Freitag, 16. Juni 2017

Gute Nacht - die Show vorm Einschlafen

wurde erfolgreich magnetisiert und aufgezeichnet. Drei sehr unterschiedliche Folgen, und in allen lernte ich entscheidendes über das Schlafen. Jorge Gonzales, der gestern bei mir im Showbett lag, verwendet ein Buch als Einschlafhilfe, aus Kuba, jahrzehntealt. Er hat das Buch schon oft gelesen, kennt jede Zeile, und entschlummert bei der Lektüre zuverlässig und umgehend. Übrigens ist er diplomierter Nuklearökologe, knapp so alt wie ich, und zum Studium reiste er von Kuba in die Tschechoslowakei. Also Sowjetzeiten, Tschernobyl, damals, im kalten Krieg. Wir Veteranen. 

Auf dem Bild trage ich ein sogenanntes Gadget für unterwegs: Ein aufblasbares Reisekissen. Glaube ich. Man kann damit den Kopf auf einer Tischplatte ablegen - eine Schlafposition, die ich noch nie eingenommen habe.

Hier sieht man mich auf dem Weg zur Arbeit durch die Gänge des Thaliatheaters in Hamburg. Unten auf der Hauptbühne laufen "Die Weber" von Hauptmann. Waren die nicht manchmal ähnlich gekleidet wie ich? Trugen nicht bis vor kurzem überhaupt alle deutschen Michel Zipfelmütze? Wenigstens, wenn sie keine Pickelhauben trugen?


Nach 10 Tagen Reiserei und Lampenfieber freue ich mich auf ein paar Tage Rumlungern dahoam. Arbeit ist nichts für mich. Eigentlich habe ich für Arbeit auch gar keine Zeit. 

Mittwoch, 14. Juni 2017

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Im Hotelkellerpool ist das Wasser warm wie Kamillentee, dabei deutlich stärker chloriert. Die Temperatur drückt aufs Tempo; um Schwitzattacken und Kreislaufzusammenbrüche zu vermeiden, bewege ich mich in Zeitlupe von Beckenwand zu Beckenwand. Auf Rollwenden verzichte ich, sie erscheinen mir zu anstrengend, zumal der Pool nur 20 Meter misst und ich eh einen Großteil meines "Trainings" mit Abstoßen & Gleiten beschäftigt bin. Abstoßen & Gleiten: Guter Titel für eine Fachzeitschrift; erinnert an "Abschleppen und Bergen", deren Chefredakteur ich einst in Kanada kennenlernte (arbeitet heute bei "Die Gummibereifung").

Schlappert zähle ich die Bahnen, wechsele lustlos zwischen Brust und Kraul. Mit jeder Bahn, so stelle ich mir vor, dringe ich tiefer in die Erdkruste ein. Jules-Verne-Weh. 

Vorteil dieses Gewässers: Wenig los. Neben mir ist nur ein Mädchen unterwegs, prä-Backfisch, also quasi Fisch, ungegart. Wird sich aber schnell ändern in der Brühe. Als wir uns dem Erdkern nähern, droht sie zum Kochfisch zu werden und steigt aus. 

100 Bahnen sind 2 km, ich komme auf 106, dann wird mir die Magma-Masse zu heiss; ich bekomme kalte Füße und werfe das Handtuch, wie man im Boxsport zu sagen pflegt. D'accord, im Schwimmsport wirft man's nicht, man holt es sich und rubbelt. 

Den Rest des Tages werde ich von Hitzewallungen ereilt. Ungünstig, zumal ich im "Nachtasyl" im Thalia-Theater schaffe, und zwar "Gute Nacht - die Show vorm Einschlafen " für den NDR. Und über Mangel an Wärme kann man sich auch an diesem Drehort nicht beklagen. 🥝 macht auch mit und Wolfgang Trepper, sowie Prof. Till Roenneberger, Koryphäe der Chronobiologie und Erfinder des Begriffs "Sozialer Jetlag". Schöne Sendung. 


Dienstag, 13. Juni 2017

I ❤️ Kreissäge

Es passiert mir selten, dass ich mich verzugsfrei in ein Kleidungsstück verschieße. Im Alsterhaus passierte mir just dies. Ich schlenderte durch die Herrenabteilung, und schon aus 100 m Entfernung entdeckte ich den Hut meines Vertrauens: Eine besonders schwere Kreissäge in bürgerlicher Qualität. Das Beste aus den Welten von Birgit Breuel und Buster Keaton in einem Kopfschmuck quasi. Ich beschleunigte, näherte mich, setzte Deckel auf Eimer und konnte sogleich einen außergewöhnlichen Sitz attestieren: 1% zu groß - so lautet bekanntlich unter uns Kreissägern die Faustregel, nach welcher der vegetabile Hut auszuwählen ist, um Druckstellen am Döz zu vermeiden. Ich zahlte moderate 69 €, und seither habe ich die Strohkrone nur zum Nachtschlaf abgesetzt. Durch seine mehrlagige Verarbeitung wiegt die Stabil-Mütze gefühlte zwei Kilo, was zu einem besonders aufrechten, bewussten Gang führt. Auch beim Barfuß-Laufen könnte mir der Hut möglicherweise behilflich sein, nämlich, um mich "angezogener" aussehen zu lassen und so den einen oder anderen abschätzigen Blick zu unterbinden. Bei Sturm könnte allerdings eine Lage Teppichklebeband vonnöten sein, um Hutflug zu verhindern. 

Montag, 12. Juni 2017

Unsere erste Tandem-Tour

Ganz kurz entschlossen. Wir legen zwanzig Euro auf den Tisch des Fahrradverleihs beim Chilehaus und dürfen dafür vier Stunden ausfahren. "Wer sitzt vorne?" fragt der Verkäufer, und ich hebe selbstbewusst den Finger. Pi x Daumen passt er die Sattelhöhen an, dann werfen wir unseren Kram ins Körbchen und legen los. Uaa, ist das aufregend. Schon das Aufsteigen fällt mir schwer. Wenn die Freundin hinten sitzt, und ich schwinge meine Beine hinterwärts übern Gepäcker, landen diese in ihrem Gesicht. Also besser vorne übers Oberrohr führen. Und dann los, wackel-wackel. Da die Geradeausfahrt besser klappt als das Kurvisieren, rollen wir zunächst die Elbchaussee hinunter bis nach Teufelsbrück. Die Ballonreifen des Gefährts ermöglichen in Kombination mit den Traktorensätteln ein sattes, schweres, süffiges Sausen. Kleinere Schlaglöcher bleiben völlig unbemerkt. Gut, bergauf ist die Sache nicht leichter als mit einem Einpersonenvelo, aber das mag auch mit ungleich verteilter Wattpower zusammenhängen. Mag. Mich stört die Tatsache, heute fester treten zu dürfen, keineswegs - das erhöht den Trainingsreiz, außerdem kann man durchs eifrige Pedalieren seine Ritterlichkeit belegen. 

Das Wetter ist sommerlich, und ab Teufelsbrück ist der Elbuferweg voll. Jetzt ist Geschicklichkeit gefragt. Ich klingele ungern, das widerspricht meinem Naturell, darum heißt es umsichtig Lücken erspähen und hindurch huschen. Huschen? Alle abrupten Antritte verlangen Teamkoordination, und das klappt wohl am besten per Zuruf. "Und los!" Nebeneffekt des Kommandos: Es ersetzt das Klingeling. 

Wer hinten sitzt, hat ansonsten ein feines Leben, darf sich am Anblick der Elbe ergötzen, Zerstreuung in Tagträumereien finden und sogar Duo-Schaufenster-Selfis knipsen:


Wir radeln bis zum Leuchtturm in Wittenbergen, dann kehren wir um, ein in Blankenese und geben das Gefährt nach dreieinhalb Stunden wieder beim Verleiher ab. Nach kurzer Siesta besuche ich "Inas Nacht" (bin in einer Sendung mit Joey Kelly), und in der Zeit zwischen Musikprobe und Sendung studiere ich die Tandemme bei eBay. Am schnuckeligsten finde ich ein picnik- Klapptandem aus den 70ern. Sieht gut aus, taugt aber wahrscheinlich eher für Kurzfahrten. Weitersuchen. Tagesfazit: Da könnte sich ein interessantes neues Feld auftun. 

36 km Tageskilometer. 

Sonntag, 11. Juni 2017

Frieda, das Faultier

Frieda hangelt träge an einem Klettergerüst und beäugt mäßig interessiert die Anwesenden. Die äugen deutlich interessierter zurück. Ich bin im Studio Hamburg, beim "Quiz der wilden Supertiere" mit Jörg Pilawa. Vom Hauptbahnhof kommend bin ich barfuß 10 km die Wandsbeker Chausee hinunter getrabt und habe mir nach Ankunft ein frisches Hemd angezogen. In meiner Dispo lese ich zudem, dass ich keine kurze Hose tragen darf. Eine Erklärung kann (oder mag) mir niemand geben. Ob's mit irgendeinem Tier zusammenhängt, auf das ich in der Show stoßen könnte? Oder wünscht man, dass ich "seriöser" rüberkomme? Altersgemäßer? Ich bin ja der begeistertste Kurzhosenträger, den ich kenne; im Sommer sind mir lange Hosen ganz einfach lästig. Bodenlange Beinkleider fühlen sich an, als fasse mir jemand mit besonders schlabbrigem Griff unablässig an die Waden. Dennoch füge ich mich artig, schaffe es korrekt bekleidet bis ins Finale, um dort kläglich zu versagen. Egal, ist ja nur Fernsehen. 

Anschließend ziehe ich mich ruckzuck wieder aus und laufe zurück. Versuchsweise nutze ich den Wanderweg an der Wandse, der jedoch recht pieksig ist. Unwillkürlich weiche ich auf die frisch gemähten Rasenflächen aus. Das fühlt sich zwar wunderbar weich an, birgt aber auch gewisse Gefahren. Welche, erfahre ich auf einem schmalen Wegrain, nach einer halben Stunde Jogging: Es macht plötzlich "Quitsch", unterm Fuß erspüre ich punktuell eine besonders flexible, schmiegsame Substanz. Nein, Softeis ist es nicht, was sich da zwischen meinen Zehen aufwärts zwängt. Jedenfalls kenne ich keine Softeis-Sorte in dieser Farbe. Hazelnut-Choc? Ganz theoretisch denkbar. Ich spare mir eingehende Tests, wische die Mauke, so gut es geht, an der Vegetation ab, um anschließend wieder auf die Wandsbeker Chausee zu wechseln. Da weiß man, was man hat. Und sieht, was kommt. Immerhin passt der Vorfall zum Auftritt bei den "wilden Supertieren". Frieda, ich hab Dich lieb! 

Samstag, 10. Juni 2017

Graf Dracula an der Leine

'Hannover ist noch doofer" pflegten wir Bremer Zivis in den 80ern zu sagen. Papperlapapp. Ich freue mich immer, wenn ich aus dem Hauptbahnhof hinaus trete; mein erster Weg führt hinüber zum singenden Gully, einer der coolsten Sehenswürdigkeiten, die ich kenne, und zwar weltweit. Kaum 100m entfernt befindet sich das Hotel Mussmann. Statt Zimmernummern hat dorten jedes Zimmer einen Namen, der mit Hannover in Zusammenhang steht: Eilenriede, Schiller, Maschsee etc. Auch die Etagen sind nicht numeriert, sondern heißen Herrenhausen, Innenstadt usw. Der Erklärbedarf an der Rezeption ist enorm, aber auf Nachfrage versichert das Personal, das System habe sich bewährt. "So kommen wir mit unseren Gästen ins Gespräch!" 

Ein ähnliches Konzept ist in der Hirnforschung schon seit längerem bekannt: Beim Auswendiglernen ist es hilfreich, jeder Zahl einen Gegenstand, einen Ort zuzuordnen, so dass man sich quasi eine Geschichte merkt. Meine Telefonnummer etwa lautet: "Ein Rosettenmeerschwein flog, nur mit einem Zylinderhut bekleidet, im Mistral nach Antwerpen, um im dortigen Hauptpostamt Disko-Fox zu tanzen" (Leider weiß ich nicht mehr, welchem Wort ich welche Zahl zugeordnet habe, aber das ist nicht schlimm. Ich habe nur selten das Bedürfnis, mich anzurufen)

Hannover, die Stadt der Ursonate, habe ich in den letzten Jahren schätzen gelernt. Und der Eisbrecher war Ernst-August, der Prügelpipiprinz. Den fand ich angenehm entfesselt. Brutalistischer Adel, waschbetonköpfig wie das Pflaster am singenden Gullydeckel - So'ne Art Graf Dracula an der Leine.

Meine "Im Zelt"-Lesungen sind derzeit von hartnäckiger Heiserkeit geprägt. Eine Kehlkopfentzündung, so erfahre ich, kann sich über sechs Monate erstrecken - wenn man sie nicht richtig ausheilt. In Hildesheim verwies ich noch auf einen Virus als Erklärung, gestern in Hannover behauptete ich, beim Wildeshauser Gildefest eine Woche durchgefeiert zu haben. Für Schützenfest-Schäden haben gerade Hannoveraner mehr Verständnis als für schnöde Schüpfeleien. 

Die Buchhandlung, in der ich lese, befindet sich gegenüber vom alten Rathaus, und während ich auf meinen Auftritt warte, fotografiere ich dessen Dach, das mich, auf den Kopf gestellt, an ein Dracula-Gebiss erinnert.



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