Dienstag, 30. Juli 2019

Gastkommentar für „Die Welt"




Zu meinen bedeutendsten Leseerlebnissen gehören die Lebensbilder Englischer Exzentriker von Edith Sitwell. Besonders genoss ich die Biografie Lord Rokebys, eines Landadeligen des 18. Jahrhunderts. Rokeby war begeisterter Dauerschwimmer, der immer größere Teile seines Lebens im Wasser verbrachte. Er ließ sich einen bis zu den Kniekehlen reichenden Bart wachsen und durchweichte diesen täglich in seinem privaten Hallenbad. Sein Lieblingselement verließ Rokeby, diese „menschliche Amphibie", laut Sitwell ausschließlich, um seinen Freunden enorm langatmige Gedichte vorzutragen. 
Nicht nur weckte diese Lektüre mein Interesse am Langstreckenschwimmen, nein, sie entfachte auch meine Bewunderung einerseits für die englische Spezialität, bei Bedarf aus dem eigenen Leben ein Kunstwerk zu formen, und andererseits für die Bereitschaft der Mitmenschen, auch solchen Unika zu applaudieren, die jenseits des Ärmelkanals womöglich pathologisiert worden wären. 
Die Sehnsucht nach dem spezifisch englischen Mix aus Toleranz, Humor und Understatement hat auch mein politisches Denken geprägt: Ich verschrieb mich dem Liberalismus, dem ich bis heute verbunden bin. 
Natürlich hat auch Boris Johnson Edith Sitwell studiert: Die von ihr porträtierten Charaktere werden ihn womöglich zu eigenen Marotten inspiriert haben, etwa zu seinem jüngsten öffentlich gewordenen Hobby, dem Doppeldeckerbus-Modellbau. Seine verschwurbelten Ausflüge in die Altphilologie, kombiniert mit überraschenden Punchlines und der selbstbewussten Attitüde des Kammverächters, ließen mich sogleich frohlocken: Da war ein echter Solitär am Werke, keiner von diesen glattgebügelten Karrieristen. 
Vollends verfiel ich seinem Charme, als er das Fahrrad zum Symbol seiner Tätigkeit als Londoner Bürgermeister erklärte. Da ich selber kein Auto besitze und praktisch alle einigermaßen radelbaren Wege pedalierend zurücklege, meinte ich endgültig einen Bruder im Geiste gefunden zu haben. Ja, ich wurde sein Fan und schwärmte jedem von ihm vor, der nicht bei drei auf‘m Baum saß.
Umso irritierter war ich, als er die Brexit-Kampagne anführte. Was war da passiert? War ihm sein Fahrradhelm samt Pony vor die Klimperklüsen gerutscht? Jedenfalls radelte er plötzlich, so mutmaßte ich, unbeleuchtet auf der falschen Straßenseite. „Obacht, Boris!" wollte ich ihm zurufen, aber dann kam auch schon das Referendum und überfuhr ihn, mich, uns alle. 
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle einflechten, dass ich neben Liberalismus und Fahrradfahren noch eine weitere Leidenschaft pflege: Ich bin begeisterter Anhänger der Europäischen Integration. Den Gedanken, dass die Briten, angeführt von meinem persönlichen Bruder im Geiste, mehrheitlich den Brexit wollten, fand ich äußerst unangenehm, aber ich sagte mir: Wenn irgendjemand in der Lage sein sollte, eine derartig unsinnige Entscheidung zu einem Erfolg zu machen, dann am ehesten die tollkühnen Briten - etwa, mit einem kollektiven Blut-Schweiß-Tränenprogramm, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. 
Seit letzter Woche ist Boris Johnson nun Premierminister. Bei seinen bisherigen Auftritten waren seine Haare artig gekämmt und die subanarchischen Pointen durch pathetische Beschwörungen britischer Grandezza ersetzt. Neben der EU ist die defätistische „negativity" sein Hauptgegner, ein konvulsiver Optimismus sein Rezept für den Weg in ein güldenes Zeitalter. Aus dem rebellischen Nonkonformisten ist ein banaler nationalistischer Laberkopf geworden, der seinen Landsleuten das Blaue vom Himmel verspricht und in mantrischen Beschwörungen Vorfreude auf den „best place on earth" ins Gesicht zwingen will. Kein Witz, kein Understatement. 
Nein, das Staatsmännische steht ihm nicht. Auf mich persönlich wirkte seine Antrittsrede sogar sedierend, überlang wie eines jener Gedichte, die Lord Rokeby seinen Freunden vorzutragen pflegte. Und wie jener scheint Boris Johnson zu schwimmen: ohne Plan, wie es nach einem harten Brexit weitergehen soll. Vorläufig lege ich meine Mitgliedschaft im Bojo-Fanclub auf Eis. Vorläufig, denn: Womöglich sind sein knallharter Kurs, sind seine Salbadereien nur ein raffiniertes Täuschungsmanöver, ein kunstvolles Set-up, und am Ende steht eine befreiende Pointe. Abwarten.

1 Kommentar:

  1. Ich hätte fast meine Ehe verloren, weil mein Mann mich betrogen hatte, das dauerte ein Jahr, weil ich mir nicht sicher war, bis er eine Scheidung beantragte und das Haus verließ. Ich war schockiert, das machte mich so krank, dass ich mich tagelang auf keinen Bereich konzentrieren konnte, dachte weiter und fing an zu trinken. Ich brauchte so dringend Hilfe, dass ich eine Freundin um Rat bat und sie mir Dr. ODIBOH DADA empfahl, der mir versicherte, er könne mir helfen, und so tat ich, was er von mir verlangte, und er sagte mir, mein Mann würde seine Meinung ändern und dass er ihn dazu bringt, zu mir zurückzukehren und ihn auch vom Betrug abzuhalten, also vertraute ich ihm und nach 7 Tagen kam mein Mann nach Hause und bat mich, ihm den Schmerz zu vergeben, den er mir und den Kindern zugefügt hatte, den er wollte Sei wieder mein Mann und Vater für unsere Kinder. Ich hätte nie gedacht, dass es immer noch mächtige Menschen auf der Erde wie Dr. ODIBOH gibt, die immer noch helfen können, Probleme zu lösen. Ich bin für immer dankbar für seine Hilfe und empfehle ihn für Hilfe, was auch immer Ihr Problem sein sollte. Sie können ihn direkt über seine E-Mail (odibohsolutionhome@gmail.com) oder noch besser über seine WhatsApp-Nummer +2347048883838 erreichen.

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