Dienstag, 6. Juni 2017

Wie die Qatar-Krise gelöst werden kann:

Der Müllberg. Von der siebten bis zur zehnten Klasse führte mein Schulweg an der Mülldeponie in Oldenburg-Kreyenbrück entlang. Etwas langweilige Mittelstufen-Jahre, die in meiner Erinnerung mit einem prägnanten Müllduft verbunden sind. Seltsam, wie ich immer und immer wieder auf Aspekte meiner Biografie stoße, die mit "Mief!" In Verbindung zu stehen scheinen. Nun gut; womöglich sind alle Menschen tagtäglich odoral touchiert, ohne dass dies jedoch bewusst wahrgenommen wird - im Gegentum, wie Walter Kempowski sagen würde. Und dabei lassen sich doch gerade vor Gestank die Augen nicht verschließen - jedenfalls nicht so, dass dies irgendeine desodorierende Wirkung hätte. 

Heute ist der Müllberg begrünt und der Öffentlichkeit zugänglich. Der "Osternburger Utkiek" ist die höchste Erhebung der Stadt und erlaubt einen fabelhaften Blick auf die Skyline der Huntemetropole. Konzentriert man sich auf den feinen Sand zwischen den Zehen und kneift die Augen zusammen (und phantasiert sich orientalische Düfte hinzu), könnte man meinen, man sei nicht in Kreyenbrück, sondern in Qatar - also in jenem Land, das über Nacht zum bösesten Buben, zum Müllberg der Weltgemeinschaft geworden ist. Welch Blitzkarriere! Apropos Qatar: Ich bin immer noch krank. Statt Sport werde ich heute meinem Vater die Ehre erweisen, der das Wildeshauser Gildefest zum 50. und letzten Mal als Richter bereichert. 

Wie viel besser wäre es der Menschheit ergangen, wenn sie ihre Konflikte dem Wildeshauser Gildegericht zur Lösung vorgelegt hätte! Gestern, so erzählt mein Neffe, soll er einen Festgast verurteilt haben, weil er aus Hannover stammt und von dort angereist war, während die Verteidigung auf Freispruch plädierte. Hannoveraner seien schon durch ihren Wohnort genug gestraft. Einen anderen Angeklagten soll Papa mit Schnaps übergossen haben - weitere Hintergründe dieses Prozesses sind mir nicht bekannt. Und abends soll er, der Überachtzigjährige, neue Tanzstile erfunden haben: Sockfuss, den Takt mit den Schuhen klatschend. 

Ich habe den besten Vater der Welt und bin sicher, dass er auch die Qatar-Krise im Handumdrehen lösen würde, etwa, indem der Scheich verpflichtet wird, statt Muslimbrüder den TSV 1860 München zu unterstützen (neuer Spielort in der Wüste!) oder strafhalber nach Hannover zu ziehen. Oder er löst die Krise nicht im Umdrehen der leeren Hand, sondern durch Verguss einer Schnapsflasche. Das bringt manchmal mehr als gemeinhin unterstellt wird - ohne, dass man präzise sagen könnte, was. Auf jeden Fall riecht es besser als Müll. 

Montag, 5. Juni 2017

"Bitte gehen sie weiter - es handelt sich um einen Notfall!"

Im Zug Richtung Schützenfest. Wir hocken auf (nicht für uns) reservierten Plätzen und testen verschiedene Strategien, diese Sitzgelegenheiten bis Bremen zu verteidigen. Gar nicht so einfach, wenn alle Reisenden ohne Sitzplatz vom Zugchef aufgefordert werden, wegen der Überfüllung wieder auszusteigen und den Folgezug zu nutzen. Als wirksam erweist sich das Auspacken und Drapieren sämtlicher Lebensmittel, inklusive Käseplatte. Das Reisebesteck wird sodann als Wimpel in die Salate gerammt, um beim Konkurrenten eine unterbewusste Anerkennung unseres Besitzanspruches zu erzielen. Überlaute Polemiken über Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen, parapsychologische Kriegsführung gegen Salafisten oder den Umgang mit lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten ("Ich habe jetzt zum zweiten Mal Bruzelose und lasse mich davon nicht einschüchtern") scheinen bei manch Sitzwilligem ebenfalls einen Denkprozess einzuläuten, der zum Weitergehen führt. Und, hurra: Tatsächlich bleibt uns das Schicksal der Vertreibung erspart. 

Rekonvaleszenz: Zeit für die mittelfristige Lebensplanung. Kaum kann ich mich jener Sehnsucht erwehren, die mich auf Schuhe vollständig und forever verzichten lässt. Noch in diesem Jahr möchte ich einen weiten Weg barfuß zurücklegen. Die Rollerfahrt von Garmisch nach Riva steht bereits fest. Auch ein erster Auftritt als Klavierbegleiter (Mozart, Schubert, Wagner, Ives) zeichnet sich ab. Gerne gäbe ich auch den "Influencer" in Sachen Sütterlin. Mit meinen deutschen Schreibschrift-Fertigkeiten kann ich mich selber wunderbar begeistern; sie sind mein persönlicher Beitrag zur "Leitkultur"-Debatte, aber ein winziges Detail kippt eine Messerspitze Trübnis in die Euphorie: Kaum jemand kann meine Ergüsse lesen. Sogar ich selber muss mich arg konzentrieren, wenn ich nach einigen Tagen einen Blick aufs Übungsblatt werfe: 




Sonntag, 4. Juni 2017

Homöopathie oder Schulmedizin?

Inhalier-Tag. Frotteeverschleiert denke ich im heißen Dampf an die armen Engländer, die gerade so terrorgebeutelt sind, und überlege, wie der Plage Einhalt geboten werden kann. Akut geht es darum, jenen, die Attentate planen, in den Arm zu fallen. Ich kenne mich nicht sonderlich aus, was die geheimdienstlichen Methoden derzeit hergeben, aber angeblich weiß "Big Data" doch sowieso alles über uns und unsere Absichten. Merkwürdig also, dass diese nicht sonderlich hellen Dschihadisten der Überwachung entwischen. Wie kommt das? 

Überwinden wird man den IS eh erst, wenn die jungen Schnösel, pornoerfahren und versoffen, im Rahmen ihrer Läuterung nicht mehr Halt im Gauben finden - als klassische Konvertiten in radikaler Ausprägung, wie das bei Konvertiten eben so ist. 

Nach meiner eigenen Erfahrung verliert eine "hippe" Jugendbewegung dann an Zulauf, wenn es "hippere" Alternativen gibt. Also ist es unsere Aufgabe, attraktivere Angebote auszuknobeln als den Suizid mit nachfolgender Sicherungsverwahrung im Himmel bei den vielen Jungfrauen. Leider bietet "der Westen" immer weniger Lebensmodelle, in denen man gesellschaftliche Anerkennung erfahren kann, abseits von Mein-Haus-meine-Yacht-mein-Pferd. Und das Morgenland kopiert, ebenso wie andere Weltengegenden, den "Westen" diesbezüglich nach Kräften. Als ich Teenager war, konnte man (ich) sich zum Beispiel entschließen, Künstler zu werden, und als armer Künstler durfte man sich ganz besonderer Reputation sicher sein - wie sich zB in der Gründung der Künstlersozialkasse ausdrückte. Oder man wurde Geisteswissenschaftler, studierte 30 Semester und galt dann als gebildet. Beide, Künstler und Geisteswissenschaftler, sind heute arme, bemitleidete Würstchen - wenn sie nicht gerade Damien Hirst heißen oder einen Nobelpreis kassieren. Oder man wurde stolzer Arbeiter, sang Arbeiterlieder und wurde Mitglied im Arbeiterschwimmverein. 

Wo also soll der Maghrebiner in der Banlieue sich positionieren, wenn es ihm nicht gelingt, die Karriereleiter im Sturm zu erklimmen? 

Schnottige Schlieren tropfen unter meiner Burka küchenbodenwärts. Es gibt viel zu gesunden. 

Samstag, 3. Juni 2017

Schneeflöckchen, Weißröckchen

Um fünf klingelt der Wecker, und fünf Minuten später mache ich mich auf zu einer Stippvisite bei Frau Holle. Mit der Werdenfelsbahn gehts zunächst nach Garmisch, wo ich meinen Sohn Cyprian und seinen Freund Paul treffe. Wir überqueren die Loisach und marschieren vom Standortübungsplatz "Am Esel" auf dem Kramerplateauweg bergan. Gestern und noch heute morgen machten mir vereiterte Atemwege Kummer; der Husten schmerzt, und das Sprechen fällt mir schwer, was wiederum vorzüglich zum brüllend heißen Sommermorgen sowie zum steilen Bergpfad passt, den wir im Nähmaschinenschritt begehen. Cyprian stürmt gepardisch bergauf, Paul als sportlich hochbegabtes Triathlon-Talent lässt sich nicht lumpen, und ich eile mit verbissener Miene hinterher. Nur einmal halten wir für eine kurze Rast, pressen den Inhalt der Quetschflaschen in unsere geröteten Gesichter, und nach kurzem Rülps gehts weiter. Salziger Schweiß brandet mir über die Augen, es brennt, ich weine, egal. Meine Hände führen die Teleskopstöcke, Zeit zum Schweissabwischen ist erst oben. 

Vorher müssen ein paar Altschneefelder gequert werden. Das ist auch mit meinen Leguanos gut machbar, wie überhaupt bergauf kein Nachteil gegenüber sonstigen Schuhwerk zu vermerken ist. Da die junge Generation auf die zeitlichen Sonderwünsche des Seniors keinerlei Rücksicht nimmt, bliebe für ein eventuelles Ausrutschen, Absturz, einen Rettungseinsatz der Bergwacht auch gar keine Zeit. Ich muss hinterher, schnell!


Nach guten zwei Stunden sind wir oben. Auf dem Kramerspitz, 1985m. Großartige Rundsicht auf Zugspitze, Garmisch, Eibsee, den ganzen Klimbim. Cyprian rennt sogleich weiter auf einen Nebengipfel, um schicke Bilder für seine Instagram-Seite zu knipsen. Ich stopfe mir derweil Bananen in die Goschen und wundere mich, warum der Inhalt meines Rucksacks so nass ist. Aha, ein Fläschchen Duschgel, im Taschenbodensediment verschollen geglaubtes Überbleibsel einer Mehrtagestour vor einigen Jahren, ist ausgelaufen. Wie schön. Merken: Bei der nächsten Rucksackreinigung kann auf den Einsatz von Putzmitteln verzichtet werden. 

Nachdem mein Puls leidlich normalisiert ist, versuche ich mit meinem Wischfon, ein Panoramabild zu fotografieren, aber dazu müsste ich die anderen Wanderer hier oben mitfotografieren. Das wiederum will ich nicht - ich selber mag ja auch nicht ungefragt fotografiert werden. Also versuche ich die Leute auszusparen, was zu merkwürdigen schwarzen Rändern im fertigen Bild führt:

Bergab zeigen meine "Barfuß-Schuhe" gewisse Nachteile. Zunächst: Wirklich barfuß würde ich für diesen Weg die x-fache Zeit brauchen. Leguanos bieten dem Fuß wenig Schutz, aber immerhin so viel, dass man auch auf grobem Bergschutt nicht verzweifelt. Bergab allerdings muss man eben doch genauer gucken, wo man hintritt, als in normalen Schuhen üblich. Oder, ums positiver auszudrücken: Leguanos schulen den bewussten Gang. Heißt: Wenn ich denn alle paar Dutzend Schritte den Blick vom Weg abwende, sind meine jungen Begleiter in ihren amtlichen Trailschuhen weit, weit enteilt. Vorteil des Nachteils: Die Halsentzündung erlaubt eh keine großartigen Plaudereien.


Bald erfrischen wir uns auf der Steppbergalm, auf fünfzehnhundertirgendwas Meter. Zum alkoholfreien Weißbier verzehre ich ein Stück Käsekuchen und freue mich auf den morgigen Muskelkater. Weiter. In leisen, kleinen Schritten renne ich den Jungs hinterher. Die Themen ihrer Gespräche kann ich aus der Ferne nur noch erahnen: Es geht um Fußball, den Studienort Regensburg und die verschiedenen Varietäten der handelsüblichen Gewitterwolke (umschmeicheln soeben die Zugspitze gegenüber). Und um mysteriöse Selfi-Unfälle, die derzeit hipste, modernste Todesursache. 

Nach 13 km und etwas über 1000 Höhenmetern ist der Spaß vorbei, und um 13:07 sitze ich wieder im Zug gen München. Erstmal Handy raus, gucken, was es Neues gibt. Aha, Cyprian hat sein Bild gepostet. Ist wirklich uiuiui geworden. Und ich bin auch zu sehen! Der Typ, der steht. Zweiter von rechts. 



Freitag, 2. Juni 2017

Trump und der Wunderbaum

Es soll ja Menschen geben, die sich über Trumps Kündigung des Pariser Klimaschutz-Abkommens ärgern, aber selber im SUV von Stau zu Stau gondeln. Daran gibt es nichts zu kritisieren; jeder Mensch hat das Recht, sich inkonsequent, bizarr, ja, völlig bescheuert zu verhalten. 

Nun fahre ich selber kein Auto mehr, könnte also mit moralistischer Attitüde "persönliche Klimaziele" deklarieren, aber, ganz unter uns gesagt: Mir ist der individuelle Kampf gegen den Klimawandel zu mühevoll. Ich habe keine Lust, meine Emissionen zu reduzieren, um den Planeten zu retten, und über Trump kann ich mich kaum mehr echauffieren als über Teile der südoldenburgischen Landbevölkerung, zu der ich Kraft meiner Ahnenreihe gehöre - die Leute im "Land der ewig stinkenden Felder" ticken im Normalfall ähnlich wie der US-Präsident. Und sehen auch ganz ähnlich aus (mit etwas roteren Nasen, manchmal). 

Nein, ich meide Kfz nicht, um die Welt zu retten, sondern weil ich mich in ihnen unwohl fühle. Das Problem beginnt mit der Sitzposition: "Sitzen ist das neue Rauchen" titelte der Stern vor einiger Zeit; man zwingt den Körper in Runen-Form und in die Bewegungslosigkeit, und Blut und Wasser suppen in die Haxen. Wenn man am Steuer wenigstens liegen könnte!

Sodann die Karosserie. Kein Kontakt zu Wind und Wetter, die Aromen der Landschaft entgehen mir, es duften höchstens Wunderbaum und Ledersitz. Oder der Aschenbecher, je nach dem. Die Auto-Lobby nennt diese Weltenflucht "Komfort" - für mich ist sie ein Ausdruck der Angst. Angst vor dem wahren Leben. Der Autofahrer will sich verkriechen, in seine rollende Oase, die doch in Wirklichkeit nur ein Blechgefängnis ist. 

Der Autofahrer meidet Busse und Bahnen, weil er dort seinen Artgenossen, mithin sich selbst begegnet. Manch einer riecht nach Knoblauch, nach altem Schweiß, ein anderer schaut traurig drein und blickt dich an, oh weh. Zu riskant, diese Konfrontation. Huschhusch zurück in die Fahrgast-Einzelzelle. 

Das Auto sei "praktisch", höre ich bisweilen. Naja. Lastenräder mit E-Motor sind auch praktisch. Aber auf einem solchen kann ich mir einen Donald Trump eben nicht vorstellen. Obwohl mir der Gedanke gut gefällt: The Donald rollt mit dem Großeinkauf im Zuber den Broadway hinauf zum Trump Tower, und seine Frisur hält auch dem ärgsten Fahrtwind stand.

Nein, "Klimaschutz" ist mir zu hoch. Ich will mich aussetzen, müde turnen, will bang die ersten Tropfen abbekommen, will am Ziel die Faust gen Himmel recken. Autos helfen mir dabei nicht. 

Und was, wenn ich alt und krank bin? Dann möchte ich bitte in einer offenen Rikscha durch die erwärmte Gegend kutschiert werden. Zum Beispiel nach Paris. 

Aber noch geht's mir gut. 

Donnerstag, 1. Juni 2017

Barfuß zum Flughafen Köln

Unkontrollierbares Jodeln und Raspeln: Gestern war noch höchst unklar, ob meine Stimme für den professionellen Einsatz taugen würde, heute in Köln, als Synchronstimme des Vampirjägers Manni in "Der kleine Vampir". Selten habe ich so viele Lutschtabletten verzehrt und so wenig gequasselt wie ich seit gestern. Früh lag ich in der Koje, und bevor ich heute einen ersten Sprachtest durchführte, betete ich zunächst zum Schutzpatron der Schauspieler Genesius von Rom sowie zu Hubertus von Lüttich, dem der Jäger. Und siehe: Unter dicken Schleimschichten fand ich sie wieder: Meine Stimme. Glück gehabt! 


Also machte ich Manni hörbar, diesen schüchternen, erfindungsreichen Knecht, der am Ende der Story über sich hinauswächst. Huch, mehr darf ich ja noch nicht verraten...

Da ich früher fertig war als gedacht, trimmtrabte ich barfuß vom Studio in der Südstadt bis zum Flughafen. Herrlich wärmte mich der sonnensatte Asphalt; an manchen Stellen schien mir der Bitumen bereits kuschelweich. Ja, ab heute haben wir meteorologischen Sommer. 

So sehr das Kölner Pflaster an Fußbodenheizung erinnert, so sehr muss man hier bisweilen Obacht geben: In den breiten Ritzen der Kopfsteinpflaster am Rheinufer liegen die Scherben hunderter Karnevalsumzüge. Gekehrt wird hier scheinbar nie - oder wenn doch, dann eben op Kölsche Art, also in die Fugen. Et hat noch immer jot jejange. 

Ein Höhepunkt des Weges ist die Rodenkirchener Autobahnbrücke; hinter plexigläserner Schutzwand, parallel zum Brummbrumm, verläuft ein feiner Gehweg, von dem aus man einen klassischen Panoramablick genießt: 


Auf dem Rücken trug ich übrigens einen roten Schulranzen von 1973, was mir die Kommentare der Passanten einbrachte, zahlreich wie die Kölschglasscherben: "Jetzt aber schnell; Schule fängt an!"


Schon oft bin ich diesen Weg geradelt und gerollert, aber noch nie gelaufen, und barfuß schon gar nicht. Dabei ist kaum ein Flughafen so angenehm zu Fuß zu erreichen wie Köln/Bonn. Sogar schwere Reiserollkoffer lassen sich auf allen Strassenbelägen gut bewegen. Bestimmt gibt es auch eine naturnähere Alternative zur Porzer Einkaufsmeile - aber als Sensibelchen bevorzuge ich bis auf weiteres glatte Laufgründe. 16 km von Tür zu Tür; liefe man in die andere Richtung, könnte man den Transfer mit einem kurzen Fußbad im Rhein abschließen. Idee: Zukünftig führe ich eine Faltschüssel mit, für Fußbäder am Ziel. 

Gleich geht's heim, nach München. Schuhe ziehe ich heut' keine mehr an. Schönen Feierabend allerseits! 


Mittwoch, 31. Mai 2017

Meuthen, Käßmann und rasierte Beine. 

Während ich gemessenen Abdrucks nach Schwabing rollere, meine Freundin an ihren heutigen Arbeitsplatz begleitend, geht mir die jüngste Kontroverse zwischen Margot Käßmann und der AfD nicht aus dem Kopf. Käßmann lernte ich mal bei einer Fernsehsendung kennen, und als wir anschließend im Auto Richtung Hotel fuhren, erklärte sie mir den spannenden Konflikt zwischen Hannoverscher und Oldenburgischer Landeskirche. Sie war mir sympathisch - ganz im Gegensatz zu Jörg Meuthen, den ich für einen etwas altbackenen Windbeutel halte. Windbeutel, weil er seine Qualitäten völlig überschätzt. Er ist weder ein klassischer Sympath, noch Stratege, und er ist auch nicht gut-bürgerlich, sonst käme er gar nicht darauf, den ollkamelligen Begriff "links-grün versifft" zu verwenden. Die Auseinandersetzungen in der baden-württembergischen Landtagsfraktion zeigen zudem seinen Mangel an Führungsqualität, wobei ich seine Befähigung als Wissenschaftler nicht in Abrede stellen möchte. Die wird er gewiss haben, abgesehen davon, dass mir ein Urteil gar nicht zusteht. Käßmanns theologische Qualitäten kann ich ebenfalls nicht beurteilen - ich kenne mich ja nicht einmal in meinem eigenen Glauben, diesem naiven, torsohaften Privatdialog mit dem lieben Gott, einigermaßen aus. 

Der tatsächliche Sachverhalt lässt sich leicht recherchieren, und das wohlfeile Missverständnis, aus dem die AfD Kapital zu schlagen versucht, entgeht niemandem ohne Mangelcheckung. 

Von der Diskussion um den "kleinen Arierparagrafen" mal ganz abgesehen, kenne ich übrigens kaum jemanden, der keine "nicht-deutschen" Vorfahren hat - meine Mutter zB hieß mit Mädchennamen Kaminski und entstammt einer polnisch-ostfriesischen Sippschaft. Ihr Opa war als Gastarbeiter am Bau Wilhelmshavens beteiligt und blieb anschließend in der Gegend. Väterlicherseits wiederum bin ich nicht nur "bio-deutsch", sondern, schlimmbesser: alle Vorfahren stammten aus Ellenstedt und umzu, seit Jahrhunderten. Übergroße Ohren und besonders kurze Beine waren die Folge. 

Als ich das "Tantris" passiere, denke ich an die etwas verkrampften Versuche der AfD, Käßmann als kranke Schnapsdrossel zu denunzieren. Das ist natürlich einfacher, als über unser deutsches Naturell nachzudenken. Übrigens ist das "Tantris", dieser historische Gourmettempel, im Meuthenschen Sinne versifft: Der Bauunternehmer Fritz Eichbauer ließ sein Traumlokal in den 60ern bauen, und der Auftrag an den Zürcher Architekten Prof. Justus Dahinden lautete: Der Bau soll "exotisch und fremd" wirken. 

Bald rollere ich am Reitstall im Englischen Garten vorbei. Las gerade heute morgen von einer Alpenüberquerung zu Pferd. Angeblich brauche man dafür eine südamerikanische Spezialrasse, und das Gepäck müsse per Auto von Etappenort zu Etappenort transportiert werden - wobei diese Etappen nicht sonderlich weit auseinander liegen: Sechs Tage sind für den Weg vom Ostallgäu zum Reschensee geplant. Da ist man ja zu Fuß deutlich schneller unterwegs, auch in gemessenem Wandertempo. Nein, eine Deutschland-Durchquerung zu Pferd erscheint mir da spannender. Und praktikabler auch. Müsste mit jeder gutmütigen Mähre machbar sein. Und Meuthen gefiele das sicher auch, wegen der stärkeren Akzentuierung des Nationalen. Ist jetzt schon ein Jahr her, dass ich letztmals ritt (siehe Lichtbild). 

Schnapsdrossel, Windbeutel, Tantris, Pferd: Langsam kriege ich Hunger. Ich geh' ma' Happahappa machen.

P.S.: Beine rasiert. Man wird als Mann ja immer wieder gefragt, warum. In diesem Jahr ist die Antwort einfach: Letzte Woche im Schlaflabor wurden an meinen Beinen Elektroden appliziert, und damit sich diese besser festkleben ließen, wurden mir zunächst Trapeze und Drachen in den Pelz gemäht. Diese Bewuchslöcher sahen deutlich bescheuerter aus alle denkbaren Teiltoupet-Lösungen. Oder eben eine Komplettrasur. 


The biggest Arztroman ever

Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...

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