Samstag, 10. Februar 2018

Neues aus der Reihe: „Das ungleiche Mixed-Team“

Heute: „Der höchste Berg von Mauritius“. Er heißt „Piton de la Petite Rivière Noire“ und misst 828 Meter. Wir starten an der katholischen Kirche in Case Noyale. Vorbei an Kindern in hellblauen Schuluniformen und dunkelgrauen Elendsquartieren verlassen wir den Ort und marschieren die Bergstraße nach Chamarel bergauf. Meinen roten Ranzen habe ich bis zur Kimme mit Korn, äh, Trinkwasser gefüllt, denn wer weiß, ob man sich hierzulande aus den Bergbächen bedienen sollte? Ob‘s überhaupt Bergbäche gibt? Auf der Serpentinenstraße halten wir uns am rechten Rand, wegen des Linksverkehrs, da man ja bei uns links laufen würde, gell? Manch Fahrer guckt trotzdem komisch, dreimal werden wir gar angehupt. Kann aber auch daran liegen, dass auf dieser Straße praktisch nie Wanderer unterwegs sind. Die starten meist am Infozentrum im Nationalpark, nicht so wie wir auf Seehöhe. Der Ort Chamarel wird in Reiseführern als unverdorbenes Idyll gefeiert, und das Lob passt. Wir suchen in der Kirche nach Abkühlung, völlig vergeblich, aber dafür erfreut uns die liebevolle Ausstattung und die aufs wesentliche reduzierte Konstruktion des Beichtstuhls: 


Ausführliche Trinkpause, dann verlassen wir die Zivilisation und wagen uns in den Regenwald. Ein schmaler Pfad führt bergauf, ab und an markiert von gelben Fähnchen. Der Weg ist gut begehbar, allerdings machen uns die Insekten zu schaffen, die unsere verschwitzten Beine wie ein opulentes Büffet genießen. Sind‘s Mücken oder Bremsen, die uns großflächig verquaddeln? Mir egal, da ich mir erst vorgestern heftig juckende Stiche (?) am Popo zugezogen habe, beim Schnorcheln. Keine Ahnung, was für ein Tier (?) da am Werk war. Und seit der Tretbootfahrt gestern ist mein Bauch himbeerrot verfärbt. Ich lehne den Gedanken, mir mit 51 Jahren aufgrund purer Doofheit einen Sonnenbrand zugezogen zu haben, rundweg ab. Nein, ich habe keinen Sonnenbrand. Meine Haut ist auch nicht gerötet, sondern rosig. Gut durchblutet halt. Teresa ist körperlich in besserem Zustand als ich; sie marschiert forsch voran. 


Wir durchwaten ein Bächlein, stiefeln durch dichten Dschungel und beobachten Dutzende topflappengroße Schnecken bei der Paarung. Nie sah ich so monumentale Schneckenpenisse in Aktion; Gastropodenporno live. 


Auch Amphibien begegnen wir, zum Beispiel:


Bald wird der schmierige Steig steiler, und ich unterstütze meine Frau beim Aufstieg, in dem ich sie beidhändig bergauf schiebe. Klingt bekloppt, aber sie behauptet, es würde ihr helfen, und ich bin froh, dass ich meinen Puls trotz bescheidenen Gehtempos in sportlich relevante Bereiche treiben darf. Als nach drei Stunden Aufstieg eine feuchte Klippe im Weg ist, rasten wir. Der Gipfel ist nicht fern, und erstmal seit Chamarel lichtet sich der Wald, so dass man hinab auf den Küstenstreifen blicken kann: 


Was tun? Auch hier oben ist es heiß, feucht sowieso, das Gelände schlüpfrig. Wir setzen uns auf einen Stein, genießen den Ausblick und verzehren unsere Jause. Doch nicht nur Bauch, Beine, Po jucken, sondern auch die fixe Idee eines jeden Bergfexes, zum höchsten Punkt zu gelangen. Teresa merkt mein Bergfieber und flötet mir den Vorschlag entgegen, alleine den höchsten Punkt zu erklimmen. Dankbar schlage ich ein, eile los und klettere empor. Bald schließt sich wieder das Blätterdach über mir, nur ein einziges Mal kann ich noch einen Blick auf den Gipfel erspähen: 


Aber hinter diesem Blätterdachschaden ist Fernsicht-Schicht im Schacht. Ein quer über den Pfad gespanntes Seil verheißt Gefahr; offenbar ist der Weg wegen Erdrutsch nicht gangbar. Schade, aber nicht risikolos zu ändern. Der Höhenmesser zeigt 740 Meter. Wie heißt es so schön auf RTL? „Heute habt ihr euch keine Sterne erspielt“. Kurzes Hadern, dann kehre ich um und bin nach einer halben Stunde Gesamtabsenz wieder bei meiner Braut. 

Regen setzt ein. Kühlt nicht ab, macht aber den Weg deutlich rutschiger. Vorsichtshalber gehe ich voran. Huch: Plötzlich stürmt ein Tier aus dem Unterholz auf mich zu. Ein großer Igel touchiert meinen Schuh und rennt wieder zurück. Im Dickicht erkenne ich eine stachelige Kinderschar. Theorie: Die Igelmutter wollte ihren Nachwuchs durch einen Scheinangriff schützen. Abends im Hotel recherchieren wir, dass der „Igel“ ein „Großer Tenrek“ ist, zugewandert aus Madagaskar. Bis zur Ankunft der Menschen gab es nämlich auf Mauritius gar keine Säugetiere, mit Ausnahme der Flughunde. Ein Foto des Tenreks konnte ich in der Eile nicht schießen, womit ich jedoch dienen kann, ist eine Aufnahme eines Flughundes, der allabendlich überm Tennisplatz in der Hotelanlage gesichtet werden kann:


Als wir nach sechs Stunden Wanderung wieder am Ortsrand von Case Noyale eintreffen, begegnet uns noch ein weiterer Zuwander, nämlich ein Affe. Haben wir beide auch noch nie in freier Wildbahn gesehen (außer auf der Münchener Leopoldstrasse, die Spezies mit den gegelten Haaren). 

Final lassen wir uns nochmal ordentlich vom Starkregen erwischen, ohne dass es diesem die braunen Schmutzkrusten an unseren Beinen abzuwaschen gelingt. Und so steigen wir nicht nur völlig verdreckt, sondern auch pudelnass ins auf gefühlte null Grad herabgekühlte Taxi. Wie heißt es so schön in der Bounty-Werbung? „Alle Köstlichkeit der Tropen“. Ja. Der Satz passt hier höchstens halb, aber er diene als gutes Beispiel für mein bei über 30 Grad eingeschränktes Formuliervermögen. Danke fürs Verständnis.

Donnerstag, 8. Februar 2018

Behördengang im Paradies

Das Passproblem wartet darauf, geklärt zu werden. Also per Taxi erst zum deutschen Honorarkonsul nach Goodlands, ganz im Norden der Insel, dann weiter in die Hauptstadt zum Immigration Office im „Sterling Building“. Puh: viel Verkehr und wenig Parkraum - das Yin&Yang des SUV-Zeitalters. Wenigstens beim heutigen Regen ist Port Louis keine schöne Stadt. Klötze & Klotterkram, wenig Liebe im Straßenbild. Wir kommen um halb 12 an, um 12 macht das Amt zu, und wir fürchten, in der Riesenbehörde nicht rechtzeitig den richtigen Ansprechpartner zu finden. Hossa; wat’n Groß-Gewusel im Eingang des Hochhauses. Blick aufs Infobrett gefällig?


Dann jedoch geht alles paradiesisch flott: Der Pförtner am Eingang schickt uns in ein Büro im Erdgeschoss, der dauertelefonierende Büroleiter nimmt Teresa grußlos ihre Formulare aus der Hand und heißt uns auf einem Wartesofa Platz zu nehmen. Dort verbringen wir einige Minuten mit der Lektüre der Antikorruptionsplakate, geschrieben in bestem Kreolisch: 


Bald taucht der Büroleiter wieder auf und übergibt uns die vorläufigen Reisedokumente, validisiert mit seinem Stempel. Gut. Ein Toilettenbesuch im benachbarten KFC, und dann ab nach Hause. Als es abends aufklart und die Sonne untergeht, meinen wir in unmittelbarer Nähe unseres Hotels eine riesige Freiluft-Fototapete zu entdecken, offenbar hier aufgehängt, um Touristen einen betörenden Bildhintergrund zu ermöglichen. Fast noch besser als „Tropical Islands“, die olle Zeppelinhalle, südlich von Berlin. Ich drapiere Teresa sogleich in den Sand und knipse:


Heute nun als Frühsport einmal um Le Morne, anschließend zu zweit im Tretboot zur unbewohnten Île aux cerfs. Zwei km hin, zwei zurück, durch sehr seichtes Wasser à la Dümmer. Dort ein erschreckender Spaziergang - erschreckend, weil alles voller Plastikmüll ist. So also sieht die Welt heutzutage aus, wenn der Mensch nicht seinen eigenen Müll beseitigt, wenn er die „Natur“ sich selber überlässt. Teresa schlägt vor, dass wir sogleich die Insel aufräumen. Ja, wir hätten nicht übel Lust, bräuchten aber mehr als nur ein paar Mülltüten. Müllschiffe. Mehrere. 

Lustig übrigens, Tretboottouren bei Strava hochzuladen. Sechs Höhenmeter vermerkt die Leistungsbilanz. Naja. Wellengang? Tidenhub? 




Dienstag, 6. Februar 2018

„No climbing on wet and rainy days“, haha. 

„Ich lauf nur mal kurz an den Strand“ flöte ich meiner Gattin zu, die Sonne lacht, ich schnüre die Schuhe und trimtrabe in den tropischen Nachmittag. Die Luft ist weniger drückend als an den Tagen zuvor; ich folge dem Sandstrand bis zum Ende der Hotelanlage und schaue auf die Uhr. Klock 14. Wenn man schon mal dabei ist, kann man auch gleich einmal gucken, ob’s nicht doch hier an der Hotelseite einen Einstieg zum „Public Path“ gibt, der „Le Morne“, den imposanten Felsen im Südwest Mauritius’, auf halber Höhe umringt. 

Ich trabe an den uniformierten Sicherheitsleuten vorbei, folge einer steilen Bergstraße und lande an einer Blohfeld-würdigen Angebervilla, über der sich der von mir avisierte Wanderweg befinden müsste. Um dort hin zu gelangen, scheine ich jedoch durch den Garten des James-Bond-Gegenspielers klettern zu müssen, und am anderen Ende befindet sich ein hoher Zaun. Hm. Konzentriertes Absuchen des Geländes...ich erspähe ein Loch, klettere hinauf und schlüpfe hindurch. Wenn man schon mal dabei ist, so raune ich mir zu, kann man natürlich auch noch ein paar Höhenmeter weiter, etwa bis zum Abzweig, an dem der eigentliche Gipfelanstieg beginnt. 

„Trespassers will be prosecuted“ lese ich auf einem Schild, ehe ich auf grasiger Trasse bergwärts wandere. Unter mir tut sich ein nachgerade lächerlich-kitschiges Panorama auf; eine Landzunge züngelt im türkisen indischen Ozean, darüber ein unbewohntes Inselchen, hach wie herzig. 

Bald bin ich am Abzweig. Wenn man schon mal dabei ist, murmele ich, zögere kurz, und dann hetze ich einige Serpentimen durch den Regenwald. Der Vegetation wird immer üppiger, aber der Weg bleibt erkennbar. Königsblaue Schmetterlinge fächeln mir warme Luft zu. An einem Rastplatz mit offenbar seit Jahren ungeleerten, überquellenden Mülleimern steht ein großes Schild. Ab hier wird’s gefährlich, warnt es, bei Regen auf keinen Fall klettern. Ein Blick zum Himmel: nein, kein Regen in Sicht. Wie lang mag man zum Gipfelkreuz brauchen? Eine halbe Stunde? Weniger? „Le Morne“ ist 500irgendwas Meter hoch, aber das Gipfelkreuz befindet sich ja, wenn ich die Wanderkarte richtig verstehe, gar nicht am höchsten Punkt. Hm. Eigentlich wollte ich mir ja nur kurz die Beine vertreten, aber nun ruft der Berg laut und deutlich meinen Namen...

Auf schmalem Bergpfad geht es steil aufwärts, bis zu einem weiteren Zaun, dessen Tor verschlossen ist. Mannometer, mit Zäunen haben die‘s hier aber. Auf Verdacht folge ich den Trittspuren am Zaun durch unhandliches Gelände und finde einen Durchschlupf. Jetzt wird’s richtig abenteuerlich: Klettern im ersten und zweiten Grat, auf schwarzem, harten Vulkangestein.

Schon überhole ich eine Wandergruppe. Ein junger maurizischer Bergführer begleitet fünf Europäer (Skandinavier und Engländer) und ist wohl gerade dabei, seinen Schützlingen eine Umkehr schmackhaft zu machen, weil die Damen lahmen. Und der alte Engländer ebenfalls auf dem letzten Loch zu pfeifen scheint. Ich sprudele vorbei, stemme mich einen engen Kamin bergauf und frage mich etwas bang, wie ich denn hier wieder runter kommen soll? Sicherungen sind nicht vorhanden. Eine Heiligenfigur im Grottenheim ist so abgegriffen, dass ihre konfessionelle Zugehörigkeit unklar bleibt. Vielleicht hilft‘s ja trotzdem.

Nun ja, so lange es nicht regnet, sollte alles machbar sein. Blick in die Ferne: Regengüsse am Horizont, und schmuddelgraue Wolkentürme in Küstennähe. Egal, ich bin ja gleich oben. Nur nicht nach unten schauen. Ein weißer Prachtvogel kreist in meiner Nähe, so ein Mix aus Möwe und Mauersegler, einen Meter Spannweite, mit ellenlangen Frackschößen. Was klackt da beim Klettern eigentlich immer so komisch? Es ist mein Ehering, der bei jedem Griff an den Fels stößt. Ganz neue Kletterklangkulisse.

 Die letzten zwanzig Höhenmeter. Ich zweifle. Schweiß hat meine Kleidung vollständig durchnässt. Trempé comme une soup, wie der Kreole sagt. Unter mir diskutieren die Wanderer. Umkehren? Quatsch, ich bin doch gleich da. Armkraft ist Trumpf. 


Zweimal Zickzack, ein luftiges Turnen, dann bin ich am Kreuz. Nicht der höchste Punkt, aber immerhin. Höher ginge es nur für Kammerlander und Ko. Selfie, knipsknips, dann wieder runter. 

Wird auch höchste Zeit, denn die schwarzen Wolken kommen immer näher. Mich teils auf dem Popo bergab tastend, meist jedoch mit dem Gesicht zum Fels versuche ich, schneller zu sein als der Regen. Unterhalb des Gipfelaufbaus kommt mir die Wandergruppe entgegen. Als Schlusslicht kämpft der englische Senior, in seinen Zügen blanke Angst. „Just five minutes to go!“ mache ich ihm Mut. Dann weiter. Ja keinen Fehltritt, sonst bin ich geliefert. Zwei- bis dreihundert Meter freier Fall optional. „Sterben ist der schönste Tod“ wie mein Papa zu sagen pflegt. Aber bitte nicht heute und hier, in meiner Flitterwoche. Huch, ein Tropfen! Und da! Noch einer! Ich versuche zu beschleunigen, aber großes Akzellerationspotenzial bietet das Gelände nicht - außer eben im Sturzflugverfahren. Wer wirklich vorsichtig ist, bleibt immer am Leben, spreche ich mir Mut zu. Naja. Überzeugt nur so halb, sagt das Panikzentrum in meinem Hirn, das sich auf erhöhte Aktivität vorbereitet. 

Die Tropfenfrequenz nimmt schnell zu, und nach einer Minute prasselt satter Regen auf meinen Rücken, als ich, den Bauch an schwarzen Fels gepresst, taugliche Tritte suche. Während das glatte Gestein im trockenen Zustand besten Grip gewährte, wird es nun schmierschlüpfrig. Mein Herz schlägt bis zum Hals; jeden Griff teste ich mehrfach, überlege auch, ob es nicht besser wäre, einfach hocken zu bleiben, bis der Regen nachlässt. Aber wann wird das sein? Um halb sieben jedenfalls wird es schlagartig dunkel. Vielleicht sollte ich Teresa anrufen, solange mein Handy noch funktioniert- denn wenn es länger so droscht, ist das Ding bald hi‘. Tututut - drei kurze Töne, sonst nix. Scheint gerade im Funkloch zu stecken. Bang beuge ich mich gen Berg, um nicht nur mich, sondern auch das Telefon zu schützen.

Im Kamin, in dem ich vorhin die Wandergruppe überholte, verklettere ich mich gleich mehrfach: Einfaches Klemmstemmen erscheint mir ob der Rutschigkeit zu unsicher, aber die größeren Griffe am Rand führen in vertikale Sackgassen hinab. Kurze Pause. Nochmal Handy. Wieder kein Empfang. Ganz ruhig, Wigald. Zurück in den Kamin. Jeder Tritt, jeder Griff muss sitzen. Im Zweifel lieber pausieren und Augen schließen. 

Nach einem Viertelstündchen weicht das Geprassel versöhnlichem Nieseln, und meine Laune hebt sich. Am Kaminende entfährt mir ein kapitaler Seufzer: Geschafft. Ab jetzt bin ich außer Gefahr. Entspannt trabe ich die Wanderwege hinab, gelange an die bereits gestern morgen erkundete Sandstrasse (wo die großen Schnecken hausen) und erreiche nach knappen eineinhalb Stunden das Hotel. Teresa hatte sich schon Sorgen gemacht, in der Anlage nach mir gesucht. Ähem. 

Anschließend bürste ich meiner Braut bußfertig extra beharrlich die Haare, fast so lang, wie der Regen fiel. Damm-Damm. 


Flipperwoche 


Schwimmen mit Delphinen! In freier Natur - verspricht der Koberer am Strand, und Teresa, erklärte Delfinistin, schlägt sogleich Purzelbäume vor Begeisterung. „Ja nicht zu früh freuen!“ rate ich Teresa, „wer weiß, ob die Delphine tatsächlich zu Hause sind - womöglich haben die ja auch was besseres zu tun als sich von Schwimmern bestaunen zu lassen“. Mit Volldampf entfernt sich das Motorboot Richtung hohe See, und als nach einem Viertelstündchen ein Dutzend Rückenflossen vor uns auftauchen, entfährt meiner Gattin glucksendes Glücksgurren.

Sicherheitshalber steige ich zuerst ins Wasser, mit Flossen und Schwimmbrille bewehrt, das Herz tief in der Badehose. Der erste Eindruck unter Wasser: Hui, ist das laut! Forte sirrendes Oberton-Tutti. Die Tiere sind nur wenige Meter entfernt, ein bis zwei Meter lang und sehen recht filigran aus: Die Schnauze ist elegant, der Rumpf bicolär; der Rücken ist dunkel, Flanken und Bauch weiß. Ihr Interesse an mir scheint begrenzt; langsam bewegen sie sich von mir weg. 


Jetzt steigt Teresa ins Wasser, eskortiert von einem jungen Maurizianer, der sogleich auf imposante 16 Meter Tiefe hinabtaucht. Nun gut, mit Flossen, aber trotzdem: So einer Luftanhalteleistung habe ich auch noch nie beigewohnt (dass die Wassertiefe 16m betrüge, habe er ausgemessen. Er trainiere hier schließlich jeden Tag). Wieder rein ins Boot, den Delphinen hinterher. Jetzt taucht eine Schule größerer Tiere auf, die aus und als „Flipper“ bekannte Art. Einen Meter länger und einfarbig. Wieder steigen wir ins Wasser. Unter uns ziehen mehrerer Dutzend Tiere vorbei, fast in Formation, auch viele Kinder sind zusehen. Wie heißen denn Delphin-Babys? Welpen? Delpen? Ich grinste breit vor Freude, würde der Schnorchel mich nicht am Grinsen hindern. Beide Arten sind hier grundsätzlich gemeinsam unterwegs, erklärt der Bootsführer, aber wie die kleinere Art heißt, kann er mir nicht sagen. Im Internet-Zeitalter lässt sich derlei bekanntlich schnell klären: Es handelt sich um den Spinner Dolphin, stenella longirostris. 

Nachdem wir uns satt gesehen haben, besuchen wir noch ein pittoreskes Eiländchen, perfekt für den nächsten Camping-Urlaub, und beschnorcheln ein Riff mit lila Seeigeln, -nadeln und -sternen, ehe es wieder an Land geht. 

Und während der Rückfahrt denke ich mir, dass es so ein paar Dinge gibt, die ausnahmslos alle Menschen, weltweit, egal wie alt, welcher Rasse und Konfession angehörig, unabhängig von Schulabschluss, Konfektionsgröße, sexueller Orientierung, eben ausnahmslos alle Menschen faszinieren. Und zu diesen Dingen gehört: das Schwimmen mit Delphinen. Glaube ich. In der griechischen Mythologie wird Arion über Bord geworfen, droht zu ertrinken, singt noch ein letztes Lied und lockt so einen Delphin an, der ihn anschließend auf seinem Rücken an Land trägt. Nur so als Beispiel. Und jetzt erstmal ein Kaffeetscherl. 









Montag, 5. Februar 2018

Unter Schnecken

Nicht nur unsere Voucher sind verschwunden, sondern auch mein Kulturbeutel. Immerhin nimmt man uns umstandslos im Hotel auf, einer durchaus schlaraffischen Anlage auf der Halbinsel „Le Morne“, deren namensgebenden Hügel einst Zufluchtsort entwischter Sklaven war. Als englische Soldaten, so erzählt der Taxifahrer, den Sklaven mitteilen wollten, dass die Sklaverei abgeschafft sei, sahen die Befreiten die heraufkletternden Soldaten, kriegten es mit der Angst und stürzten sich in die Tiefe. Merkwürdiges Nebeneinander von tiefster Tragik und himmelhochjauchzender Urlaubsfreude. 

Das Meer ist hühnersuppenwarm, man muss betont langsam schwimmen, um keinen Herzkasper zu kriegen. Die Hotelzimmer wiederum sind auf knappe 10 Grad herabgefrostet; man könnte hier völlig neue Saunastrategien entwickeln. Unser Essen jedenfalls ist prima: Ich verzehre Seeigel (wenig gelbes Fleisch in der halbierten Stachelschale, das man mit rotem Essig so würzt, dass praktisch nur der Essig den Weg in die Zungenpapillen findet). Besser finde ich große Wasserschnecken, die hierzulande in Majonaise getunkt werden. Neulich habe ich mir noch den Schleim (der Schnecken, nicht die Majonaise) im Gesicht verschmiert, jetzt verzehre ich die Schönheitslieferanten. Ich werde immer gastropodophiler. 

Wir lümmeln uns durch den Nachmittag, und lesen ausführlich „Die Zeit“, wie man das nach altem Brauch in der Flitterwoche so macht. Übrigens haben wir beschlossen, fortan jedes Jahr eine Flitterwoche einzulegen - diese Streckung erscheint uns nachhaltiger als die Verurlaubung mehrerer Freiwochen auf einen Schlag. Extrafrühe Heiakiste. 

💤

Wecker klingelt um 6; rauf auf den Hügel! Geht leider nicht, wie Komoot es vorschlägt; der Hügel ist hotelseitig abgesperrt. Also jogge ich zur Rückseite, finde einen eventuellen Einstieg nach oben, muss aber wegen der tropischen Hitze einstweilen zurück. Zur Besteigung ist ein Wasservorrat ratsam. Darum bleibt es sportlich bei 10 km Laufen und ein wenig Hühnersuppendümpelei.

Auf dem Rückweg zum Hotel begegnen mir wieder Schnecken: Schöne, stattliche Landschnecken mit prächtigen Verzierungen am Baldachin. Die Schnecke - der symbolische Gegenentwurf zum heute üblichen hektischen Twitter-Gewitter. Snailen statt Twittern. Auf zum Frühstück! 

Sonntag, 4. Februar 2018

Auf in die Flitterwoche!

Mauritius. Ein Ort, mit dem ich außer Briefmarken nicht viel verbinde. Philatelie und den Dodo, vielleicht. Höchste Eisenbahn, die Ahnungsarmut zu ändern. Ein Hotel mit 400 Höhenmeter-Hügel direkt hinterm Haus, ausgesucht von meiner um meinen Bewegungsdrang wissenden Braut. Danke schön! 


Erstmal hinkommen. Am Gate in München bittet man mich um die Vorlage des Voucher-Heftes. Ich stutze, suche in meiner Aktentasche, bin verdattert, finde, lege vor und vergesse anschließend, wie mir wenig später im Flugzeug auffällt, das Voucher-Heft wieder einzustecken. Könnte sein, dass es mir aus der Hand geglitten ist, oder dass ichs in den Müll geworfen habe, oder aufgegessen - was weiß denn ich! Jedenfalls ist es weg. Kriegen wir jetzt keinen Transfer? Was passiert an der Rezeption? Müssen wir im Straßengraben schlafen? Ich betäube meine Panik per „The Bucket List“ (bei Condor ein „Premium-Film“, 8€ Aufpreis) mit Jack Nicolson und Morgan Freeman. Todkranke erfüllen sich letzte Wünsche à la Baden mit Delfinen und „Die schönste Frau der Welt küssen“. 2 Stunden Sitzschlaf, dann Landung. Beim Warten auf die Passkontrolle formuliere ich allerlei Voucher-Verlust-Ausreden vor, und Teresa beschwichtigt: „Kein Mensch braucht Vouchers, Hauptsache, die Pässe sind in Ordnung! Wenn der fehlt, darf man zur Botschaft, au wei“. Prompt wird ihr Pass besonders akribisch unter die Lupe genommen, und weil irgendetwas mit der Gültigkeit nicht stimmt, gehts zur Nachkontrolle auf die Polizeistation. Ich warte ein Stündchen draußen, im schwarzen Frack schwer schwitzend, dann gehts weiter mit der Auflage, sich in den nächsten Tagen bei der deutschen Botschaft um Klärung zu bemühen. Der Transfer ist inzwischen schon lange weg, aber man stellt uns ein Taxi, auch ohne Voucher. Der Fahrer erzählt mindestens zwei Dutzend mal, dass wir uns nunmehr im Paradies befänden, bienvenue au paradis etc, und der Blick auf den türkisen Ozean illustriert seine Worte aufs paradiesischste. Mein Frack riecht mittlerweile wie ein sehr altes Briefmarkenalbum, mein Hemd allerdings nach totkrankem Delfin, was sicher damit zu tun hat, dass es hier heiß ist. 31 Grad zeigt das Thermometer im Taxi, und der Linksverkehr lässt uns im übernächtigten Zustand jedesmal zusammenzucken, wenn sich von vorn ein Auto nähert. Zuckerrohr satt, darin bunte tamilische Tempel. Mehr sag ich jetzt nicht - erstmal Einchecken, die schönste Frau der Welt küssen und den Frack ablegen. Dahinten sehe ich schon den Hotel-Hügel...



Samstag, 3. Februar 2018

Kurios: Koreanische Kosmetik

Die Verkäuferin im neuen koreanischen Kosmetikgeschäft um die Ecke erklärt: „Die Haut ist für uns Koreaner ganz besonders wichtig. Sie ist unsere Visitenkarte“. Und aus dieser Bedeutungsschwängerung hat sich in Korea eine sonderbare Spezialkultur entwickelt, nämlich: Gesichtsmasken aus Papier, in klärende und nährende Cremtinktur getränkt, zum Aufs-Gesicht-Pappen. Und der Clou: Die Masken sind motivisch bedruckt und stellen zB Tiere dar (oben: Einen Seeotter).

Am verrücktesten finde ich zunächst den Einsatz von Schneckenschleim in der Hautpflege. Nach kurzem Nachdenken leuchten mir die Vorteile jedoch ein: Schneckenschleim soll den Fuß des Weichtieres geschmeidig halten und vor Verletzungen schützen, und darum beinhaltet er antibakterielle Inhaltsstoffe. Und was der Schnecke recht, ist dem Menschen billig, wie ein uraltes koreanisches Sprichwort behauptet.

In der Anwendung ist die Schnecken-Maske dann eher unschnecktakulär; man legt sie 15 Minuten auf, erschreckt seine Mitbewohner und klopft anschließend die Restschmiere in die Haut ein - oder lässt einklopfen (Tip: Besser nicht verraten, was da eingeklopft werden soll).


Ob ich nach Anwendung der Schneckenmaske besser aussehe als nach Auflage der Seeotter-Maske, kann ich nicht sagen. Während der Behandlung gefiel ich mir im Otterkleid besser. Um die Langzeitwirkung zu untersuchen, müsste ich wohl über einen längeren Zeitraum täglich drei Euro in eine Maske investieren und Vergleichszeiträume festlegen. Finanziell ähnelte das Unterfangen also dem Rauchen, früher, und da wage ich durchaus die Prognose, dass Masken der Haut besser bekommen als Zigaretten. 

Zu guter letzt präsentiere ich meine Lieblingsmaske. Das Pflegemittel basiert auf Rotwein, und so riecht sie auch. Wer sich der Önologie nahe fühlt, sich aber keinen hinter die Binde kippen darf, kann sich jetzt die Binde immerhin auflegen. Der rebensaftige Duft lässt frohlockten, bei Dauergebrauch womöglich sogar lallen. Perfekt für die Mittagspause. 


Wer auch so schön sein will wie ich: Der Laden heißt „MiiN Corean Cosmetics“ und befindet sich in der Westenrieder Straße 8 in München. 


The biggest Arztroman ever

Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...

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