Freitag, 25. Januar 2019

Danke, Heike!



Im Herbst 2000 gewann Heike Drechsler bei den Olympischen Spielen Gold im Weitsprung. Ich sass, griessbreigesättigt, vor dem Fernseher und dachte mir: Wenn Heike Drechsler drei Jahre älter ist als ich und Gold gewinnt - dann gehöre ich ja womöglich auch noch nicht endgültig zum alten Eisen. Ich war damals 33 Jahre alt. Noch am selben Tag besorgte ich mir ein billiges Paar Sportschuhe und lief um das Müllwerk in Oldenburg, eine der Standardstrecken meiner leichtathletischen Jugend. Die Strecke ist 3 km lang, und ich kam zwar nicht im engeren Sinne halbtot, aber doch einigermaßen lädiert im Ziel an. Am nächsten Tag geschah erstaunliches: Ich legte die Strecke erneut zurück, trotz bitteren Muskelkaters. Und auch am dritten Tag lief ich den Weg, verlängerte diesen sogar um einige hundert Meter. Bemerkenswert, da ich während meiner sportfreien Epoche immer mal damit geliebäugelt hatte, regelmäßig Sport zu treiben, und nie hatte ich es geschafft, drei Tage hintereinander zu joggen. Wahrscheinlich war es der Zauber Heike Drechslers, der in meinem Seelengefüge einen inneren Schalter umgelegt hatte - hierfür werde ich ihr auf ewig dankbar sein, und ihre Autogrammkarte hängt gerahmt an einem Ehrenplatz im Wohnzimmer. 
Nein, auch nach drei Tagen war mein Hunger nicht gestillt, ich lief weiter, länger, entschlossener, und bereits am siebten Tag war ich (nachdem ich mich furchtlos ins Blaue gewagt und ein wenig verirrt hatte) eine ganze Stunde joggend unterwegs. Eine Stunde! Ich war so stolz wie selten zuvor in meinem Leben. 
Nun gehöre ich zu jenen, die gemeinhin eher vorsichtig mit dem Wort „Stolz" umgehen. „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" käme mir vermutlich nie über die Lippen, weil ich ja nichts für mein Deutschsein kann. Auch Stolz auf irgendwelche beruflichen Leistungen empfinde ich nicht, weil mein Erfolg ja in erster Linie von der Gunst des Punlikums abhängt - worauf ich wiederum nur in Maßen Einfluss ausüben kann. Meine Erfolge im Fernsehen empfinde ich eher als Geschenk. Das Erreichen sportlicher Ziele im Ausdauersport allerdings ist in erster Linie vom eigenen Fleiss abhängig - jedenfalls, so lange man nicht besser sein will als andere. 
Ein wunderbar unkompliziertes Feld tat sich auf: Wohlbehagen durch Stolz durch Im-Ziel-Ankommen durch Weiterlaufen. Ausreichend früh begriff ich, dass es nicht hilfreich ist, über Tempo überhaupt nur nachzudenken. Besser, der Stolz kommt über die zurückgelegte Distanz zustande, noch besser (weil einfacher), nicht die Distanz, sondern die Zeit, die man unterwegs ist, entscheidet. Ich jedenfalls platzte vor Genugtuung, als ich erstmals eine Stunde am Stück gelaufen war. Ich war: The Body, Forever Number one, ein ganz toller Hecht! 
Soeben fällt mir auf, dass ich ja mal ein Lied gesungen habe, das „Hilf mir doch, Heike!" heisst. Zusammen mit der Band „Bremen" wurde das Werk 1988 aufgenommen und sogar von einigen Dutzend Enthusiasten gehört. Wenn ich mich recht entsinne, ging es in dem Lied um den Weltuntergang, sinkende Schiffe, der Zorn Jehovas, explodierende Vulkane, das ganze Programm. Im Refrain bitte ich Heike, mir zu helfen. Ob Heike Drechsler sich hieraufhin meiner erbarmt hat? 
Ganz nüchtern betrachtet: Wenige Menschen haben mein Leben so radikal beeinflusst wie die Olympiasiegerin von Sydney. Unter den 10 schönsten Erlebnissen, die ich bisher zusammentragen durfte, sind gewiss drei Unternehmungen, die ohne ihre Inspiration nicht stattgefunden hätten. Und Weltuntergang war bisher auch nicht. Danke, liebe Heike! 

1 Kommentar:

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