Freitag, 31. Mai 2019

Deutsche Flüsse (43): Loisach



Im Traum wurde ein Dreh vorbereitet: Für HISTORY sollte ich die „Geschichte des Skifahrens“ präsentieren. Auf der Zugspitze lagen sommers 9,22 m Schnee - Rekord. Ich probierte einen rosa-lilanen Renneinteiler aus den 70ern an. Viel zu spät fiel mir ein, dass ich ja gar nicht Skifahren kann. In letzter Minute versuchte ich Produzent und Sender davon zu überzeugen, dass es gewiefter wäre, die Moderationen komödiantisch anzugehen, das heisst: am Ende eines jeden Bildes ungelenk zu stürzen und prinzipiell nie schneller zu fahren als in knappem Schritttempo. Auf einer riesigen Wäschespinne im Schlossgarten von Versailles suchte ich anschließend nach polsternden Unterkleidern, die meine Stürze glimpflicher verlaufen lassen könnten, aber eine Hundertschaft uniformierter Wäschespinnenschützer ließ mich gar nicht erst in die Nähe des Trocknungsgerätes. Erst das Zupfen und Nesteln der Garderobiere, einer Halbschwester von Harvey Weinstein, nahm mir meine Panik, und ich stritt mit Verve für ihre Mitwirkung im On. Wohl weil: Solange an mir herumgezuppelt wird, kann ich nicht nur nicht schnell, sondern sogar gar nicht fahren. Ich blickte in ernste Gesichter, auf geschüttelte Köpfe und schwitzte kalt. 

Mittwoch, 29. Mai 2019

Deutsche Flüsse (42): Neue Luppe



Neue Luppe, zwischen Deichen

streichen lange grüne Zotten,

abgeknickt vom Schulterklopfen,

müde über ihresgleichen.


In der Parkbahn: Hottentotten,

die mit einem guten Tropfen

Ihre Lebenslust begießen.

Auf halb zwölfe schießen


Schützenfische scharf,

treffen die Graf Zeppelin,

deren Hülle, prompt durchlocht, 

flatuliert und Falten wirft.


Zügig sinkt das Luftschiff nieder.

Trunken singen seichte Lieder

in der Bahn die Afrikaner,

als ganz vorn die Eisenbahner


Gase schnuppern, Unheil wittern,

geistesgegenwärtig twittern:

„Obacht, es bahnt sich was an!“

Schlagartig ernüchtert, springt


der erste von den Namibianern

mutig unters Luftschiff, in die

Neue Luppe, winkt die anderen

herbei. Manche lallen, tapsen


torkelnd in den Brei, der aus

Entengrütze, Pusteblumenflusen

und den eingangs angeführten

Grünzotten besteht. Einer kann 


das nicht verknusen, übergibt sich

eben, als mit lautem Platschen 

das Gefährt ins Wasser fällt. Lutz,

der Bordhund der Graf Zeppelin,


ein Irish Setter, bellt, er wird

sogleich geborgen. Sorgen macht 

man sich um einen, der von losen 

Landeleinen unter Wasser fest


umschlungen. Mühsam wird er

freigerungen, dabei vierstimmig

gesungen. Luppenwasser in den

Lungen, wird von Hand er ausge-


wrungen, überlebt, während Lutz nach 

Mäusen gräbt. Dem Luftschiffkapitän

sind beiden Ohren bei dem Absturz

abgefroren, abgesehen davon strahlt 


er, dankt den Rettern überschwänglich,

birgt aus der Kombüse tauchend

eine Jumboflasche Jägermeister,

Hackfleisch und Tapetenkleister.


Der Likör wird rumgereicht, in der Luppe

eingeweicht der Kleister. In das Hackfleisch 

beisst der Käpt‘n, stärkt sich so, dann klebt 

mit Hottentottenhilfe er die Hülle wieder heil. 


Lutz frisst das feingehackte Schwein,

die Retter steigen in die Parkbahn und der

Zeppelin hebt ab, und vom Auensee bis Halle 

singen alle: „Schön ist es, auf der Welt...


P.S.: 


Mein langjähriger Facebookfreund Christian macht mich auf den diskriminierenden Charakter des Wortes „Hottentotten“ aufmerksam. Die Buren hätten den Begriff ursprünglich als Spottbezeichnung für die Völker im südwestlichen Afrika verwendet, ehe die Deutsche Kolonialverwaltung ihn übernommen habe. Ups, Wikipedia gibt ihm recht. Wieder was gelernt. 

Nun müssen wir gar nicht lange diskutieren über „Political Correctness“ & alles was dazugehört; spannender erscheint mir, eine Version herzustellen, die ganz und gar auf solche Bilder verzichtet, die als auf rassistischen Stereotypen fußend wahrgenommen werden könnten. Frisch ans Werk:,


Unsere Wege pflastern Leichen:

„Hottentotten“, Dauerbrenner

der Kolonialgeschichte. Spott aus, 

Spot an. Nocheinmal in neuem Lichte:


Im Waggon sind Nama-Männer,

die, versierte Dampflokkenner, ihre Parkbahnfahrt genießen.

Luppen-Nass verschießen


Schützenfische. Einer

trifft die „König Pilsener“,

deren Hülle, prompt durchlocht, 

flatuliert und Falten wirft.


Zügig sinkt das Luftschiff nieder. 

Selig singen leichte Lieder

in der Bahn die Afrikaner,

als ganz vorn die Eisenbahner


Gase schnuppern, Unheil wittern,

geistesgegenwärtig twittern:

„Obacht, es bahnt sich was an!“

Schlagartig ernüchtert, springt


der erste von den Namibianern

mutig unters Luftschiff, in die

Neue Luppe, winkt die anderen

herbei. Nur im Lendenschurze


trauen sich die Nama in den Brei, der 

aus Entengrütze, Pusteblumenflusen,

Zielwasser vom Schützenfisch,

last but not least Elastomer besteht.  


Ein Nama kann das nicht verknusen,

dissoziiert just, als mit lautem Platsch

die Köpi in die Luppe fällt. Das Bordlama namens Enrico spuckt vor 


Aufregung und wird geborgen. 

Sorgen macht man sich um einen, 

der von losen Landeleinen unter Wasser fest umschlungen. 


Mühsam wird er freigerungen, 

dabei vierstimmig gesungen. Luppenwasser in den Lungen, 

wird von Hand er ausgewrungen. 


Klappt, d.h. er überlebt, während Enrico spastisch zuckt. Dem Luftschiffkapitän sind beide Ohren bei dem Absturz abgefroren, abgesehen 


davon strahlt er, dankt den Rettern überschwänglich,

birgt aus der Kombüse tauchend eine Jumboflasche Eistee, Porree und Tapetenkleister.

Das Kaltgetränk wird rumgereicht, in der Luppe

eingeweicht der Kleister. In den Porree 

beisst der Käpt‘n, sagt „I am the best!“, dann macht mit Namahilfe er die Hülle wieder fest. 


Enrico frisst den Porreerest,

die Retter steigen in die Parkbahn ein, 

Luftschiff Köpi startet durch, und vom Lama bis zum Lurch, vom Auensee bis Halle, singen alle: „Schön ist es, auf der Welt...







Montag, 27. Mai 2019

Deutsche Flüsse (41): Mulde




Ja, so langsam lerne ich, meinen Langsamschwimmer-Vortrag einigermaßen gekonnt zu präsentieren. Als sehr positiv hat sich die Idee erwiesen, mit dem Rad auf die Bühne zu fahren, oder, wenn sich dies aufgrund bühnenbaulicher Gegebenheiten nicht anbietet, das Rad doch wenigstens auf der Bühne zu parken. Dieser Abstellplatz ist, so vermute ich, einigermaßen diebstahlsicher, und zudem rechtfertigt ein zum Requisit deklariertes Klapprad eine ansonsten erklärungsbedürftige Garderobe: Radschuhe für Clickpedale und Funktionsoberhemd. Dieser Kunstgriff minimiert mein Reisegepäck, was wiederum meinen Spass an der Live-Auftreterei maßgeblich mehrt. Gestern bei den Wühlmäusen war’s gut gefüllt, und als zweite echte Verbesserung erwies sich mein offensives Hervorheben des unzweifelhaft angeberischen Charakters meiner Ausführungen. Highlight des Tages war aber eher nicht das schöne Gastspiel in Berlin, sondern die fabelhafte Radtour am Morgen: Bei blendendem Wetter startete ich in Leipzig, fuhr auf nahezu autofreien Kleinstrassen durch Kornblumen, Klatschmohn, weite Horizonte zur Mulde, die ich bei Bad Düben überquerte. Kaum Menschen, dafür viele Wahlplakate, hauptsächlich von der NPD („Regional statt Global“, „Sachsenland im Widerstand“) und „Der dritte Weg“ („Multikulti tötet“) - Kein Wunder, dass die AfD hier triumphieren konnte, wirkt sie doch vor diesem Hintergrund als eher moderate Kraft. Wahlplakate anderer Parteien wurden offenbar nur in Einzelfällen aufgehängt - das scheint in nordsächsischen Dörfern nicht zu lohnen. Hinter Bad Düben gings in den Wald, der mir jedoch bald zu rumpelig wurde, woraufhin ich auf die Bundesstrasse 2 auswich. Flott Richtung Wittenberg, wo ich auf drei kernige Thüringische Triathleten meinen Alters stiess, die mich zu Selfis und Gedankenaustausch in ihren Windschatten nahmen. Angekommen in der Lutherstadt, suchte ich den gerade letzte Woche bei „Genial Daneben - das Quiz“ erwähnten Segensroboter „Bless U 2“, um mich maschinell segnen zu lassen, fand ihn jedoch weder bei der Exerzierhalle noch am Bahnhof. Und so bestieg ich denn ohne den automatisierten Beistand des lieben Gottes meinen Zug in die Teutonenmetropole. 

Dies war denn aber auch wirklich das allerallereinzigste Wermutströpfchen des Sonntags (fürs Wahlergebnis übernehme ich höchstens partiell die Verantwortung). 


Freitag, 24. Mai 2019

Deutsche Flüsse (40): Weißer Schöps



In Markersdorf bei Görlitz traf Maréchal Duroc eine Kanonenkugel. 

Napoleon ließ seinen treuen Gefährten in ein nahes Gehöft bringen, wo er tags darauf starb. An Ort und Stelle wurde anschließend ein Gedenkstein errichtet, für den Frankreich bis 1923 eine Pachtgebühr an den Bauern zahlte. Bis heute gilt das Denkmal als exterritoriales Gebiet Frankreichs. Wenn man also von der sächsischen Polizei gesucht wird, setze man sich auf diesen Stein, gegebenenfalls, bis Frankreich über ein Auslieferungsgesuch der deutschen Behörden befunden hat. 

Donnerstag, 23. Mai 2019

Deutsche Flüsse (39): Sieg



Eines Tages versiegte die Sieg.

Das Wasser machte rüber,

die Fische wurden umgeschult

auf Mechatroniker, Handelsfachpacker

oder irgendwas mit Medien.

Das Tausendblatt trat im Zirkus auf.

Die Tretboote kauten am Fußpedal.

Das offene Flussbett erkältete sich.

Die Siegburger kippten Beton drüber

und machten einen Parkplatz draus.

Forscher reisten zur Quelle und 

hörten sie mit Stethoskopen ab:

Kein Bumm-Bumm, nur zartes Rauschen.

Einer: „Der Fluss hält das Wasser an!“ 

Ein anderer: „Es liegt am 

hydrostatischen Druck!“

Der dritte meinte, es sei 

alles in Ordnung, und wenn nicht,

treffe den Menschen keine Schuld.

Einer rief gar „Sieg Heil!“ 

und behauptete am nächsten Tag, 

man habe ihn mit K.O.-Tropfen traktiert.

Eine Bürgerinitiative forderte

die Umbenennung der Sieg in „Reinfall“,

aber die Schaffhausener drohten mit Klage.

Dann wurde es ruhig um den Fluss.

Er geriet in Vergessenheit.

Transit Sieg Gloria Mundi.




Mittwoch, 22. Mai 2019

Deutsche Flüsse (38): Weser



Mit Spikereifen in den Kindergarten, obwohl schon lange die Kurze-Hosen-Sonne lachte. Wer sich besonders artig gab, durfte den schwarz gekleideten Nonnen beim Schlagen der Glocke zur Hand gehen. Anja hat‘s mehrfach geschafft, ich nie. Vielleicht, weil mir Singen peinlich war. Man nannte mich „Brummer“ - wenn die anderen sangen, durfte ich nebenan zeichnen. In den Pausen wurde Fangen gespielt, immer abwechselnd „Jungs die Mädchen“ und „Mädchen die Jungs“. Letzteres fand ich deutlich spannender. Einmal verbrachten wir einen Sonntag am Strand der Weserinsel Harriersand, mit Blick auf Brake und die majestätisch grüßenden Ozeanriesen. Nachmittags zog ein infernalisches Gewitter auf. Hastig rafften wir das Fernglas, die hartgekochten Eier und das Piz-Buin-Sonnenöl in Mamas Weidenkorb, um im Laufschritt die nächste Fähre zu erreichen. Meine Badehose war weiß mit braunem Muster, inspiriert von Victor Vasarelys Gemälde „Yapoura“ von 1954.

Binnen Minuten war alles dunkel, stürmisch und nass. Kaum legte die Fähre ab, verschwand die Insel wie hinter einem Wasserfall.

Ich habe sie nie wieder gesehen, geschweige denn betreten. 


Dienstag, 21. Mai 2019

Deutsche Flüsse (37): Rio de Santa Eulària



Es steht ein Haus 

am Riu Santa Eulària,

in dem ein Pistolero saß 

& auf dicke Hose machte,

scharf auf eine Russennichte.

Für „Verstehen sie Spass?“

drehten sie mit blauer Dose 

eine Lach-und-Sachgeschichte.


Puff!

Der Schützenpantomime schoss;

die Kugel galt dem Alten, Morschen,

traf ihn selbst und seinen forschen Boss.

Tu, Kurt Felix Austria, was nun?

Das Haus steht bei Airbnb,

durchgewischt mit Alkohol:

perfekt um gründlich auszuruhn.


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Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...

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