Geschafft! Aber der Reihe nach: In frisch gewaschenen Klamotten verlassen wir morgens Cles und fahren über angenehm gefällige Straßen nach Cunevo - so wie viele andere Radler auch. Dass unsere Route nicht gerade ein Geheimtipp ist, verwundert nicht; im beliebten Radwanderbuch "Alpencross" von Achim Zahn ist unsere als "leichteste" Route offeriert - und eben diese suchte ich, tretroller- und teresentauglich. Dass aber auch diese "leichte" Route mit ihren drei Pässen über 1400 Meter gewisse Tücken birgt, erfahren wir buchstäblich, als wir in Sporminore unseren Abzweig verpassen und auf grandioser Serpentimenstrasse reichlich Höhenmeter gegen Fahrspass eintauschen. Als mir unten mein Fehler auffällt, weicht der Geschwindigkeitsrausch nüchternem Kater. "Ich muss dir etwas gestehen" adressiere ich Teresa, "wir haben uns verfahren". Sie vergibt ohne erkennbaren Groll, und die nächste Stunde wuchte ich, wie bereits gestern am Gampenpass, Rad und Roller durch steile Obstgärten wieder bergauf. Meine Freundin hinterher, die heute, am fünften Tag, erstmals gewisse Folgen des Erlebten vermeldet: Sie fühle sich wie ein Roboter, ihre Beine seien recht ungeschmeidig. Das sei völlig normal, doziere ich, und als ihr Tempo immer stärker nachlässt, biete ich ihr an, nicht nur unsere Fahrzeuge, sondern auch sie selber aufwärts zu ziehen. Zu diesem Zweck ergreift sie von hinten mein Trikot wie eine römische Wagenlenkerin.
Wahrscheinlich geben wir ein gar lustiges Gespann ab, das sich da mit einem knappen km/h hinauf nach Maurina bewegt, aber der Griff zum Schlawittchen scheint hilfreich zu sein, jedenfalls erreichen wir nach einer satten Extrastunde tatsächlich das verwunschenste Bergdörfchen, das man sich vorstellen kann. Wie Schwalbennester kleben die Häuschen am Berg und sind durch einen uralten, massiven Collonadengang miteinander verbunden. Die örtliche Bevölkerung knipst ein Bild (s.o.). Dov'è un bar? Im nächsten Ort, zwei Kilometer weiter. Klingt gut. Aber auch diese zwei km geht's bergauf, und ich agiere als Zugmaschine. In Spormaggiore rasten wir schließlich und überlegen, was zu tun ist. Doch runter an die Etsch? Etappe abkürzen? Nein. Vorsichtshalber buchen wir ein Hotelzimmer in Riva, so dass es kein Zurück gibt. Da müssen wir hin, und zwar noch heute, über zwei Berge, das volle Programm. Ok, wir geben uns die Hand drauf und tanken zwei große Teller Pasta-Brennstoff mit reichlich Oktan.
Interessante Frage: Für wen diese Aktion wohl schwerer ist? Teresa meint, ganz klar für mich. Ich hingegen behaupte das Gegenteil. Untrainiert bei 30 Grad in fünf Tagen über die Alpen, mit allem drum und dran - das ist auch mit Schlawittchenhilfe und im Schneckentempo eine ganz besondere Leistung. Könnte glatt als sportliche Disziplin taugen: Das ungleiche Mixed-Duo. Teamwork ist Trumpf.
Der Weg hinauf nach Andalo ist der Knackpunkt des Tages. Schlappe tausend Höhenmeter, die wir auf der stark befahrenen Strasse zurücklegen. Der Dauerblick in die Bergwelt der Brenta-Dolomiten rechtfertigt in jedem Fall die Entscheidung, nicht an der Etsch entlang zu gondeln.
Irgendwann sind wir oben, und in zügiger Fahrt passieren wir den entzückenden Lago di Molveno. Die Landschaft wird immer verzaubernder, alle Mühen sind bald vergessen. Lauthals singe ich die "Christel von der Post", als ich hinter Teresa her durch die Schluchten jage. Alles in uns frohlockt, jubiliert, triumphiert!
Nur noch ein Anstieg, hinauf zum Passo del Ballino. Vierhundert Höhenmeter - ein Klacks! Wir trinken Café Freddo in San Lorenzo in Banale, dann geht's auffi. Um 17.50 Uhr stehen wir oben, und ab hier, welch großartige Dramaturgie, muss bis zum Hafenkai in Riva keine einzige Pedalumdrehung, kein einziger Rollertritt mehr ausgeführt werden. Unter uns taucht der Gardasee auf, er kommt immer näher, und um 18.30 endet dieses große Abenteuer, ohne Defekt, ohne Sturz, ohne Tränen.
Die schönste Reise, die ich je gemacht habe!
Danke für das schöne Schlussfoto, und natürlich den wie immer unterhaltsamen Text! Und nun? Urlaub!
AntwortenLöschenHerrrrrrliiiiccchhhhh
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