Dienstag, 19. Februar 2019

Was macht eigentlich Problembär Bruno?


...fragten sich Sohn Leander und ich, klemmten uns Klein-Theodor untern Arm und spazierten zum Museum Mensch und Natur im Nymphenburger Schloß. Zunächst folgen wir unserer Nase in die Abteilung Erdgeschichte. Theo bearbeitet jene Glasvitrine, in der Galileo Galilei als historisch gewandete Big-Jim-Figur für das Konzept der Erde, die angeblich um die Sonne kreist, mit Fäusten. Ja, der unverbogene junge Geist steht den Konzepten der Wissenschaft mit größerer Skepsis gegenüber als wir alten Hasen, die etwa auf die Evolutionstheorie schauen wie die Kanichen auf die Schlange, um im Nagetier-Bild zu bleiben. Womöglich haben sich Giordano Bruno, Kopernikus, Galilei, Einstein allesamt geirrt, und der liebe Gott schuf den ganzen Kram in sechs Tagen, eher er sich am siebten ausruhte, und zwar auf einer riesigen bunten Hängematte, deren rudimentärer Rest heute noch der Regenbogen ist. Na klar; man kann sich fragen, warum Gott die Hängematte falsch herum aufgehängt hat, nämlich mit der durchhängenden Seite nach oben. Kann man, ja. Aber ist das Mattenaufhängen gegen die Schwerkraft nicht gerade ein deutliches Zeichen, ein Statement gegen die Gesetze der Physik, welches Gottes Faulenzerei erst zum Ausweis seiner Göttlichkeit, mithin bibeltauglich werden lässt?
Weiter. Zwischen 1950 und 1960 wurden, so erfahren wir im nächsten Raum, beachtliche 10 % des weltweiten Fluoridbedarfs in einem bayerischen Dorf gefördert, ehe der Fluoridbergbau unrentabel wurde. Schon wieder vergessen, wie das Dorf hiess. Und was man mit Fluorid eigentlich anstellt, ausser dass man sich die Zähne damit putzt. Ich weiss auch nicht, warum ich mir ausgerechnet „10 %" gemerkt habe. Der gut fluorierte Zahn der Zeit nagt an meiner Gedächtnisleistung; meine Hardware ist mittlerweile ziemlich soft. Und damit sind wir auch schon in der nächsten Halle, in der es um die Entwicklung des Lebens geht. 




Ein Schädelknochen fasziniert Leander dort besonders, der flache, kleine, breite Brägenkasten des Australopithecus boisei, des „Nussknackermenschen". Was er nicht an Grips besaß, hatte er im Kiefer: Ungeheure Bißfertigkeit, geeignet für den Verzehr „härtester Pflanzenteile". Im Klartext: Der Kerl verzehrte Xylophone, Saunen und Gelsenkirchener Barock. Ohne Extra-Flourid. Theo robbt derweil „Ä-bff" deklamierend über den Parkettboden. Wäre er ein Nussknackermensch: Gnade dem Parkett! 
Nächster Raum, für mich persönlich der Höhepunkt: Bruno. Nicht Giordano, sondern JJ1 - der Problembär. Da steht er, in seinem stattlichen Glassarg, ausgestopft, beim Plündern eines Bienenstocks am Rande von Kochel am See. Die zeitliche Parallelität seiner Alpentournee und der Fußball-WM 2006 hatte ich vergessen, ebenso wie den an einer Rekapitulations-Tafel erwähnten Einsatz finnischer Bärenjäger mit Hunden und Röhrenfallen (komplett erfolglos). Auf einem Foto sind die Spuren seines Einbruchs in eine Berghütte bei Fügen zu sehen: Die Holzbretter sind wüst zersplittert. Ob das wirklich Bruno war (und nicht doch eher ein Nussknackermensch)? 
Leander und mir kommt Bruno eher zierlich vor. Elegant und eigensinnig wie Karl Lagerfeld. Und, wie er, ein Europäer, die sich über Grenzen hinwegsetzte. Neuland erkundete. Monochrom gekleidet war. 
Damals hielten ausnahmslos alle meine Freunde die Idee, diesen ersten wilden Bären auf Deutschem Boden nach seiner Erschießung auszustopfen und auszustellen für, nun ja, schräg. Und jetzt, da ich vor ihm stehe, empfinde ich diese Geschmacklosigkeit als nicht sonderlich peinigend; im Facebook-Trump-Zeitalter ist des Petzens Präparation pure Petitesse. Beim Betrachten stellt sich mir vielmehr die Frage, ob nicht auch Menschen nach dem Tod ausgestopft werden sollten - bei ihrer Lieblingstätigkeit, so wie Bruno beim Bienenstockplündern. Und dann ab ins Museum, oder zu den Lieben nach Hause, ins Wohnzimmer. Ist das Verbuddeln der Verblichenen nicht eine Riesen-Verschwendung? Würden eine ausgestopfe Oma beim Stricken, ein Karl Lagerfeld beim Choupette kraulen unsere Trauer nicht aufs tröstlichste lindern? Und wenn das analoge Ausstopfen für den Durchschnitts-Hinterbliebenen zu teuer ist, kann man dies zukünftig auch günstig im Internet anbieten: Digital Preparation - der Tote lebt als 3D-Animation weiter, KI-gestützt. Kommt, wetten? 
Und gerade, als ich diesen Gedanken denke, fängt Theodor bitterlich zu weinen an. 
Wir ziehen unseren Hut vor den toten Meistern: Petz, Giordano, Bruno, Ganz und Karl Lagerfeld sowieso, der gewiss nunmehr in einer schwarz-weißen Regenbogen-Hängematte Platz genommen hat, um auszuruhen. 



1 Kommentar:

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