Montag, 21. Januar 2019

Mit Kopfstand zur Weltmeisterschaft 1974

Unlängst bat ich meine Mutter, daheim die Fotoalben zu durchforsten, auf der Suche nach Bildern, die ich bei meinem Diavortrag „Wie ich Weltmeister im Langsamschwimmen wurde“ einsetzen kann. Bevor ich mich an die eigentliche Erarbeitung des Vortrages mache, hier schon mal ein Blick auf die Ausbeute meiner Mutter.


Dieses Bild zeigt mich im Hochsommer 1974 im Ostseebad Großenbrode beim Training meiner damaligen Lieblingsdisziplin: Kopfstand. Ich habe die erste Schulklasse erfolgreich besucht, und meine ersten Versuche, die Welt auf den Kopf zu stellen, sind allesamt misslungen. Ehe ein müder Realismus in mein Leben einzieht, versuche ich, wenn denn schon die Erde zum Umdrehen zu unhandlich ist, einen radikalen Perspektivwechsel herbeizuführen. Der Versuch gelingt, und bis heute ist Kopfstand (seit der Teenagerzeit bevorzugt in der Yoga-Variante) eine meiner leichtesten Übungen. Den Sommer 74 dürfte ich zu 30% auf dem Kopf verbracht haben (weitere 30 liegend, den Rest schwimmend, essend, tobend und „Lustige Taschenbücher“ lesend). 

Von diesem Urlaub blieb mir übrigens nur ein einziger Moment im Gedächtnis: Als Gerd Müller im Endspiel der WM das 2:1 gegen Cruyff und Co schoss, stand ich auf dem Kopf, den Blick landeinwärts gerichtet. An der Oberkante meines Blickfeldes befand sich ein Campingplatz, und die spitzen Dächer der Zelte, aus denen Toor-Rufe herüberhallten, wiesen nach unten, wo ein  bedeckter Himmel vor sich hin dräute. 

Der weisse Strich im Vordergrund könnte ein Nasenhaar sein, evtl. sogar von mir (vergleiche mein Gedicht von vor drei Tagen)


Später las ich über Saxophonist Charlie Parker, dass er zwischen zwei Sets gerne in den Hinterhof des Jazzclubs gegangen sei, um sich dort zwischen den Mülltonnen hin- und herzurollen. Als man ihn fragte, was das solle, antwortete er: Man spielt danach anders. Ich weiss, was er meint. 


P.S.: Nein, das weisse Haar stammt nicht von mir, und auch nicht von meiner Mama. Es sieht mehr aus wie eine Wimper...ein Schnurrbarthaar...es ist...ja...ein Hasr meines Mwerschweinchens Fridolin, das Anfang der 80er Jahre verstarb. Mein handwerklich begabter Onkel Helmut hatte für das liebe Tier mit den kuscheligen Rosetten ein herrliches Häuschen gezimmert: gediegenes Fachwerk, gelb/rot/schwarz, das als verkleinerte Version eines norddeutschen Schafskobens nichts anderes als einen Höhepunkt des ambitionierten Modellbaus darstellte. Dummerweise hatte Fridolin viel Appetit, und mein Papa füttert Kleintiere für sein Leben gern. Ihrem Leben bekommt das Gefüttertwerden nicht wirklich. Fridolin passte bald nicht mehr dorch die Tür seines Fachwerkhauses. Die Öffnung musste mit einer Säge brachial vergrößert werden, das schöne Stück war hi‘. 



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