Sonntag, 18. Juni 2017

SUP statt SUV

Klingt wie einer dieser sogenannten Sponti-Sprüche, die früher von sogenannten Freaks an Klotüren geeddingt wurden und in Taschenbüchern gesammelt den Eichborn-Verlag groß und stark gemacht haben (später erfuhr ich, dass die allermeisten dieser Sprüche von Jacky Dreksler erfunden wurden, dem hochverehrten Produzenten von "RTL-Samstag Nacht"). Worauf ich eigentlich hinaus will? Gestern war ich am wunderschönen Wörthsee und bestieg erstmals ein, tja, wie sagt man eigentlich? Ein SUP ist ja nur die Abkürzung des Infinitivs der Tätigkeit, also des Stehauf-Paddelns, während das diesem zugrundeliegende Brett eben lediglich Brett heißt, oder anglizistisch "Board"; man ist "on board", und wenn man dort bleibt, ist alles SUPi, was mir im ersten Anlauf gelang: Ich ging kein einziges Mal von Board, bin ein echtes Stehaufmännchen. Was heißt "SUV"? Special Utility Vehikel, stimmt's? Ein niedersächsischer Spitzenpolitiker wollte mir mal ein solches andrehen, für umme. "Mit'm Touareq kann man sogar Treppen befahren!" Ich antwortete perplex, dass ich nur selten auf Treppen unterwegs sei, auf der A96 gäbe es gar keine, und später erfuhr ich, dass es unter niedersächsischen Regierungsmitgliedern durchaus üblich sei, Kraftfahrzeuge zu verteilen - das läge in der Macht eines jeden VW-Aufsichtsrates, der man als Staatsmann von der Leine eben sei. Wer weiß, ob ich nicht schwach geworden wäre, hätte der Potentat mir ein Board angeboten? Nach dem gestrigen Test kann ich sagen: Während ich SUVs nebst Fahrer von Herzen belächele, finde ich SUPis gar nicht so schlecht. Könnte mir glatt vorstellen, damit eines Tages den Bodensee zu durchqueren. Oder die Leine, längs. Oder den Pazifik. Und sollte ich eines Tages VW-Aufsichtsrat werden, werde ich mich für eine Produktionsumstellung einsetzen: Drahtesel statt Diesel, Muckis statt Motoren, SUP statt SUV. Geschenkt. 

Samstag, 17. Juni 2017

Der Auftrag lautet: Das Vertrauen darf nicht enttäuscht werden.

Kohl. Als er Kanzler wurde, war ich fünfzehn, hätte mich selber eher "links" genannt und stimmte sogleich ein in den Chor derer, die sich für schlauer hielten und Kohl für einen biederen Einfaltspinsel. Es war die Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, die Schülerschaft der Cäcilienschule ging geschlossen zur Demo, mit Ok der Schulleitung, und die wenigsten durchdachten wenigstens einmal ernsthaft die Argumente der Gegenseite. Genscher galt folglich als Verräter, die "geistig-moralische Wende" als Irrweg, Verheugen als Held. 

In den weiteren 80ern kümmerte ich mich immer weniger um Politik, bis zur großen DDR-Tournee 1987. Dort waren wir Westler gezwungen, über die Grundlagen nachzudenken. Was ist eine Demokratie, welche Folgen hat die Diktatur? Auf welcher Seite stehst Du? Umringt von Stasi rund um die Uhr wurde ich zum überzeugten Anhänger der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung", und alles, was passierte, nachdem Ungarn im Sommer 89 den Grenzzaun öffnete, erfüllte mich mit prickelndem Glücksgefühl. Kohl schuf in dieser Phase sein Meisterstück, indem er die deutsche mit der europäischen Einheit kombinierte. Besser als Bismarck, viel besser. Kohl ist wahrscheinlich der größte deutsche Politiker überhaupt, und es fühlt sich nicht einmal seltsam an, dies so zu sagen. 

Was Europa angeht, wird er mich auch weiterhin inspirieren. Er gehörte zu jenen, die Schlagbäume zersägten, oder die er mit seinem Gewicht zerbrach, einfach durch Draufsetzen, buchstäblich, als Jugendlicher, und zwar ohne Zustimmung der Schulleitung. Er hat für seine Überzeugung mehr in die Waagschale gelegt als ich bislang. Aber ich kann ja aufholen; es ist noch Zeit. 

Ich persönlich habe durch Kohl aber auch gelernt, wie falsch es sein kann, einen Menschen nach seinem ersten Eindruck zu beurteilen, nach seiner vermeintlich provinziellen Redeweise. 

Vorletztes Jahr bin ich in Landau aufgetreten, in der Pfalz, und ich habe mir im Lokal einen Pfälzer Saumagen bestellt. Nichts spektakuläres, schmeckt wie Bratwurst. Ein "ehrliches", unprätentiöses Essen. Ich stellte mir vor, wie Mitterand das Mahl gemundet haben mag. Dessen Zustimmung zur deutschen Einheit gab es nicht umsonst. Sie kostete quasi einen Euro. Sein Vertrauen musste erkämpft werden, und Kohl hat's geschafft. 

Der Auftrag an uns lautet: Das Vertrauen darf nicht wieder enttäuscht werden, weder bei Franzosen, noch bei anderen Europäern, nicht bei den Russen, und auch nicht bei den Amerikanern.

Danke. 

Freitag, 16. Juni 2017

Gute Nacht - die Show vorm Einschlafen

wurde erfolgreich magnetisiert und aufgezeichnet. Drei sehr unterschiedliche Folgen, und in allen lernte ich entscheidendes über das Schlafen. Jorge Gonzales, der gestern bei mir im Showbett lag, verwendet ein Buch als Einschlafhilfe, aus Kuba, jahrzehntealt. Er hat das Buch schon oft gelesen, kennt jede Zeile, und entschlummert bei der Lektüre zuverlässig und umgehend. Übrigens ist er diplomierter Nuklearökologe, knapp so alt wie ich, und zum Studium reiste er von Kuba in die Tschechoslowakei. Also Sowjetzeiten, Tschernobyl, damals, im kalten Krieg. Wir Veteranen. 

Auf dem Bild trage ich ein sogenanntes Gadget für unterwegs: Ein aufblasbares Reisekissen. Glaube ich. Man kann damit den Kopf auf einer Tischplatte ablegen - eine Schlafposition, die ich noch nie eingenommen habe.

Hier sieht man mich auf dem Weg zur Arbeit durch die Gänge des Thaliatheaters in Hamburg. Unten auf der Hauptbühne laufen "Die Weber" von Hauptmann. Waren die nicht manchmal ähnlich gekleidet wie ich? Trugen nicht bis vor kurzem überhaupt alle deutschen Michel Zipfelmütze? Wenigstens, wenn sie keine Pickelhauben trugen?


Nach 10 Tagen Reiserei und Lampenfieber freue ich mich auf ein paar Tage Rumlungern dahoam. Arbeit ist nichts für mich. Eigentlich habe ich für Arbeit auch gar keine Zeit. 

Mittwoch, 14. Juni 2017

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Im Hotelkellerpool ist das Wasser warm wie Kamillentee, dabei deutlich stärker chloriert. Die Temperatur drückt aufs Tempo; um Schwitzattacken und Kreislaufzusammenbrüche zu vermeiden, bewege ich mich in Zeitlupe von Beckenwand zu Beckenwand. Auf Rollwenden verzichte ich, sie erscheinen mir zu anstrengend, zumal der Pool nur 20 Meter misst und ich eh einen Großteil meines "Trainings" mit Abstoßen & Gleiten beschäftigt bin. Abstoßen & Gleiten: Guter Titel für eine Fachzeitschrift; erinnert an "Abschleppen und Bergen", deren Chefredakteur ich einst in Kanada kennenlernte (arbeitet heute bei "Die Gummibereifung").

Schlappert zähle ich die Bahnen, wechsele lustlos zwischen Brust und Kraul. Mit jeder Bahn, so stelle ich mir vor, dringe ich tiefer in die Erdkruste ein. Jules-Verne-Weh. 

Vorteil dieses Gewässers: Wenig los. Neben mir ist nur ein Mädchen unterwegs, prä-Backfisch, also quasi Fisch, ungegart. Wird sich aber schnell ändern in der Brühe. Als wir uns dem Erdkern nähern, droht sie zum Kochfisch zu werden und steigt aus. 

100 Bahnen sind 2 km, ich komme auf 106, dann wird mir die Magma-Masse zu heiss; ich bekomme kalte Füße und werfe das Handtuch, wie man im Boxsport zu sagen pflegt. D'accord, im Schwimmsport wirft man's nicht, man holt es sich und rubbelt. 

Den Rest des Tages werde ich von Hitzewallungen ereilt. Ungünstig, zumal ich im "Nachtasyl" im Thalia-Theater schaffe, und zwar "Gute Nacht - die Show vorm Einschlafen " für den NDR. Und über Mangel an Wärme kann man sich auch an diesem Drehort nicht beklagen. 🥝 macht auch mit und Wolfgang Trepper, sowie Prof. Till Roenneberger, Koryphäe der Chronobiologie und Erfinder des Begriffs "Sozialer Jetlag". Schöne Sendung. 


Dienstag, 13. Juni 2017

I ❤️ Kreissäge

Es passiert mir selten, dass ich mich verzugsfrei in ein Kleidungsstück verschieße. Im Alsterhaus passierte mir just dies. Ich schlenderte durch die Herrenabteilung, und schon aus 100 m Entfernung entdeckte ich den Hut meines Vertrauens: Eine besonders schwere Kreissäge in bürgerlicher Qualität. Das Beste aus den Welten von Birgit Breuel und Buster Keaton in einem Kopfschmuck quasi. Ich beschleunigte, näherte mich, setzte Deckel auf Eimer und konnte sogleich einen außergewöhnlichen Sitz attestieren: 1% zu groß - so lautet bekanntlich unter uns Kreissägern die Faustregel, nach welcher der vegetabile Hut auszuwählen ist, um Druckstellen am Döz zu vermeiden. Ich zahlte moderate 69 €, und seither habe ich die Strohkrone nur zum Nachtschlaf abgesetzt. Durch seine mehrlagige Verarbeitung wiegt die Stabil-Mütze gefühlte zwei Kilo, was zu einem besonders aufrechten, bewussten Gang führt. Auch beim Barfuß-Laufen könnte mir der Hut möglicherweise behilflich sein, nämlich, um mich "angezogener" aussehen zu lassen und so den einen oder anderen abschätzigen Blick zu unterbinden. Bei Sturm könnte allerdings eine Lage Teppichklebeband vonnöten sein, um Hutflug zu verhindern. 

Montag, 12. Juni 2017

Unsere erste Tandem-Tour

Ganz kurz entschlossen. Wir legen zwanzig Euro auf den Tisch des Fahrradverleihs beim Chilehaus und dürfen dafür vier Stunden ausfahren. "Wer sitzt vorne?" fragt der Verkäufer, und ich hebe selbstbewusst den Finger. Pi x Daumen passt er die Sattelhöhen an, dann werfen wir unseren Kram ins Körbchen und legen los. Uaa, ist das aufregend. Schon das Aufsteigen fällt mir schwer. Wenn die Freundin hinten sitzt, und ich schwinge meine Beine hinterwärts übern Gepäcker, landen diese in ihrem Gesicht. Also besser vorne übers Oberrohr führen. Und dann los, wackel-wackel. Da die Geradeausfahrt besser klappt als das Kurvisieren, rollen wir zunächst die Elbchaussee hinunter bis nach Teufelsbrück. Die Ballonreifen des Gefährts ermöglichen in Kombination mit den Traktorensätteln ein sattes, schweres, süffiges Sausen. Kleinere Schlaglöcher bleiben völlig unbemerkt. Gut, bergauf ist die Sache nicht leichter als mit einem Einpersonenvelo, aber das mag auch mit ungleich verteilter Wattpower zusammenhängen. Mag. Mich stört die Tatsache, heute fester treten zu dürfen, keineswegs - das erhöht den Trainingsreiz, außerdem kann man durchs eifrige Pedalieren seine Ritterlichkeit belegen. 

Das Wetter ist sommerlich, und ab Teufelsbrück ist der Elbuferweg voll. Jetzt ist Geschicklichkeit gefragt. Ich klingele ungern, das widerspricht meinem Naturell, darum heißt es umsichtig Lücken erspähen und hindurch huschen. Huschen? Alle abrupten Antritte verlangen Teamkoordination, und das klappt wohl am besten per Zuruf. "Und los!" Nebeneffekt des Kommandos: Es ersetzt das Klingeling. 

Wer hinten sitzt, hat ansonsten ein feines Leben, darf sich am Anblick der Elbe ergötzen, Zerstreuung in Tagträumereien finden und sogar Duo-Schaufenster-Selfis knipsen:


Wir radeln bis zum Leuchtturm in Wittenbergen, dann kehren wir um, ein in Blankenese und geben das Gefährt nach dreieinhalb Stunden wieder beim Verleiher ab. Nach kurzer Siesta besuche ich "Inas Nacht" (bin in einer Sendung mit Joey Kelly), und in der Zeit zwischen Musikprobe und Sendung studiere ich die Tandemme bei eBay. Am schnuckeligsten finde ich ein picnik- Klapptandem aus den 70ern. Sieht gut aus, taugt aber wahrscheinlich eher für Kurzfahrten. Weitersuchen. Tagesfazit: Da könnte sich ein interessantes neues Feld auftun. 

36 km Tageskilometer. 

The biggest Arztroman ever

Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...

Beliebte Beiträge