Montag, 19. Februar 2018

Damals, auf der Reise nach Gambia

...wurden unsere Klappräder beim Umsteigen in Brüssel nicht umgeladen, und Stefan und ich standen ohne fahrbare Untersätze im schönen Gambia. Eigentlich hatten wir vor, von Banjul nach Dakar im Senegal zu radeln. Nun mussten wir umdisponieren. Erstmal gingen wir zu den ansonsten eher etwas nervigen Herren vorm Hotel, die weißen Touristen normalerweise mit der Brechstange etwas anzudrehen versuchen: Perlenketten, Drogen oder Sex. Jetzt waren wir es, die den Spieß umdrehten: „Wir brauchen zwei Leihfahrräder und kommen in einer Stunde wieder“. Als wir zurückkehrten, wartete eine Armada von uralten Drahteseln darauf, begutachtet zu werden. Wir entschieden uns für zwei betagte MTBs und verhandelten selbstbewusst über die Preise. Vorher hatten wir uns abgestimmt: Ich sollte der Nette, Stefan der Harte sein. Nach jedem Preisvorschlag der Radverleiher begannen Stefan und ich einen ausführlichen Scheinstreit. Nach außen wirkten wir uneinig, in Wirklichkeit spielten wir Bauerntheater, und unsere gambischen Handelspartner hörten mit großen Augen zu. 


Einige der uns angebotenen Räder hatten übrigens Platten. Die Gambier wussten nicht, wie man in einem solchen Fall verfährt. Als Stefan sein Flickzeug aus der Tasche nahm und dessen Anwendung demonstrierte, bildete sich im Nu eine beträchtliche Menschentraube und schaute staunend zu. Vor allem das Anrauen des Schlauches mithilfe des Schmirgelpapiers sorgte für großes Hallo. Früher, lange vor unserer Ankunft, müssen die Räder in der Obhut kundigerer Besitzer gewesen sein, denn die Schläuche waren bereits Dutzende Male geflickt. Offenbar ist das Flickwissen auch in Westafrika auf dem Rückzug. Nach Dakar trauten wir uns mit unseren Rädern dennoch nicht; wir rollten auf ihnen zwischen Banjul, Serekunda und unserem Hotel hin und her, vorbei an brennenden Müllhalden, exklusiven Zahnkliniken und riesigen Märkten, auf denen grundsätzlich viersprachig verhandelt wurde: Englisch, Französisch, Woloff und Mandike. Da wir privat eingeladen waren, bei einer Familie in Serekunda (der wir 80€ von einer Verwanden aus Köln überbringen sollten), trat das Fahrradfahren bald in den Hintergrund - die Teilnahme am Alltagsleben der netten Gastgeber war einfach spannender. Jetzt, da es so viele Gambier als Asylantragsteller nach Deutschland geschafft haben, kann ich nur ganz ernsthaft raten, Kontakte zu knüpfen, um sich in dieses kleine, bunte Land privat einladen zu lassen. Eine einzige Woche wirkt lehrreich und belebend (wenn man sich keine Malaria einfängt). An wenigen Orten weltweit ist das Durchschnittseinkommen mickriger, aber das Savoir-vivre vieler Gambier betört, zB durch die umwerfende Farbenpracht der Gewänder oder die Raffinesse der Frisuren. Und geht zu einem Konzert! Ich sah dort das irrste Konzert meines Lebens. Fünf Trommler und ein Sänger, eine Glühbirne, 2000 Leute im Publikum, jeweils eine Frau aus dem Publikum tanzt (1 min, dann darf die nächste), keiner klatscht, außer zwei dumme Fahrradfreaks aus Europa, und so ging’s die ganze Nacht. 

Ist jetzt auch schon wieder gute 10 Jahre her. Dachte ich heute dran, beim Laufen. 32 km im Winterwunderland, ohne nervige Händler, ohne Malariaprophylaxe und ganz schlicht zu Fuß. 


2 Kommentare:

  1. Puh, was für ein harter Schnitt! Aus der Wärme Gambias mit seinen Farben, der Musik, der Lebensfreude hineinkatapultiert in einen kalten Schwarz-Weiß-Film mit Schnee!
    Daraufhin brauch ich erst mal einen heißen Tee!

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