnell, da mir die Bahn-App verraten hat, dass es noch einen günstigen Zug zurück nach Köln gibt, und wenn ich den erreichen will, muss ich ein, zwei km/h zulegen. Also kämpfe ich mich bei leichtem Gegenwind auf einem Deich entlang, bestaune die hier deutlich anders aussehenden Landhäuser, sehne mich schwitzend in die ferne Silhouette der grossen Stadt, beisse die Zähne zusammen, verfahre mich kurz nach Unterquerung der Autobahn, fluche, hetze zurück, setze neu an, springe förmlich der Arnheimer Innenstadt entgegen, werde wieder ganz nass, aber diesmal von innen, bange um meine Rückfahrt, beschleunige nochmals, überquere die berühmte John-Frost-Brücke, keine Zeit für Fotos, hadere, sehe den Bahnhof, frohlocke, jubiliere, kaufe ein Ticket, rase zum Bahnsteig, und dann...
...dann ist der 17-Uhr-irgendwas-Zug verspätet (ist ja ein Zug der DB), und ich kann durchatmen. Und fotografieren. 180 km, aufgrund des Endspurts im 16er-Schnitt. Immerhin: Ironman-Hawaii-Maß. Ja, er lebt noch...
Einsteigen, Hemdenwechsel, Bierchen. Ruckzuck in Köln. Gute Laune.
Soweit, so gut. Nun bin ich am Flughafen und versuche, diesem Bericht ein paar Handybilder hinzuzufügen, erhalte aber immer wieder den Hinweis: „Response status code was unacceptable: 500“. Und schäume, natürlich.
Immerhin macht der Defekt klar, wo die Stärke des Tretrollers liegt: Er ist zuverlässig. Abgesehen vom Platten gibt es kaum Pannenpotenzial. Fuck digitalism, heil dir, oh Tretroller! Trottinettisten aller Länder vereinigt euch, sprengt die Fesseln der Rechenmaschinen! Steigt aufs Trittbrett, rollert davon! Abtreten!
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