Gestern besuchte ich den MDR in Leipzig, und bei dieser Gelegenheit erinnerte ich mich an meinen ersten DDR-Besuch, 1986, mit KIXX bei den Leipziger Jazztagen. Wir kamen in der Dunkelheit per Bandauto an und wurden von einem ansässigen Schiebermützen&Schnauzbartträger vom Parkplatz zur Veranstaltungshalle begleitet, in der wir am nächsten Tag auftreten sollten. Während des kurzen Spazierganges erläuterte er die unterirdische Flussbettung der Pleiße (?), und ich vermerkte milde geschockt, dass hierzulande deutsch gesprochen wurde, gerade so wie daheim in der BRD. Klingt komisch, ja, aber in diesen letzten Jahren der deutschen Teilung nahm man als nordwestdeutscher Teenager die Existenz der DDR nur selten wahr, wenigstens, wenn man keine Ost-Verwandtschaft besaß. Alle vier Jahre standen medaillenverzierte Athleten in hellblauen Trainingsanzügen auf den olympischen Podesten, und es erklang die Becher-Hymne, zwischendurch fuhren Udo und FJS zu Honni und brachten Lederjacke bzw. Milliardenkredite - das war's dann auch schon.
Den Abend verbrachten wir in der Moritz-Bastei, feucht-fröhlich im Kreise spontan geschlossener Freundschaften mit jungen Musikfreunden. Man kannte uns vom Hörensagen, und auch die eine oder andere LP hatte irgendwie den Weg ostwärts gefunden. Unser Manager, Ulli Blobel, war kurz zuvor von Ost-Berlin in den Westen ausgereist, wohnte nun im Freejazz-Mekka Wuppertal, verfügte aber weiterhin über alle notwendigen Kontakte zum Kulturbüro der DDR. Dies hatte unseren Festivalauftritt ermöglicht.
Die Gespräche in der Moritz-Bastei waren samt und sonders politisch, aber auf eine vorsichtig-verschämte Art; viele meiner Zuproster hatten als Bausoldaten gedient (also den Wehrdienst verweigert), andere berichteten von permanentem Ärger mit der Stasi, und zu später Stunde wurde auf die Verlegung der Grenze angestoßen, die, so deklamierten wir lallend, nicht mehr Ost und West, sondern Nord und Süd teilen sollte (war wohl so eine Art Übersprungsforderung - zu mehr reichte unser Mumm nicht. Naja; hätte allerdings auch ernsthaft unerfreulich enden können).
Als wir am nächsten Tag in der Halle spielten, war diese rappelvoll, die Neugier riesig, zum einen auf Freejazz, speziell, wenn dieser mit Rock- und Punkelementen verknüpft war, noch spezieller, wenn die Musiker aus dem Westen kamen. An unserem Schlagzeug saß Jim Meneses, Gitarre, Trompete und Gesang steuerte Lars Rudolph bei, Bass und Bontempi bediente Willy Hart, und ich hantierte mit Casio-Keyboard, Schallplattenspieler, Altsaxophon und Gesang. Wir waren ganz schön laut, infernalischer Krach unsere Spezialität.
Auch im "Klub der Nationalen Front" spielten wir bei dieser Gelegenheit, im "Nato", den es, so meine ich zu wissen, immer noch gibt. Das Konzert fand morgens statt, und wieder knüpften wir viele Freundschaften, etwa mit der New-Wave-Duo "HerTZ". In meinem Erinnerungsalbum finde ich soeben ein wunderbares Bandfoto von HerTZ:
Mit dem Schlagzeuger verband mich anschließend eine Brieffreundschaft; unter anderem versorgte ich ihn mit Trommelfellen, die in der DDR nur schwer zu ergattern waren, zumal, wenn man abseits der offiziellen Bühnen musizierte.
An diesen ersten Besuch in Leipzig schloss sich im darauffolgenden Jahr eine ausgewachsene DDR-Tournee an. Aber das ist eine andere Geschichte, nämlich das größte Abenteuer meiner jungen Jahre. Könnte man mal zu einem irrwitzigen, dicken Roman verarbeiten.