Im Traum wurde ein Dreh vorbereitet: Für HISTORY sollte ich die „Geschichte des Skifahrens“ präsentieren. Auf der Zugspitze lagen sommers 9,22 m Schnee - Rekord. Ich probierte einen rosa-lilanen Renneinteiler aus den 70ern an. Viel zu spät fiel mir ein, dass ich ja gar nicht Skifahren kann. In letzter Minute versuchte ich Produzent und Sender davon zu überzeugen, dass es gewiefter wäre, die Moderationen komödiantisch anzugehen, das heisst: am Ende eines jeden Bildes ungelenk zu stürzen und prinzipiell nie schneller zu fahren als in knappem Schritttempo. Auf einer riesigen Wäschespinne im Schlossgarten von Versailles suchte ich anschließend nach polsternden Unterkleidern, die meine Stürze glimpflicher verlaufen lassen könnten, aber eine Hundertschaft uniformierter Wäschespinnenschützer ließ mich gar nicht erst in die Nähe des Trocknungsgerätes. Erst das Zupfen und Nesteln der Garderobiere, einer Halbschwester von Harvey Weinstein, nahm mir meine Panik, und ich stritt mit Verve für ihre Mitwirkung im On. Wohl weil: Solange an mir herumgezuppelt wird, kann ich nicht nur nicht schnell, sondern sogar gar nicht fahren. Ich blickte in ernste Gesichter, auf geschüttelte Köpfe und schwitzte kalt.
Freitag, 31. Mai 2019
Mittwoch, 29. Mai 2019
Deutsche Flüsse (42): Neue Luppe
Neue Luppe, zwischen Deichen
streichen lange grüne Zotten,
abgeknickt vom Schulterklopfen,
müde über ihresgleichen.
In der Parkbahn: Hottentotten,
die mit einem guten Tropfen
Ihre Lebenslust begießen.
Auf halb zwölfe schießen
Schützenfische scharf,
treffen die Graf Zeppelin,
deren Hülle, prompt durchlocht,
flatuliert und Falten wirft.
Zügig sinkt das Luftschiff nieder.
Trunken singen seichte Lieder
in der Bahn die Afrikaner,
als ganz vorn die Eisenbahner
Gase schnuppern, Unheil wittern,
geistesgegenwärtig twittern:
„Obacht, es bahnt sich was an!“
Schlagartig ernüchtert, springt
der erste von den Namibianern
mutig unters Luftschiff, in die
Neue Luppe, winkt die anderen
herbei. Manche lallen, tapsen
torkelnd in den Brei, der aus
Entengrütze, Pusteblumenflusen
und den eingangs angeführten
Grünzotten besteht. Einer kann
das nicht verknusen, übergibt sich
eben, als mit lautem Platschen
das Gefährt ins Wasser fällt. Lutz,
der Bordhund der Graf Zeppelin,
ein Irish Setter, bellt, er wird
sogleich geborgen. Sorgen macht
man sich um einen, der von losen
Landeleinen unter Wasser fest
umschlungen. Mühsam wird er
freigerungen, dabei vierstimmig
gesungen. Luppenwasser in den
Lungen, wird von Hand er ausge-
wrungen, überlebt, während Lutz nach
Mäusen gräbt. Dem Luftschiffkapitän
sind beiden Ohren bei dem Absturz
abgefroren, abgesehen davon strahlt
er, dankt den Rettern überschwänglich,
birgt aus der Kombüse tauchend
eine Jumboflasche Jägermeister,
Hackfleisch und Tapetenkleister.
Der Likör wird rumgereicht, in der Luppe
eingeweicht der Kleister. In das Hackfleisch
beisst der Käpt‘n, stärkt sich so, dann klebt
mit Hottentottenhilfe er die Hülle wieder heil.
Lutz frisst das feingehackte Schwein,
die Retter steigen in die Parkbahn und der
Zeppelin hebt ab, und vom Auensee bis Halle
singen alle: „Schön ist es, auf der Welt...
P.S.:
Mein langjähriger Facebookfreund Christian macht mich auf den diskriminierenden Charakter des Wortes „Hottentotten“ aufmerksam. Die Buren hätten den Begriff ursprünglich als Spottbezeichnung für die Völker im südwestlichen Afrika verwendet, ehe die Deutsche Kolonialverwaltung ihn übernommen habe. Ups, Wikipedia gibt ihm recht. Wieder was gelernt.
Nun müssen wir gar nicht lange diskutieren über „Political Correctness“ & alles was dazugehört; spannender erscheint mir, eine Version herzustellen, die ganz und gar auf solche Bilder verzichtet, die als auf rassistischen Stereotypen fußend wahrgenommen werden könnten. Frisch ans Werk:,
Unsere Wege pflastern Leichen:
„Hottentotten“, Dauerbrenner
der Kolonialgeschichte. Spott aus,
Spot an. Nocheinmal in neuem Lichte:
Im Waggon sind Nama-Männer,
die, versierte Dampflokkenner, ihre Parkbahnfahrt genießen.
Luppen-Nass verschießen
Schützenfische. Einer
trifft die „König Pilsener“,
deren Hülle, prompt durchlocht,
flatuliert und Falten wirft.
Zügig sinkt das Luftschiff nieder.
Selig singen leichte Lieder
in der Bahn die Afrikaner,
als ganz vorn die Eisenbahner
Gase schnuppern, Unheil wittern,
geistesgegenwärtig twittern:
„Obacht, es bahnt sich was an!“
Schlagartig ernüchtert, springt
der erste von den Namibianern
mutig unters Luftschiff, in die
Neue Luppe, winkt die anderen
herbei. Nur im Lendenschurze
trauen sich die Nama in den Brei, der
aus Entengrütze, Pusteblumenflusen,
Zielwasser vom Schützenfisch,
last but not least Elastomer besteht.
Ein Nama kann das nicht verknusen,
dissoziiert just, als mit lautem Platsch
die Köpi in die Luppe fällt. Das Bordlama namens Enrico spuckt vor
Aufregung und wird geborgen.
Sorgen macht man sich um einen,
der von losen Landeleinen unter Wasser fest umschlungen.
Mühsam wird er freigerungen,
dabei vierstimmig gesungen. Luppenwasser in den Lungen,
wird von Hand er ausgewrungen.
Klappt, d.h. er überlebt, während Enrico spastisch zuckt. Dem Luftschiffkapitän sind beide Ohren bei dem Absturz abgefroren, abgesehen
davon strahlt er, dankt den Rettern überschwänglich,
birgt aus der Kombüse tauchend eine Jumboflasche Eistee, Porree und Tapetenkleister.
Das Kaltgetränk wird rumgereicht, in der Luppe
eingeweicht der Kleister. In den Porree
beisst der Käpt‘n, sagt „I am the best!“, dann macht mit Namahilfe er die Hülle wieder fest.
Enrico frisst den Porreerest,
die Retter steigen in die Parkbahn ein,
Luftschiff Köpi startet durch, und vom Lama bis zum Lurch, vom Auensee bis Halle, singen alle: „Schön ist es, auf der Welt...
Montag, 27. Mai 2019
Deutsche Flüsse (41): Mulde
Ja, so langsam lerne ich, meinen Langsamschwimmer-Vortrag einigermaßen gekonnt zu präsentieren. Als sehr positiv hat sich die Idee erwiesen, mit dem Rad auf die Bühne zu fahren, oder, wenn sich dies aufgrund bühnenbaulicher Gegebenheiten nicht anbietet, das Rad doch wenigstens auf der Bühne zu parken. Dieser Abstellplatz ist, so vermute ich, einigermaßen diebstahlsicher, und zudem rechtfertigt ein zum Requisit deklariertes Klapprad eine ansonsten erklärungsbedürftige Garderobe: Radschuhe für Clickpedale und Funktionsoberhemd. Dieser Kunstgriff minimiert mein Reisegepäck, was wiederum meinen Spass an der Live-Auftreterei maßgeblich mehrt. Gestern bei den Wühlmäusen war’s gut gefüllt, und als zweite echte Verbesserung erwies sich mein offensives Hervorheben des unzweifelhaft angeberischen Charakters meiner Ausführungen. Highlight des Tages war aber eher nicht das schöne Gastspiel in Berlin, sondern die fabelhafte Radtour am Morgen: Bei blendendem Wetter startete ich in Leipzig, fuhr auf nahezu autofreien Kleinstrassen durch Kornblumen, Klatschmohn, weite Horizonte zur Mulde, die ich bei Bad Düben überquerte. Kaum Menschen, dafür viele Wahlplakate, hauptsächlich von der NPD („Regional statt Global“, „Sachsenland im Widerstand“) und „Der dritte Weg“ („Multikulti tötet“) - Kein Wunder, dass die AfD hier triumphieren konnte, wirkt sie doch vor diesem Hintergrund als eher moderate Kraft. Wahlplakate anderer Parteien wurden offenbar nur in Einzelfällen aufgehängt - das scheint in nordsächsischen Dörfern nicht zu lohnen. Hinter Bad Düben gings in den Wald, der mir jedoch bald zu rumpelig wurde, woraufhin ich auf die Bundesstrasse 2 auswich. Flott Richtung Wittenberg, wo ich auf drei kernige Thüringische Triathleten meinen Alters stiess, die mich zu Selfis und Gedankenaustausch in ihren Windschatten nahmen. Angekommen in der Lutherstadt, suchte ich den gerade letzte Woche bei „Genial Daneben - das Quiz“ erwähnten Segensroboter „Bless U 2“, um mich maschinell segnen zu lassen, fand ihn jedoch weder bei der Exerzierhalle noch am Bahnhof. Und so bestieg ich denn ohne den automatisierten Beistand des lieben Gottes meinen Zug in die Teutonenmetropole.
Dies war denn aber auch wirklich das allerallereinzigste Wermutströpfchen des Sonntags (fürs Wahlergebnis übernehme ich höchstens partiell die Verantwortung).
Freitag, 24. Mai 2019
Deutsche Flüsse (40): Weißer Schöps
In Markersdorf bei Görlitz traf Maréchal Duroc eine Kanonenkugel.
Napoleon ließ seinen treuen Gefährten in ein nahes Gehöft bringen, wo er tags darauf starb. An Ort und Stelle wurde anschließend ein Gedenkstein errichtet, für den Frankreich bis 1923 eine Pachtgebühr an den Bauern zahlte. Bis heute gilt das Denkmal als exterritoriales Gebiet Frankreichs. Wenn man also von der sächsischen Polizei gesucht wird, setze man sich auf diesen Stein, gegebenenfalls, bis Frankreich über ein Auslieferungsgesuch der deutschen Behörden befunden hat.
Donnerstag, 23. Mai 2019
Deutsche Flüsse (39): Sieg
Eines Tages versiegte die Sieg.
Das Wasser machte rüber,
die Fische wurden umgeschult
auf Mechatroniker, Handelsfachpacker
oder irgendwas mit Medien.
Das Tausendblatt trat im Zirkus auf.
Die Tretboote kauten am Fußpedal.
Das offene Flussbett erkältete sich.
Die Siegburger kippten Beton drüber
und machten einen Parkplatz draus.
Forscher reisten zur Quelle und
hörten sie mit Stethoskopen ab:
Kein Bumm-Bumm, nur zartes Rauschen.
Einer: „Der Fluss hält das Wasser an!“
Ein anderer: „Es liegt am
hydrostatischen Druck!“
Der dritte meinte, es sei
alles in Ordnung, und wenn nicht,
treffe den Menschen keine Schuld.
Einer rief gar „Sieg Heil!“
und behauptete am nächsten Tag,
man habe ihn mit K.O.-Tropfen traktiert.
Eine Bürgerinitiative forderte
die Umbenennung der Sieg in „Reinfall“,
aber die Schaffhausener drohten mit Klage.
Dann wurde es ruhig um den Fluss.
Er geriet in Vergessenheit.
Transit Sieg Gloria Mundi.
Mittwoch, 22. Mai 2019
Deutsche Flüsse (38): Weser
Mit Spikereifen in den Kindergarten, obwohl schon lange die Kurze-Hosen-Sonne lachte. Wer sich besonders artig gab, durfte den schwarz gekleideten Nonnen beim Schlagen der Glocke zur Hand gehen. Anja hat‘s mehrfach geschafft, ich nie. Vielleicht, weil mir Singen peinlich war. Man nannte mich „Brummer“ - wenn die anderen sangen, durfte ich nebenan zeichnen. In den Pausen wurde Fangen gespielt, immer abwechselnd „Jungs die Mädchen“ und „Mädchen die Jungs“. Letzteres fand ich deutlich spannender. Einmal verbrachten wir einen Sonntag am Strand der Weserinsel Harriersand, mit Blick auf Brake und die majestätisch grüßenden Ozeanriesen. Nachmittags zog ein infernalisches Gewitter auf. Hastig rafften wir das Fernglas, die hartgekochten Eier und das Piz-Buin-Sonnenöl in Mamas Weidenkorb, um im Laufschritt die nächste Fähre zu erreichen. Meine Badehose war weiß mit braunem Muster, inspiriert von Victor Vasarelys Gemälde „Yapoura“ von 1954.
Binnen Minuten war alles dunkel, stürmisch und nass. Kaum legte die Fähre ab, verschwand die Insel wie hinter einem Wasserfall.
Ich habe sie nie wieder gesehen, geschweige denn betreten.
Dienstag, 21. Mai 2019
Deutsche Flüsse (37): Rio de Santa Eulària
Es steht ein Haus
am Riu Santa Eulària,
in dem ein Pistolero saß
& auf dicke Hose machte,
scharf auf eine Russennichte.
Für „Verstehen sie Spass?“
drehten sie mit blauer Dose
eine Lach-und-Sachgeschichte.
Puff!
Der Schützenpantomime schoss;
die Kugel galt dem Alten, Morschen,
traf ihn selbst und seinen forschen Boss.
Tu, Kurt Felix Austria, was nun?
Das Haus steht bei Airbnb,
durchgewischt mit Alkohol:
perfekt um gründlich auszuruhn.
The biggest Arztroman ever
Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...
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