Sonntag, 4. März 2018

Doppelsieg im Eingehakt-Spazierengehen.


Weltrekordversuch. Start um halb acht in Holzkirchen. Ein blendend heller Tag. Dick liegt der Schnee, zartblö zeigt sich der Himmel, und Dunst lässt am Horizont die Grenze zwischen Flur und Firmament verschwimmen. Ich trage Gehrock und Zylinder, Teresa die merkwürdige Fellkappe, die ich aus Oldenburg mitgebracht habe. Unter anderem, klar. 

Wir haken uns ein, vorschriftsmäßig wie im Lehrbuch für flanierende Paare, und verlassen Holzkirchen über die Thanner Straße, lassen Lochham links liegen und singen das erste Lied aus der „Winterreise“ von Franz Schubert. „Fremd bin ich ausgezogen, fremd ziehe ich wieder ein“. In Oberwarngau verpasse ich, zuständig für die Navigation, einen Abzweig, was die Gesangsstunde enden lässt - Navigieren und Singen, das ist für mich als Mann zuviel Multitasking. Den avisierten Pfad erreichen wir durch einen Privatgarten. Ich erschrecke, wie forsch meine Frau das Gartentor öffnet. Sie ist auch als Hausfriedensbrecherin begabt. Auf weißer Trittspur geht es Richtung Süden, die Luft ist klar, und ich fühle mich immer etwas schneller als meine Gattin, was zu einem gewissen Druckschmerz im Schultergelenk jenes Armes führt, in den sich meine Braut eingehängt hat. Wir wechseln daher regelmäßig die Seite, um Reizungen, Entzündungen oder gar Armabfall zu vermeiden. 

Ein kleines Landsträsschen endet an der Bahnlinie der Bayerischen Oberlandbahn. Laut „Komoot“-App müssen wir nun einem Wanderweg parallel zur Bahnlinie folgen. Der ist allerdings tief eingeschneit, die weiße Pracht entelanisiert unseren Schritt. Weitermachen? Umkehren? Es lockt der Bahndamm - die Gleise sind geräumt, aber Teresa, die eben noch so nonchalant den Garten durchschritt, ängstigt sich, fürchtet, einem heran eilenden Zug nicht rechtzeitig ausweichen zu können. An einem verlassenen Traktor rasten wir und beratschlagen die weitere Wegführung. Ich plädiere für die Bahn und verspreche, sie rechtzeitig zu warnen, per Murmeltierpfiff.


Gespannt in den Wald hineinlauschend trotten wir am Gleiskörper entlang. Ein Fuchs quert in der Ferne, sonst passiert nichts, bis ich nach unendlich erscheinenden acht Minuten ein maschinelles Grollen erahne, woraufhin ich mich mit gellendem Pfiff den Bahndamm hinabstürze, gewandt wie Jackie Chan. Teresa klettert hinterher, ich feuere sie an, es geht immerhin um Leben und Tod. Da nähert sich auch schon der Zug; der Lokführer schaut leicht verdutzt, oder interpretieren wir zu viel in den eher leeren Lokführerblick? 

Wir sammeln uns, klopfen den Schnee aus den Kleidern, lassen unseren Stunt Revue passieren. Dann wird eingehakt, und weiter geht’s nach Schaftlach. Auf einem Schild liest Teresa „Gmund 45 Minuten“ und frohlockt. So nah? Kann doch gar nicht sein. Vielleicht gibts hier zwei Gmunds? 

Wir verlassen den Ort, stapfen an gut besuchten Loipen entlang. Ich betrachte das Treiben ohne Neid. Vorteil am Eingehakt-Spazierengehen ist, dass die Kleidung nicht so durchgeschwitzt wird, nachteilig ist jedoch, wie bereits erwähnt, die Belastung auf den Halteapparat der oberen Extremitäten. „Arm ab“ ist übertrieben, „Arm dran“ nach 15 km jedoch nicht. Als ein bissiger Hofhund uns angeht, zucke ich zusammen, was, eingehakt wie ich bin, fast eine Schulterluxation verursacht. Der blöde Köter trägt auch die Verantwortung dafür, dass ich zum zweiten Mal einen Abzweig übersehe. Verdattert, mit panisch gesträubten Nackenhaaren, ziehe ich meine (hundefreundliche) Frau geradeaus - ins temporäre Verderben. Naja, Verderben ist übertrieben. Zwei Kilometer extra auf stark befahrener Straße. Anschließend erneute Rast, auf Parkbank, mit Loipenblick. Wir essen Oatssnack Riegel, die sich bereits auf den Shetlandinseln bewährt haben, extra starkes Kraftfutter für Einhaksportler. Mittlerweile ist Mittag, die Sonne lacht, aber „Gmund 45 min“? Glatt gelogen, zumal, wenn der Höllenhund einen vom Weg abbellt.

Die nächste Stunde vergeht in Einhak-Trance, ich erinnere mich an wenig, Teresa auch nicht, der Filmriss endet in der Gaststätte „Jennerwein“, schon auf Gmunder Gemeindegebiet. Tolles Wirtshaus, denken wir, stilvoll, rustikal, mit altem Kachelofen, aber dann belehrt und ein ausgelegtes Faltblatt, dass der Laden einem Pfälzer Meisterkoch gehört, der hier seinen Traum eines „bayerischen Wirtshauses“ lebt. Darunter: Beste Kritiken von Ulli Hoeneß, Jupp Heynckes, Fritz Wepper et tutti quanti. Ja, das Tegernseer Tal ist eben doch nur ein Vorort von Hollywood, oder so ähnlich. Blutwurst und Wiener Schnitzel schmecken aber prima (wir essen extra fleischlastig, um die vom Einhakhalbmarathon belasteten Gelenke mit Keratin zu versorgen). 

Zahlen und weiter. Aua. Teresas neue Schuhe scheinen doch nicht gar so gut zu passen, sie humpelt unrund. Da scheint etwas aufgescheuert zu sein. Immerhin schaffen wir es noch nebeneinander bis zum Tegernseeufer, und nach 23 km übergebe ich sie einem Taxifahrer, der sie zum Hotel nach Rottach-Egern fährt (Sohn Leander feiert heute seinen 20. Geburtstag und bat um sturmfreie Bude). Also kein Weltrekord, sondern nur persönliche Bestleistung im Eingehakt-Spazierengehen. Aber die Saison ist ja noch jung. 

Alleine lege ich die die restlichen neun Kilometer am Seeufer zurück, weit ausschreitend, gewiss, einerseits befreit, aber andererseits allein. Mit meiner Frau wandern ist einfach besser. Ankunft am Hotel um fünf, nach knapp 33 km. Tagesfazit: Doppelsieg. 


Freitag, 2. März 2018

Wie sagte meine Oma immer?

„Der März hat sieben Sommertage“. Vorerst wird weiter gefroren, was mir als ehemaligem Shetlandpony besser gefällt als die schlapperte Schwüle auf Mauritius. Ich bin nicht unstolz, dass ich trotz der fürwahr ungewöhnlichen Temperaturen rückstandslos mein Trainingssoll realisiere, nämlich auch diese Woche 80 Lauf- und 80 Rad-Kilometer. Gestern trabte ich 32 kommairgendwas am BND vorbei, dessen Eingang ich ja nur zugerne einmal fotografieren würde - aber ich traue mich nicht, da ja Fotografieren dort verboten ist, und ich seit frühesten Kindheitstagen Verbotsschilder ernster nehme als der Papst die Bergpredigt. Ich bin eben Deutscher durch und durch. Erschwert wurde der gestrige Lauf durch das sofortige Einfrieren des Trinkrucksacks. Zwar blies ich, wie in führenden Foren empfohlen, immer wieder das Restwasser nach Durststillung aus Mundstück und Schlauch zurück in die Gummiblase, aber trotzdem sog ich kurz darauf umsonst, wobei das Schwappgeräusch in der Blase bedeutete, dass das Reservoir keineswegs leer war. Womöglich gefror die Luft. Ja. Tauwillig zog ich mich um, nahm den Trinkrucksack unter meine Jacke, die ich dann jedoch nicht mehr schließen konnte (zu dick). 

Heute fuhr ich die gleiche Strecke mit dem Birdy nach. Fotostopp an der Nussbaum-Ranch (Fotografieren nicht ausdrücklich verboten). Zwar war es deutlich wärmer als gestern, aber immerhin noch so frostig, dass ich gar nicht erst versuchte, mir den Inhalt meiner Trinkflaschen einzuverleiben. Lieber schnell heim und Kaffeesieren. 


Bei Sommersonne wäre ich gewiss bis nach Weilheim geradelt, zurück per Zug, aber damit hätte ich meinen Trainingsplan deutlich übererfüllt. Und ein anderer sehr treffender Satz (nicht von meiner Oma) lautet: So viel trainieren wie nötig, so wenig wie möglich. 

Morgen steht auf dem Plan eine Wanderung mit meiner Gattin, von Holzkirchen bis nach Rottach-Egern am Tegernsee. Gestern besorgten wir ihr neue Wanderschuhe, wobei ja bekanntlich gerade der Ersteinsatz neuer Schuhe größtes Spannungspotenzial beinhaltet. Passen die Pompes (das einzige Wort aus dem Pariser Argot, das ich kenne)? Ich jedenfalls werde im Frack flanieren; im Gehrock sind schon hunderttausende Europäer von Paris bis Moskau getrottet, und (wenn sie Glück hatten) auch zurück. Im dazugehörigen Zylinder sollte auch ein kleines Trinkgefäss Platz finden, dorten vor Frost geschützt. 

Bin gespannt, was wir beim Wandern singen werden. Immer, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, lerne ich nämlich neue Lieder. Unvergessen: „Ich bin die Christel von der Post“ auf unserer Alpenüberquerung, gut auch Mozarts „Bona Nox, bist a rechter Ochs“ als Kanon, neulich beim Marsch auf Mauritius‘ höchsten Berg. Zu Winter und Weltlage passte zB etwas aus Schuberts „Winterreise“. On verra.

Mittwoch, 28. Februar 2018

Fahrverbote? Was sagt dazu ein Tenor, der am Münchener Altstadtring im Erdgeschoss wohnt?

In den Reaktionen der Politiker fällt mir eine gewisse Einseitigkeit auf. Alle stellen sich auf die Seite der Autofahrer, sprechen von „kalter Enteignung“ oder betonen die Bedeutung der Diesel-Technologie für die deutsche Automobilindustrie. Sobald man als Anwohner des Münchener Altstadtringes auf die pausenlose Umwölkung durch KFZ hinweist, wird man belehrt, dass die Gefährlichkeit der Diesel-Emissionen keineswegs belegt sei, außerdem habe man die Grenzwerte willkürlich festgelegt. 

Als stummer Einatmer ist man geneigt, den Richtern des Bundesverwaltungsgerichtes zu applaudieren. Natürlich ist es unangenehm, zunächst eine große Geldmenge gegen ein Auto getauscht zu haben, um mit diesem anschließend nicht überall fahren zu dürfen. Aber, hey, mit meinem Fahrrad darf ich auch nicht überall aufkreuzen, etwa auf Bundesautobahnen. 

Wenn ich meine verkehrspolitischen Wunschvorstellungen äußern dürfte, dann wären dies zuvörderst autofreie Innenstädte - in München etwa innerhalb des mittleren Ringes. Dürfte - denn tue ich dies, kann ich mich umgehend darauf einstellen, von Autofetischisten angeblafft zu werden. Etwa neulich, bei Facebook: „Sollen dann die Handwerker auf dem Lastenfahrrad in die Innenstadt kommen?“ fragte man mich gereizt, was ich in aller Unschuld bejahte. UPS und DHL machen‘s ja auch so, und wäre ich Handwerker, führe ich sowieso immer Lastenfahrrad, sogar ohne Elektromotor, ist ja eh klar. Mein Lieblingsmodell ist übrigens dieses: 


Die Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland ist mir bewusst. „Die Deindustrialisierung ist schnell herbeigeredet“ las ich heute in der FAZ. Nein, ich bin gegen Deindustrialisierung. „Eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene würde Jahrzehnte dauern“ las ich im selben Artikel. Hm. Wenn jetzt entschlossen neue Gleiskörper und Schienenfahrzeuge entwickelt und gebaut werden würden, könnte von einer Deindustrialisierung keine Rede sein - und zwar, um den Worten des Journalisten zu folgen, über Jahrzehnte. Für den privaten Individualverkehr stehen bekanntlich (industriell gefertigte) Elektroautos und, noch besser, potente Velomobile parat, zudem ein öffentlicher Nahverkehr, der in vielen Städten, etwa in München, Autos komplett überflüssig macht - sogar, wenn er nicht umsonst ist (die Kosten eines Autos sind immer höher als die einer Netzkarte im öffentlichen Nahverkehr).

Heute nutzte ich diesen nicht, sondern nur mein kleines Birdy. Fuhr dick vermummt 24 km zum Gesangsunterricht und zurück, nachdem ich Gesangslehrerin Susanne Eisch vor längerer Zeit mein Interesse bekundete. Resultat erstens: Neugier ist geweckt. Zweitens: Ich bin Tenor. 

Und jetzt fahrt ruhig alle weiter. Nehmt auf mich keine Rücksicht, denn ich bin feinstaubresistent. Tausende Rennradkilometer in Euren Dunstwolken haben mich abgehärtet. Brumm-Brumm! 

Montag, 26. Februar 2018

Mamas olle 🥒

...schult die Frustrationstoleranz und ist somit ein sinnvolle trainingsmethodische Ergänzung. Man sitzt maximal aufrecht, was Freunde der kurzen Spazierfahrt gemeinhin für gemütlich halten, die Last des Radlers aber auf eine einzige Körperpartie konzentriert, nämlich: den Allerwertesten. Ein Rennradler, nur zum Vergleich, verteilt sein Gewicht immerhin auf Popo und Hände, der Liegeradler nutzt die komplette Rückseite seines Rumpfes und fährt somit am komfortabelsten. Ist doch merkwürdig, dass ausgerechnet die Ein-Punkt-Position für bequem gehalten wird. Wahrscheinlich ist dem Hollandradler jede andere denkbare Haltung zu exotisch oder aufgrund ihrer Sportivität suspekt. Kann ich gut verstehen - im tiefsten Herzen bin auch ich Hollandrädelsführer, mithin eichenläubisch-konservativ, und früher, ganz früher, fand ich Sport ebenfalls bekloppt, schon wegen der merkwürdig riechenden Funktionskleidung. 

Heute morgen jedenfalls radelte ich aufrecht durchs Oldenburger Land, auf zu tiefem Sattel und bei -6 Grad. Letzte Woche schaffte ich 80 Lauf- und 80 Rad-Kilometer, wobei mich beim sonntäglichen Jogging ein beunruhigender Stich in der linken Wade überraschte. Jetzt fühlt sie sich an wie nach einem harten Gebirgsmarathon. Beim Laufen trug ich Leguanos, also Barfussschuhe, die ich nur deshalb dabei habe, weil sie nicht so viel Platz im Rucksack einnehmen. Was auch immer der Auslöser des Stiches war, ich hoffe, dass morgen alles wieder tipptopp ist. 80 Laufkilometer habe ich auch für diese Woche vorgesehen, und da kann ich Verletzungen schlecht gebrauchen. 

Was ist sonst so passiert? Am Donnerstag kaufte ich auf dem Grabbeltisch bei Plünnen Bruns in der Oldenburger Innenstadt eine Fellmütze (Bär?) für 10 Euro, die mir besonders gut steht, wenn ich das Innenfutter nach außen stülpe:


Freitag ging’s mit alle Mann (Leander auch) nach Dangast. Dort Grünkohl im alten Kurhaus und Strandspaziergang. Rückweg über den momentan verwaisten Campingplatz. Nur eine Zaunpforte hält einsam Wacht:


Samstag war großer History-Drehtag im Bremer Weser-Stadion, mit Derbybesuch inklusive. Kümmerliche Spielkunst, die allerdings dadurch erträglich wurde, dass wir hinter den Fahnen der Bremer Fans saßen, welche das Elend gnädig verdeckten:


Vor dem Spiel gabs auch ein kurzes Stelldichein mit meinem alten Freund und Kupferstecher Olli:


Und jetzt bin ich auf dem Wege nach HH, zum Quizduell mit Jörg Pilawa. Ich spiele im Team mit Barbara Eligmann, die ich ewig nicht gesehen habe. Ich freue mich drauf! 

Mittwoch, 21. Februar 2018

Smoke on the water

Konzert im Müllerschen Volksbad: Da simmer dabei. Wer was genau spielt, ist einerlei. Ich habe mir (peinlich, peinlich) nicht einmal den Namen der Jazzband gemerkt, die da konzertierte. 

Angekündigt war die Chose für 19 Uhr. Wir, Teresa und ich, voller Elan, schon um sechs vor Ort. Erstmal Kakao und Crêpes Suzette zum Vorglühen, um halb sieben rein ins kleine Damenbecken zum, nun ja, zum Runterkühlen.  Weil: im großen Becken ist Vereinstraining, im kleinen ist schon jetzt ganz schön viel los. Wir ziehen Bahnen, jeweils bis zur roten Kordel, und der Weg reicht einfach nicht, um auf Temperatur zu kommen. Wir frösteln vor uns hin, während die Musiker auf der Empore ganz gemütlich ihr Equipment installieren. Nur net hudeln. Alle tragen weiße Hemden, die meisten Silberhaar und Walrossschnauzer. Was fürn Stil passt zu denen? Optisch ganz klar Dixieland à la „Tritt an, Bruder“. Biergarten-Klarinettler. Satchmo für Steuerberater. Verflixt, ist das kalt hier. Ob die sich auch ausziehen? In Badehose auftreten? Die Dame neben uns hat mitgehört. „Hoffentlich nicht!“ hämelt sie, und wir kichern. Ein paar Paarübungen. Rettungsschub, Hundepaddeln, Badewanne. Der Drummer probt. Hussa, hallt das. Kopfschmerzalarm. Brrr, ich friere. Sieben Uhr. Los! Anfangen! Von wegen. Jazzer halt. Das Becken ist voll, die Laune gut. Wenn da die blöde Bibberei nicht wäre. Ich wünsche mich zurück in die Schwangauer Therme, da war ich Sonntag mit meinen Söhnen, und es war badewannenwarm. SO geht Schmusewasser! Alles andere taugt zwar für Sport, aber nicht für Warten auf die Herren Schässschluffis. Oh, wie ich Unpünktlichkeit hasse! Da bin ich ganz square. 19 Uhr heißt Eintausendneunhundert und nicht eintausendneunhunderteins, zwei oder gar fünf. Nee, Freunde, nicht mit mir. Wegen euch hole ich mir nicht den Tod, und Teresa schon gar nicht. Also raus hier, duschen. Und während wir unter dem heißen Strahl auftauen, hören wir die ersten Klänge. Um 19 Uhr 10. Zu spät, wir sind bereits im Ohne-uns-Modus, ziehen uns an und entschwinden, nicht ohne zum Abschluss noch aus Versehen ein Bild gemacht zu haben. Ist im Schwimmbad natürlich streng verboten. Falls ein Bademeister mitliest: Das Bild war ein Zufall, ja, ein Unfall. Teresa wollte eigentlich Taschentücher aus der Bademanteltasche holen, und irrtümlich ergriff sie ihr Handy. Handys und Taschentuchtaschen können sich, wenn man sehr durchgefroren ist und aufgeweichte Rillenhaut an den Fingerkuppen trägt, durchaus ähnlich anfühlen. Ehe der Fauxpas bemerkt war, hatte meine Gattin bereits ausgelöst. Ungewollt. Das Bild fiel uns erst dahoam auf. Ehrlich. Und jetzt weg mit dem Pulverdampf. Peace. Vergelts Gott. 


Montag, 19. Februar 2018

Damals, auf der Reise nach Gambia

...wurden unsere Klappräder beim Umsteigen in Brüssel nicht umgeladen, und Stefan und ich standen ohne fahrbare Untersätze im schönen Gambia. Eigentlich hatten wir vor, von Banjul nach Dakar im Senegal zu radeln. Nun mussten wir umdisponieren. Erstmal gingen wir zu den ansonsten eher etwas nervigen Herren vorm Hotel, die weißen Touristen normalerweise mit der Brechstange etwas anzudrehen versuchen: Perlenketten, Drogen oder Sex. Jetzt waren wir es, die den Spieß umdrehten: „Wir brauchen zwei Leihfahrräder und kommen in einer Stunde wieder“. Als wir zurückkehrten, wartete eine Armada von uralten Drahteseln darauf, begutachtet zu werden. Wir entschieden uns für zwei betagte MTBs und verhandelten selbstbewusst über die Preise. Vorher hatten wir uns abgestimmt: Ich sollte der Nette, Stefan der Harte sein. Nach jedem Preisvorschlag der Radverleiher begannen Stefan und ich einen ausführlichen Scheinstreit. Nach außen wirkten wir uneinig, in Wirklichkeit spielten wir Bauerntheater, und unsere gambischen Handelspartner hörten mit großen Augen zu. 


Einige der uns angebotenen Räder hatten übrigens Platten. Die Gambier wussten nicht, wie man in einem solchen Fall verfährt. Als Stefan sein Flickzeug aus der Tasche nahm und dessen Anwendung demonstrierte, bildete sich im Nu eine beträchtliche Menschentraube und schaute staunend zu. Vor allem das Anrauen des Schlauches mithilfe des Schmirgelpapiers sorgte für großes Hallo. Früher, lange vor unserer Ankunft, müssen die Räder in der Obhut kundigerer Besitzer gewesen sein, denn die Schläuche waren bereits Dutzende Male geflickt. Offenbar ist das Flickwissen auch in Westafrika auf dem Rückzug. Nach Dakar trauten wir uns mit unseren Rädern dennoch nicht; wir rollten auf ihnen zwischen Banjul, Serekunda und unserem Hotel hin und her, vorbei an brennenden Müllhalden, exklusiven Zahnkliniken und riesigen Märkten, auf denen grundsätzlich viersprachig verhandelt wurde: Englisch, Französisch, Woloff und Mandike. Da wir privat eingeladen waren, bei einer Familie in Serekunda (der wir 80€ von einer Verwanden aus Köln überbringen sollten), trat das Fahrradfahren bald in den Hintergrund - die Teilnahme am Alltagsleben der netten Gastgeber war einfach spannender. Jetzt, da es so viele Gambier als Asylantragsteller nach Deutschland geschafft haben, kann ich nur ganz ernsthaft raten, Kontakte zu knüpfen, um sich in dieses kleine, bunte Land privat einladen zu lassen. Eine einzige Woche wirkt lehrreich und belebend (wenn man sich keine Malaria einfängt). An wenigen Orten weltweit ist das Durchschnittseinkommen mickriger, aber das Savoir-vivre vieler Gambier betört, zB durch die umwerfende Farbenpracht der Gewänder oder die Raffinesse der Frisuren. Und geht zu einem Konzert! Ich sah dort das irrste Konzert meines Lebens. Fünf Trommler und ein Sänger, eine Glühbirne, 2000 Leute im Publikum, jeweils eine Frau aus dem Publikum tanzt (1 min, dann darf die nächste), keiner klatscht, außer zwei dumme Fahrradfreaks aus Europa, und so ging’s die ganze Nacht. 

Ist jetzt auch schon wieder gute 10 Jahre her. Dachte ich heute dran, beim Laufen. 32 km im Winterwunderland, ohne nervige Händler, ohne Malariaprophylaxe und ganz schlicht zu Fuß. 


Sonntag, 18. Februar 2018

Pedalör-Malör 

Meine Tuba wurde gestern verkauft. Zwar habe ich selten auf ihr im engeren Sinne geübt, wusste bis zum Schluss nicht, wo welche Töne sitzen, sprich, was man tu(te)n muss, um ein eingestrichenes B erklingen zu lassen. Aber nach Gehör konnte ich der Tuba einiges entlocken: Mein Gesellenstück war „Prinzessin de Bahia Tropical“ von Die Doofen, wo ich die Bassfiguren blies. Auf „LilaLaunebär“ solierte ich erstmals. Zu „Jet SetJazz“ steuerte ich viele dunkle Töne bei, und auf dem Hobby-Album „Die Band mit den vergilbten Photos“ wurden alle meine instubentaltechnischen Möglichkeit voll ausgereizt. Tuba im Jazz hat mich immer begeistert, vor allem, seitdem Bill Barber in den Arrangements von Gil Evans auf ihr Melodien spielen durfte. Birth of the cool. Howard Johnson sah ich als Jugendlicher in Moers, Bob Stewart in New York City, mit Don Cherry, ganz kurz vor dessen Tod. Das war ein ziemlich bedrückender Abend, weil es ihm schon so schlecht ging.

Und jetzt bin ich meine Tuba los, für‘n Appel und ein Ei. Auf dem Bild steht sie rechts, während im Zentrum ein Hosenloch zu besichtigen ist, das vor einigen Jahren dazu führte, dass mir auf Fahrradtouren vermehrt hinterhergekichert, ja, -gepfiffen wurde, womit sich der kleine Kreis zur Musik schließt. 

Heute war ich ganz still unterwegs, in schneelich schallgedämpfter Landschaft, und nach leichtem Verpennen auf eine Stunde (11 km Grunddosis) Laufen verkürzt. Ich habe diese Woche 80 Lauf- und etwa ebensoviele Klappradkilometer zusammengetragen. Voll im Plan für alle großen Ziele. Tuuut! 


The biggest Arztroman ever

Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...

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