Weltrekordversuch. Start um halb acht in Holzkirchen. Ein blendend heller Tag. Dick liegt der Schnee, zartblö zeigt sich der Himmel, und Dunst lässt am Horizont die Grenze zwischen Flur und Firmament verschwimmen. Ich trage Gehrock und Zylinder, Teresa die merkwürdige Fellkappe, die ich aus Oldenburg mitgebracht habe. Unter anderem, klar.
Wir haken uns ein, vorschriftsmäßig wie im Lehrbuch für flanierende Paare, und verlassen Holzkirchen über die Thanner Straße, lassen Lochham links liegen und singen das erste Lied aus der „Winterreise“ von Franz Schubert. „Fremd bin ich ausgezogen, fremd ziehe ich wieder ein“. In Oberwarngau verpasse ich, zuständig für die Navigation, einen Abzweig, was die Gesangsstunde enden lässt - Navigieren und Singen, das ist für mich als Mann zuviel Multitasking. Den avisierten Pfad erreichen wir durch einen Privatgarten. Ich erschrecke, wie forsch meine Frau das Gartentor öffnet. Sie ist auch als Hausfriedensbrecherin begabt. Auf weißer Trittspur geht es Richtung Süden, die Luft ist klar, und ich fühle mich immer etwas schneller als meine Gattin, was zu einem gewissen Druckschmerz im Schultergelenk jenes Armes führt, in den sich meine Braut eingehängt hat. Wir wechseln daher regelmäßig die Seite, um Reizungen, Entzündungen oder gar Armabfall zu vermeiden.
Ein kleines Landsträsschen endet an der Bahnlinie der Bayerischen Oberlandbahn. Laut „Komoot“-App müssen wir nun einem Wanderweg parallel zur Bahnlinie folgen. Der ist allerdings tief eingeschneit, die weiße Pracht entelanisiert unseren Schritt. Weitermachen? Umkehren? Es lockt der Bahndamm - die Gleise sind geräumt, aber Teresa, die eben noch so nonchalant den Garten durchschritt, ängstigt sich, fürchtet, einem heran eilenden Zug nicht rechtzeitig ausweichen zu können. An einem verlassenen Traktor rasten wir und beratschlagen die weitere Wegführung. Ich plädiere für die Bahn und verspreche, sie rechtzeitig zu warnen, per Murmeltierpfiff.
Gespannt in den Wald hineinlauschend trotten wir am Gleiskörper entlang. Ein Fuchs quert in der Ferne, sonst passiert nichts, bis ich nach unendlich erscheinenden acht Minuten ein maschinelles Grollen erahne, woraufhin ich mich mit gellendem Pfiff den Bahndamm hinabstürze, gewandt wie Jackie Chan. Teresa klettert hinterher, ich feuere sie an, es geht immerhin um Leben und Tod. Da nähert sich auch schon der Zug; der Lokführer schaut leicht verdutzt, oder interpretieren wir zu viel in den eher leeren Lokführerblick?
Wir sammeln uns, klopfen den Schnee aus den Kleidern, lassen unseren Stunt Revue passieren. Dann wird eingehakt, und weiter geht’s nach Schaftlach. Auf einem Schild liest Teresa „Gmund 45 Minuten“ und frohlockt. So nah? Kann doch gar nicht sein. Vielleicht gibts hier zwei Gmunds?
Wir verlassen den Ort, stapfen an gut besuchten Loipen entlang. Ich betrachte das Treiben ohne Neid. Vorteil am Eingehakt-Spazierengehen ist, dass die Kleidung nicht so durchgeschwitzt wird, nachteilig ist jedoch, wie bereits erwähnt, die Belastung auf den Halteapparat der oberen Extremitäten. „Arm ab“ ist übertrieben, „Arm dran“ nach 15 km jedoch nicht. Als ein bissiger Hofhund uns angeht, zucke ich zusammen, was, eingehakt wie ich bin, fast eine Schulterluxation verursacht. Der blöde Köter trägt auch die Verantwortung dafür, dass ich zum zweiten Mal einen Abzweig übersehe. Verdattert, mit panisch gesträubten Nackenhaaren, ziehe ich meine (hundefreundliche) Frau geradeaus - ins temporäre Verderben. Naja, Verderben ist übertrieben. Zwei Kilometer extra auf stark befahrener Straße. Anschließend erneute Rast, auf Parkbank, mit Loipenblick. Wir essen Oatssnack Riegel, die sich bereits auf den Shetlandinseln bewährt haben, extra starkes Kraftfutter für Einhaksportler. Mittlerweile ist Mittag, die Sonne lacht, aber „Gmund 45 min“? Glatt gelogen, zumal, wenn der Höllenhund einen vom Weg abbellt.
Die nächste Stunde vergeht in Einhak-Trance, ich erinnere mich an wenig, Teresa auch nicht, der Filmriss endet in der Gaststätte „Jennerwein“, schon auf Gmunder Gemeindegebiet. Tolles Wirtshaus, denken wir, stilvoll, rustikal, mit altem Kachelofen, aber dann belehrt und ein ausgelegtes Faltblatt, dass der Laden einem Pfälzer Meisterkoch gehört, der hier seinen Traum eines „bayerischen Wirtshauses“ lebt. Darunter: Beste Kritiken von Ulli Hoeneß, Jupp Heynckes, Fritz Wepper et tutti quanti. Ja, das Tegernseer Tal ist eben doch nur ein Vorort von Hollywood, oder so ähnlich. Blutwurst und Wiener Schnitzel schmecken aber prima (wir essen extra fleischlastig, um die vom Einhakhalbmarathon belasteten Gelenke mit Keratin zu versorgen).
Zahlen und weiter. Aua. Teresas neue Schuhe scheinen doch nicht gar so gut zu passen, sie humpelt unrund. Da scheint etwas aufgescheuert zu sein. Immerhin schaffen wir es noch nebeneinander bis zum Tegernseeufer, und nach 23 km übergebe ich sie einem Taxifahrer, der sie zum Hotel nach Rottach-Egern fährt (Sohn Leander feiert heute seinen 20. Geburtstag und bat um sturmfreie Bude). Also kein Weltrekord, sondern nur persönliche Bestleistung im Eingehakt-Spazierengehen. Aber die Saison ist ja noch jung.
Alleine lege ich die die restlichen neun Kilometer am Seeufer zurück, weit ausschreitend, gewiss, einerseits befreit, aber andererseits allein. Mit meiner Frau wandern ist einfach besser. Ankunft am Hotel um fünf, nach knapp 33 km. Tagesfazit: Doppelsieg.
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