...so nannte der Laufbuchautor Werner Sonntag 1978 seine „Notizen eines 100 km- Läufers" - ein (inzwischen vergriffenes) Büchlein, dessen Titel zum Mantra ganzer Läufer-Generationen wurde.
Sonntag, 27. Januar 2019
„Irgendwann musst du nach Biel!"
...so nannte der Laufbuchautor Werner Sonntag 1978 seine „Notizen eines 100 km- Läufers" - ein (inzwischen vergriffenes) Büchlein, dessen Titel zum Mantra ganzer Läufer-Generationen wurde.
Startnummernsalat
Warum wählte ich Winterthur als Ort meines ersten Marathonlaufes aus? Im Internet (ja, das gab‘s damals schon) hatte ich eine Liste mit Marathonläufen gefunden. Mein Training wollte ich streng nach Ratgeberliteratur gestalten, wofür in den meisten Büchern 10-12 Wochen veranschlagt wurde, bei Neulingen lieber länger als kürzer. Vorsichtshalber wollte ich erst möglichst spät im Frühjahr auf die Strassen, die die Welt bedeuten, und am liebsten im Ausland, um Pressevertretern aus dem Weg zu gehen, die ein eventuelles Scheitern womöglich mit Genuss vermeldet hätten. Und wenn man noch nie Marathon gelaufen ist, weiss man ja nicht, was auf einen zukommt. Nachher kommt der ominöse „Mann mit dem Hammer", haut einen in 1000 Stücke, und man wird zu einem Fall für die Straßenkehrer.
Hm. 2 passt zwar gut zum zweiten Marathon, aber ich glaube, die damalige Startnummer war doch eine andere. Vielleicht die hier:
Saukel ist immehin ein Laden in der Gegend. Oder die hier?
Verflixt, ich hätte die mal alle beschriften sollen. Könnte auch die hier gewesen sein:
Oh, hier ist nochmal Saukel als Sponsor. Sieht aber irgendwie neuer aus:
Die kann‘s natürlich auch sein:
Zulange her...
Ich weiss schon nicht mal mehr, warum ich die Nummern überhaupt aufbewahrt habe...
In Füssen jedenfalls bin ich später auch wieder mitgelaufen. Da sind die Startnummern leichter zuzuordnen. ZB hier:
Und noch einmal war ich in Füssen:
Klar zuordnen lassen sich immer die Nummern der grossen Stadtmarathons. Zum Beispiel in Bonn, da lief ich 2003 meine heute noch gültige persönliche Bestleistung, nämlich 3:20.
Hamburg. Da trug ich als einziger Teilnehmer eine Krawatte und nannte mich fortan den Sieger der Krawattenläufer-Wertung. Merke: Um irgendwo der Beste zu sein, erfinde einfach eine Sportart, in der Du der einzige Athlet bist. In Hamburg 2002 ging übrigens auch Dieter Baumann an den Start, Olympiasieger in Barcelona über 5000m. Und gab nach 38 km auf. Und bereits Minuten später kursierten T-Shirts mit der Aufschrift: „Olympiasieger-Besieger"
München, da war ich mehrmals. Kann aber nur eine Nummer finden, nämlich die von 2011:
Eifelmarathon 2002. Ein angenehm meditatives Rauf und Runter.
Voralpenmarathon in Kempten. Da gings ganz schön zur Sache, was die Höhenmeter anging.
In Oberstaufen lief man über die Nagelfluhkette, 1900 Höhenmeter, das ist gebirgstechnisch noch anspruchsvoller:
Und im Jahr drauf gleich noch mal, weils so schön war:
Auf die Zugspitze bin ich auch mal gehudelt:
Und, weil mich bald nach noch mehr Steigung dürstete, reiste ich wieder in die Schweiz. Von Chur aufs Parparner Rothorn. Ein Berg, etwa so hoch wie die Zugspitze. Da war ich sogar richtig schnell. Und sah erwachsene Männer im Schnee unterhalb des Gipfels weinen.
Unter den Hochgebirgsläufen ist der Swiss-Alpin-Marathon in Davos ein echter Klassiker. 78 km, und nach zwei Dritteln läuft man an einem Rennarzt vorbei, der einem kurz in die Augen schaut und dann entscheidet, ob man weiterlaufen darf oder nicht. Dem stellt sich jeder mit einem gewissen Lampenfieber vor. Mich liess er passieren, uff.
Und nun noch einmal in die Schweiz, zum längsten Lauf, den ich je am Stück absolvierte, den „100 km von Biel"
Samstag, 26. Januar 2019
Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Räder
Im Winter 2001/2002, als ich enthusiastisch auf meinen ersten Marathon hintrainierte, stolperte ich in nahezu allen Laufratgebern auch über die Erwähnung des Fahrrades als Alternative zum täglichen Trimmtrab. Hatte ich nicht seit Monaten über Staus und Parkplatzsuche auf meinen Fahrten nach München geklagt? Eineinhalb Stunden brauchte ich von Bernbeuren am Auerberg in die Stadt, und ich konnte mir kaum ausmalen, wie lang man mit dem Fahrrad unterwegs sein würde. Einen, zwei Tage? Eine Woche? Hinzu kam, dass ich als Oldenburger das Radeln im Flachland erlernt hatte, auf einem Bonanzarad mit Bananensattel und Dreigangschaltung auf dem Oberrohr. Die hügelige Landschaft des Allgäus erschien mir praktisch unbefahrbar. Ich hatte kurz nach meinem Zuzug eiben Test auf einem uralten Mountainbike unternommen, dass ich im Speicher gefunden hatte. Bereits an der ersten Steigung war ich kopfschüttelnd abgestiegen.
Freitag, 25. Januar 2019
Sport und Sütterlin
Nachdem ich am 8. Oktober 2000 erstmals eine Stunde gelaufen war, setzte eine unerhörte Dynamik ein. Quasi sofort drängte sich mir ein Ziel auf, unwiderstehlich wie die Sirenen für Odysseus: Marathon! Durch Ratgeberlektüre machte ich mich mit den wichtigsten Trainingsprinzipien vertraut, zB mit der sogenannten Zyklisierung (auf drei Wochen Steigerung des Trainingsumfangs folgt eine Erholungswoche) oder mit dem Prinzip der Superkompensation (jeder Trainingsreiz schwächt zunächst den Körper und veranlasst ihn nach einer Weile, sich für den folgenden Reiz zu wappnen, etwa, indem er Kohlehydrat-Reserven anlegt. Diesen Mechanismus gilt es zu nutzen).
Danke, Heike!
Im Herbst 2000 gewann Heike Drechsler bei den Olympischen Spielen Gold im Weitsprung. Ich sass, griessbreigesättigt, vor dem Fernseher und dachte mir: Wenn Heike Drechsler drei Jahre älter ist als ich und Gold gewinnt - dann gehöre ich ja womöglich auch noch nicht endgültig zum alten Eisen. Ich war damals 33 Jahre alt. Noch am selben Tag besorgte ich mir ein billiges Paar Sportschuhe und lief um das Müllwerk in Oldenburg, eine der Standardstrecken meiner leichtathletischen Jugend. Die Strecke ist 3 km lang, und ich kam zwar nicht im engeren Sinne halbtot, aber doch einigermaßen lädiert im Ziel an. Am nächsten Tag geschah erstaunliches: Ich legte die Strecke erneut zurück, trotz bitteren Muskelkaters. Und auch am dritten Tag lief ich den Weg, verlängerte diesen sogar um einige hundert Meter. Bemerkenswert, da ich während meiner sportfreien Epoche immer mal damit geliebäugelt hatte, regelmäßig Sport zu treiben, und nie hatte ich es geschafft, drei Tage hintereinander zu joggen. Wahrscheinlich war es der Zauber Heike Drechslers, der in meinem Seelengefüge einen inneren Schalter umgelegt hatte - hierfür werde ich ihr auf ewig dankbar sein, und ihre Autogrammkarte hängt gerahmt an einem Ehrenplatz im Wohnzimmer.
Ganz nüchtern betrachtet: Wenige Menschen haben mein Leben so radikal beeinflusst wie die Olympiasiegerin von Sydney. Unter den 10 schönsten Erlebnissen, die ich bisher zusammentragen durfte, sind gewiss drei Unternehmungen, die ohne ihre Inspiration nicht stattgefunden hätten. Und Weltuntergang war bisher auch nicht. Danke, liebe Heike!
Donnerstag, 24. Januar 2019
Vom Denunzianten zum Doofen
Nach dem Kinderturnen ging ich mit 10 zum Judo (Schwarz-Weiss Oldenburg). Dies hatte den Vorteil, dass man mich fortan auf dem Pausenhof nicht mehr verhaute. Ich war nämlich in der 3. Klasse zum Klassensprecher gewählt worden und hatte die Aufgabe dieses Amtsträgers anfänglich missinterpretiert, nämlich gemeint, meine Aufgabe bestünde darin, die Namen sich raufender Mitschüler auf einem Zettel zu notieren und diesen im Lehrerzimmer abzugeben. Kloppe war die Folge - bis meine Klassenlehrerin Frau Uster mich bei der Hand nahm, nach vorne an die Tafel führte und raunte „Wigald kann jetzt Judo!" Dann war Ruhe.
Auf meine spätere Karriere als Weltklasselangsamschwimmer deutet in diesem Titelbild nichts hin, ausser evtl die Zeile (oben): „Nur so verdienen sie mit Schiffsbeteiligungen". Mit dieser Anlageform ging nicht nur ich baden.
Mittwoch, 23. Januar 2019
Jugend ohne Kompott
Hier sieht man mich als Grundschüler, wahrscheinlich bei einer sonntäglichen Wandertour mit meinem Vater. Ab ca 1976 stiegen wir an allen Tagen des Herrn morgens um acht in einen zitronengelben BMW 1802 und fuhren ohne Kopfstützen und Sicherheitsgurte an einen Wanderparkplatz, irgendwo außerhalb der Stadt Oldenburg. Sodann folgte ich Papa auf einem zuvor von ihm ausgetüftelten Rundkurs. In der rechten hielt er ein Kartenblatt des niedersächsischen Landesvermessungsamtes, in der linken einen urigen Wanderstock mit allerlei angenagelten Erinnerungsplaketten. Damals meinte man, zum Wandern seien Wanderstöcke unentbehrlich, mit Knauf und Metallspitze. Was ihr Zweck war, habe ich bis heute nicht begriffen - wahrscheinlich brauchte man halt irgendeinen Aufbewahrungsort für die Blechplaketten, und am Stock fangen sie eben weniger Staub als im Tinnef-Regal. Auch ich ging damals am Stock, wie meine Handhaltung verrät. Der Wanderstab selber ist hier nicht zu sehen. Womöglich handelte es sich um ein nicht fotografierbares Spezialmodell, oder das Foto ist einfach alt und verblichen, wenigstens da, wo eigentlich der Stock sein sollte. Dafür erkennt man meinen Rucksack. Ergonomische Traggestelle waren damals noch nicht so weit verbreitet wie heute. Was im Rucksack verstaut ist? Wahrscheinlich eine Jacke sowie Proviant. Ich kann mich erinnern, dass unsere Marschverpflegung im wesentlichen aus hartgekochten Eiern bestand. Dass für Ausdauerleistungen Kohlehydrate unverzichtbar sind, wussten wir damals nicht. Anfang der 2000er Jahre unterhielt ich mich mit Reinhold Messner und fragte ihn nach seinem Proviant bei Mount Everest-Besteigungen. Im wesentlichen, so erinnerte er sich, habe man sich damals von Thunfischkonserven ernährt. Fette seien die konzentrierteste Form essbarer Energie. An Eiern gefiel mir (und gefällt), dass man keine Konservendosen mitschleppen muss, sondern die Verpackung mitgeliefert wird. Wie bei der Banane - Müllvermeidung ist Trumpf.
Hier sehen sie mich bei einer Winterwanderung, ohne Stock, dafür mit mobiler Sitzgelegenheit.
Nur wenige Jahre vergingen, und dann begann auch schon die Jugend.
Für ein paar Jahre wurden die Farben gedeckter und ich experimentierte mit „erwachsen" anmutenden Kleidungsstücken, wie etwa diesen übergrossen Strassenschuhen. Auch in Sachen Hutmode ging ich neue Wege. Auf dem Bild dürfte ich gerade 18 geworden sein, und es zeigt mich beim Bummel durch die Oldenburger Innenstadt. Das Gewässer dürfte die Hunte sein. Hm. Ganz sicher bin ich nicht. Vielleicht bin ich auch schon 20, Zivi in Bremen, und das Blaue ist die Weser. Ja, ich war Spätentwickler. Relativ. Ein richtiger Bart wächst mir noch heute nicht.
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