Dienstag, 6. Februar 2018

„No climbing on wet and rainy days“, haha. 

„Ich lauf nur mal kurz an den Strand“ flöte ich meiner Gattin zu, die Sonne lacht, ich schnüre die Schuhe und trimtrabe in den tropischen Nachmittag. Die Luft ist weniger drückend als an den Tagen zuvor; ich folge dem Sandstrand bis zum Ende der Hotelanlage und schaue auf die Uhr. Klock 14. Wenn man schon mal dabei ist, kann man auch gleich einmal gucken, ob’s nicht doch hier an der Hotelseite einen Einstieg zum „Public Path“ gibt, der „Le Morne“, den imposanten Felsen im Südwest Mauritius’, auf halber Höhe umringt. 

Ich trabe an den uniformierten Sicherheitsleuten vorbei, folge einer steilen Bergstraße und lande an einer Blohfeld-würdigen Angebervilla, über der sich der von mir avisierte Wanderweg befinden müsste. Um dort hin zu gelangen, scheine ich jedoch durch den Garten des James-Bond-Gegenspielers klettern zu müssen, und am anderen Ende befindet sich ein hoher Zaun. Hm. Konzentriertes Absuchen des Geländes...ich erspähe ein Loch, klettere hinauf und schlüpfe hindurch. Wenn man schon mal dabei ist, so raune ich mir zu, kann man natürlich auch noch ein paar Höhenmeter weiter, etwa bis zum Abzweig, an dem der eigentliche Gipfelanstieg beginnt. 

„Trespassers will be prosecuted“ lese ich auf einem Schild, ehe ich auf grasiger Trasse bergwärts wandere. Unter mir tut sich ein nachgerade lächerlich-kitschiges Panorama auf; eine Landzunge züngelt im türkisen indischen Ozean, darüber ein unbewohntes Inselchen, hach wie herzig. 

Bald bin ich am Abzweig. Wenn man schon mal dabei ist, murmele ich, zögere kurz, und dann hetze ich einige Serpentimen durch den Regenwald. Der Vegetation wird immer üppiger, aber der Weg bleibt erkennbar. Königsblaue Schmetterlinge fächeln mir warme Luft zu. An einem Rastplatz mit offenbar seit Jahren ungeleerten, überquellenden Mülleimern steht ein großes Schild. Ab hier wird’s gefährlich, warnt es, bei Regen auf keinen Fall klettern. Ein Blick zum Himmel: nein, kein Regen in Sicht. Wie lang mag man zum Gipfelkreuz brauchen? Eine halbe Stunde? Weniger? „Le Morne“ ist 500irgendwas Meter hoch, aber das Gipfelkreuz befindet sich ja, wenn ich die Wanderkarte richtig verstehe, gar nicht am höchsten Punkt. Hm. Eigentlich wollte ich mir ja nur kurz die Beine vertreten, aber nun ruft der Berg laut und deutlich meinen Namen...

Auf schmalem Bergpfad geht es steil aufwärts, bis zu einem weiteren Zaun, dessen Tor verschlossen ist. Mannometer, mit Zäunen haben die‘s hier aber. Auf Verdacht folge ich den Trittspuren am Zaun durch unhandliches Gelände und finde einen Durchschlupf. Jetzt wird’s richtig abenteuerlich: Klettern im ersten und zweiten Grat, auf schwarzem, harten Vulkangestein.

Schon überhole ich eine Wandergruppe. Ein junger maurizischer Bergführer begleitet fünf Europäer (Skandinavier und Engländer) und ist wohl gerade dabei, seinen Schützlingen eine Umkehr schmackhaft zu machen, weil die Damen lahmen. Und der alte Engländer ebenfalls auf dem letzten Loch zu pfeifen scheint. Ich sprudele vorbei, stemme mich einen engen Kamin bergauf und frage mich etwas bang, wie ich denn hier wieder runter kommen soll? Sicherungen sind nicht vorhanden. Eine Heiligenfigur im Grottenheim ist so abgegriffen, dass ihre konfessionelle Zugehörigkeit unklar bleibt. Vielleicht hilft‘s ja trotzdem.

Nun ja, so lange es nicht regnet, sollte alles machbar sein. Blick in die Ferne: Regengüsse am Horizont, und schmuddelgraue Wolkentürme in Küstennähe. Egal, ich bin ja gleich oben. Nur nicht nach unten schauen. Ein weißer Prachtvogel kreist in meiner Nähe, so ein Mix aus Möwe und Mauersegler, einen Meter Spannweite, mit ellenlangen Frackschößen. Was klackt da beim Klettern eigentlich immer so komisch? Es ist mein Ehering, der bei jedem Griff an den Fels stößt. Ganz neue Kletterklangkulisse.

 Die letzten zwanzig Höhenmeter. Ich zweifle. Schweiß hat meine Kleidung vollständig durchnässt. Trempé comme une soup, wie der Kreole sagt. Unter mir diskutieren die Wanderer. Umkehren? Quatsch, ich bin doch gleich da. Armkraft ist Trumpf. 


Zweimal Zickzack, ein luftiges Turnen, dann bin ich am Kreuz. Nicht der höchste Punkt, aber immerhin. Höher ginge es nur für Kammerlander und Ko. Selfie, knipsknips, dann wieder runter. 

Wird auch höchste Zeit, denn die schwarzen Wolken kommen immer näher. Mich teils auf dem Popo bergab tastend, meist jedoch mit dem Gesicht zum Fels versuche ich, schneller zu sein als der Regen. Unterhalb des Gipfelaufbaus kommt mir die Wandergruppe entgegen. Als Schlusslicht kämpft der englische Senior, in seinen Zügen blanke Angst. „Just five minutes to go!“ mache ich ihm Mut. Dann weiter. Ja keinen Fehltritt, sonst bin ich geliefert. Zwei- bis dreihundert Meter freier Fall optional. „Sterben ist der schönste Tod“ wie mein Papa zu sagen pflegt. Aber bitte nicht heute und hier, in meiner Flitterwoche. Huch, ein Tropfen! Und da! Noch einer! Ich versuche zu beschleunigen, aber großes Akzellerationspotenzial bietet das Gelände nicht - außer eben im Sturzflugverfahren. Wer wirklich vorsichtig ist, bleibt immer am Leben, spreche ich mir Mut zu. Naja. Überzeugt nur so halb, sagt das Panikzentrum in meinem Hirn, das sich auf erhöhte Aktivität vorbereitet. 

Die Tropfenfrequenz nimmt schnell zu, und nach einer Minute prasselt satter Regen auf meinen Rücken, als ich, den Bauch an schwarzen Fels gepresst, taugliche Tritte suche. Während das glatte Gestein im trockenen Zustand besten Grip gewährte, wird es nun schmierschlüpfrig. Mein Herz schlägt bis zum Hals; jeden Griff teste ich mehrfach, überlege auch, ob es nicht besser wäre, einfach hocken zu bleiben, bis der Regen nachlässt. Aber wann wird das sein? Um halb sieben jedenfalls wird es schlagartig dunkel. Vielleicht sollte ich Teresa anrufen, solange mein Handy noch funktioniert- denn wenn es länger so droscht, ist das Ding bald hi‘. Tututut - drei kurze Töne, sonst nix. Scheint gerade im Funkloch zu stecken. Bang beuge ich mich gen Berg, um nicht nur mich, sondern auch das Telefon zu schützen.

Im Kamin, in dem ich vorhin die Wandergruppe überholte, verklettere ich mich gleich mehrfach: Einfaches Klemmstemmen erscheint mir ob der Rutschigkeit zu unsicher, aber die größeren Griffe am Rand führen in vertikale Sackgassen hinab. Kurze Pause. Nochmal Handy. Wieder kein Empfang. Ganz ruhig, Wigald. Zurück in den Kamin. Jeder Tritt, jeder Griff muss sitzen. Im Zweifel lieber pausieren und Augen schließen. 

Nach einem Viertelstündchen weicht das Geprassel versöhnlichem Nieseln, und meine Laune hebt sich. Am Kaminende entfährt mir ein kapitaler Seufzer: Geschafft. Ab jetzt bin ich außer Gefahr. Entspannt trabe ich die Wanderwege hinab, gelange an die bereits gestern morgen erkundete Sandstrasse (wo die großen Schnecken hausen) und erreiche nach knappen eineinhalb Stunden das Hotel. Teresa hatte sich schon Sorgen gemacht, in der Anlage nach mir gesucht. Ähem. 

Anschließend bürste ich meiner Braut bußfertig extra beharrlich die Haare, fast so lang, wie der Regen fiel. Damm-Damm. 


2 Kommentare:

  1. Da wird einem ja beim lesen schon ganz schummrig. Hauptsache du bist heil geblieben!

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  2. Wenn Sie einen zuverlässigen Hacker benötigen, der das Telefon Ihres Partners aus der Ferne überwacht, wenden Sie sich an tödliche deadlyhacker01@gmail.com oder WhatsApp: +1 3478577580

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