Die beiden großen Beiträge der nordamerikanischen Indianer zur Weltkultur sind: Kraulschwimmen und Rauchen. Mit dem Erkalten der Glimmstengel bleibt fürderhin nur noch das Kraulen übrig. Schade.
Meine persönliche Raucherkarriere begann am 14. Januar 1983, sechs Tage vor meinem 16. Geburtstag. Mit der Band KIXX absolvierte ich mein erstes Konzert, und zwar im Jugendzentrum Papenburg. Für die Zugabe erklomm ich eine Getränkekiste und blökte auf dem Altsaxophon eine punkige Fassung der deutschen Nationalhymne. Nach dem Gig ließ ich mir erklären, wie man mit Filterpapier und Halfzware Shag eine Zigarette bastelte. Das frisch erworbene Wissen belohnte ich umgehend mit meiner ersten Selbstgedrehten - Heerscharen glühender Kämpfer an der Hustenfront sollten folgen. Für unser erstes Konzert kassierten wir übrigens eine Gage von DM 400,-. Auf dem Heimweg im babyblauen Opel Kadett unseres Schlagzeugers ging der Wagen kaputt. Ein zufällig vorbeikommender Bauer erklärte sich nicht nur bereit, uns abzuschleppen, sondern auch, das Auto zu reparieren, und die Reparatur kostete genau DM 400,-. Wie gewonnen, so zerronnen, wie Donald Duck zu sagen pflegte - eine Lektion fürs Leben.
Ich rauchte also gerundet vom 16. bis zum 44. Lebensjahr und müsste in diesen Jahren mindestens 100.000 Zigaretten vertilgt haben. Jetzt, da ich dies notiere, ärgere ich mich etwas, dass ich nicht von Anfang an mitgezählt habe - ein Fest zu Ehren meiner 100.000sten Zigarette wäre nicht unulkig gewesen, mit Freitabak für alle Festgäste, dem Sensenmann als Stargast und einer Tombola. Hauptpreis: Eine Reise auf die Plantagen in Reval, Trostpreis: Eine Dauerkarte im Hallenbad (weil: Kraulschwimmen und Rauchen schließen sich aus. Schlaue Leute, die Indianer).
In Friedenszeiten ist das entschlossene Dauerrauchen eine der besten Gelegenheiten, anderen, aber vor allem sich selbst, die eigene Heroentauglichkeit zu beweisen: Der Raucher raucht, komme, was wolle, solange das Zwerchfell ein Inhalieren ermöglicht (der Beitrag der Lunge ist nebensächlich). Ich kenne einige baff machende Heldengeschichten, etwa jene meines Freundes J., der sich nach einem schweren Herzinfarkt selber ins Krankenhaus kutschierte, auf dem Weg jedoch erstmal einen Zigarettenautomaten ansteuerte, um ein paar Päckchen Marlboro zu erwerben. O-Ton J.: „Woher sollte ich denn wissen, wie lange ich im Krankenhaus bleiben würde?! Da geht man doch lieber auf Nummer sicher."
Meine eigene Raucherkarriere endete unspektakulär mit einer Erkältung. Nach einer verschleimt-fiebrigen Woche ließ ich’s einfach bleiben, und zu meinem größten Erstaunen ereilte mich seither praktisch nie das Verlangen, wieder anzufangen. Durchschnittlich einmal im Jahr träume ich, dass ich in irgendeiner zugigen Ecke stehe und frierend an der Kippe sauge. Da spukt also noch irgendwas im Hinterkopf, aber im Wachzustand denke ich nie dran.
Den Siegeszug der E-Zigarette kapiere ich nicht. Sie riecht nach Pups und hat - nicht unpassend - die Aura eines verschossenen Arschgeweihs.
Kondensat, dies gebe ich gerne zu, ist unter den elaborierten Teeren eine Spezialität. So wie Onassis die Bar seiner Yacht angeblich mit Hockern möbliert hatte, die mit der Vorhaut von Bartenwalen bespannt waren, so werden die Superreichen der nahen Zukunft ihre Privatstraßen mit Fahrbahnbelägen aus einst inhalierten Asphalten ausstatten. Jahrgangsteere. Sortenreiner Virginia. Oder exhumierte Rauchrückstände von Prominenten, etwa Georges Perec, Ben Webster oder Helmut Schmidt.
Und als Fahrbahnbegrenzungspfähle empfehle ich überdimensionale Zigaretten. Sehen ja eh ganz ähnlich aus.