...nackt in die Nordsee springen
Freitag, 1. März 2019
Freiheit ist...
...nackt in die Nordsee springen
Pizarro
komma Claudio, Aufklärer aus Lima
Einst kauft‘ ich mir’n hochwertigen Beamer
um an die Fassade meines Hauses seine
Tore, Tricks und Zaubereien mit dem Leder
wandfüllend zu werfen. Weder konnten ihn
der Zeitenzahn noch Zipperlein erschrecken.
Junge Spunde, die ihn decken, sehen aus
wie Greise, wenn der Best-Ager sich leise
in des Gegners Strafraum schlingelt.
Gerne klingelt es auch, wenn das
PeruHanseaten-Biest Freistöße listig in
die Mauer schießt (Hertha!) Einundzwanzig
Bundesliga-Runden schafft der
Aufklärer nun Tore; hingerafft blieb
derweil die Beamer-Birne; ihrer Pflicht
entbunden schimmelt sie im Kellerfach.
Aufklärer? Es werde Licht? Warum?
Pizarro hat sie abgewimmelt (lach):
all die Besserwisser, Sensenmänner,
er hat Fakten, äh, Füsse sprechen lassen,
zeigt uns Menschen Möglichkeiten.
Möge er die Jungen leiten. Ja,
er ist ein Aufklärer wie Johann Gottfried
Herder. Schön, dass Du bei Werder
Bremen spielst.
Danke.
Donnerstag, 28. Februar 2019
Hunde, wollt ihr ewig jodeln?
Ein Mann betritt die Tram, bayerischer geht‘s nicht. Lederhose, Filzhut mit Gamsbart, opulenter Zwirbelbart auch im Gesicht, ordentlich Bauchspeck, a richtiger Mo. Zwei große Hunde hat er dabei, die zu seinen Haferlschuhen Platz nehmen. Während ich noch denke: Bayern bietet seinen Bürgern einen besonderen Service, nämlich: Wer will, kann seine individuelle Identität ganz einfach durch eine höhere Form des Menschseins ersetzen, nämlich indem er sich passend anzieht und zu einem bayrischen Mannsbuid wird. Vormittags zwoa Hoibe und an Schnalzer, mittags a saures Lüngerl oder an gscheiten Bries, und auf geht‘s beim Schichtl. Genau das, was in der Globalisierung immer vermisst wird - die Verankerung in der Heimat. Habe ich „Anker" geschrieben? A Schmarrn, des passt nicht, der Anker gehört zu dena Preissn, pfui deifi. Dann denke ich an den schlauen englischen Publizisten David Goodhart, der zwischen „Anywheres" und „Somewheres" unterschied: Erstere kommen überall zurecht, letztere brauchen zu ihrem Glück die Heimat. Und während ich dies so vor mich hin denke, hat meine Frau den Prachtbayern bereits in ein Gespräch unter Hundefreunden verstrickt, dem ich (scheinbar desinteressiert) lausche. Also, beides sind Rüden. Vertragen die sich? Sicher, ist alles eine Frage der Erziehung. Ab und zu eine Backfotzn, und die Sache läuft. Aha, der Mann schlägt die Hunde. Verstehe.
Und täglich grüsst der Brexiteer
Zu den meistbesuchten Apps auf meinem Schlaufon gehören „The Guardian", „The Sun" und „BBC News". Seit dem Plebiszit 2016, das mich wie ein Paukenschlag aus dem Schlaf des naiven Europa-Optimisten riss, versuche ich tagtäglich zu ergründen, worauf die Briten eigentlich hinauswollen, ob Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg tatsächlich selber glauben, was sie predigen, und wie Premierministerin May es bis heute geschafft hat, in nahezu jeder Rede die gleichen Formeln zu verwenden und dabei Jeremy Corbyn erstaunlich klein zu halten. Die einzige positive Identifikationsfigur, die mir in diesem ganzen, quälend langen Irrlauf begegnet ist, heisst John Bercow und ist der Sprecher des Unterhauses. Immer wieder schafft er es, bei aller Neutralität, zu der ihn sein Amt verpflichtet, luziden Witz und Realitätssinn zu demonstrieren. Ja, die schnöde Realität- das ist ein Gut, dessen Akzeptanz im heutigen England besonders schlechte Karten hat. Von Beginn der Austrittsverhandlungen an konnte man in den englischen Medien vor allem mit Visionen punkten, die bei nüchterner Betrachtung zu Skepsis führen sollten, etwa das Konzept „Global Britain" oder die Annahme, dass die EU sich noch während der Verhandlungen selbst auflösen werde. Ich war stets hin- und hergerissen. Einerseits bin ich das, was Merkel mal intern abfällig einen „Herz-Jesu-Europäer" genannt haben soll: Ich wünsche mir nichts weniger als eine europäische Republik, mit einer legislativen Musik, die im Europaparlament spielt, und nicht in der Kommission. Andererseits liebe ich die Tradition der englischen Exzentriker, habe Edith Sitwells Bücher über die „menschliche Amphibie" Lord Rokeby und seine schrulligen Kollegen mehrfach gelesen und schliesse einen freundlichen Nickelbrillenträger, der allen Ernstes mit Chapeau Claque auftritt, sofort ins Herz. Allein: Jacob Rees-Mogg (das ist der Typ mit Zylinder) hat in England viele Anhänger, die sein Konzept des „Zurück ins 19. Jahrhundert" für tatsächlich tauglich halten. Puh. Ich glaube: Ja, UK kann sich alleine gegen alle auf dem Weltmarkt behaupten, wenn zB jeder Arbeitnehmer bis auf weiteres auf 10% seines Einkommens verzichtet. Die Wettbewerbsfähigkeit würde einen solchen Schub erhalten, alle Nachteile durch Zollschranken wären aufgefangen, dass das Konzept „Der Starke ist am mächtigsten allein" durchaus zum Erfolg führen könnte. Wo, wenn nicht in England wäre ein solch tollkühner Weg möglich? Blut, Schweiß und Tränen - das wäre die passende Tonlage. Aber diese Tonlage will derzeit niemand freiwillig hören - schon gar nicht die vielen Anhänger des Brexits, die sich von ihrem Votum vor allem eine Gesundung des National Health Service und weitere staatliche Wohltaten versprochen haben, eine Abschottung gegen die fordernden Geister der Globalisierung, also weniger, nicht mehr Wettbewerb.
Mittwoch, 27. Februar 2019
Auf Bayerns höchsten Berg
Auf der Zugspitze war ich schon einige Male. Grund für den ersten Besuch war die „WiB-Schaukel", eine Interviewsendung, mit der ich Anfang des Jahrtausends meine Brötchen verdiente. Wir drehten mit Johann Mühlegg, dem Skilangläufer, der, für Spanien startend, bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City Gold gewann (und wegen Doping wieder verlor). Rauf und runter ging‘s mit der Bahn. Dann habe ich am „Zugspitz Extrem Berglauf" teilgenommen, der 2003 vom Partenkirchener Skistadion durchs Reintal hinauf zum Zugspitzplatt führte, über 21 km. Und anschließend erklomm ich gemeinsam mit Laufjournalist Udo Möller noch das letzte Stück zum Gipfel. Es war ein heißer Tag mit spärlicher Getränkeversorgung. Immerhin besser als 2008, als der Lauf in die Schlagzeilen geriet, nachdem bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt zwei Läufer kurz vor dem Ziel starben und sechs weitere ins Krankenhaus gebracht werden mussten.
Mein letzter Aufstieg war erst neulich, gemeinsam mit Sohn Cyprian, und zwar von Ehrwald aus. Start also in Tirol, rauf zur Ehrwalder Alm, bei herrlichem Wetter. Keine Grenzerfahrung wie mit Johann Mühlegg, aber doch sportlich anspruchsvoll, weil mein Sohn, Student in Landeck, oft und gerne in den Bergen unterwegs, daher bestens in Form und schnellen Fußes unterwegs ist (Hier übrigens sein Bergtourenblog: https://bergtourenblog.wordpress.com/2019/02/23/mein-erster-3000er/ )
Warum wollen alle Leute dort hinauf? Es ist nicht nur der Deutsche Everest, der Berg der Berge, sondern auch Deutschlands höchste Fußgängerzone. Deutschlands höchstes Postamt. Deutschlands höchste Wetterstation. Deutschlands höchste Steckdose, Bierkneipe, Rolltreppe. Oder befindet sich letztere auf der österreichischen Seite des Gipfels? Denn das wird ja gerne vergessen: dass wir Deutsche unseren Rekordberg teilen müssen, mit Felix Austria, welch Schmach. Diesbezüglich sind die allermeisten 16-Summits-Exemplare der höchsten Erhebung Bayerns überlegen: Bremen etwa hat keinen soo hohen Berg, aber dafür muss dieser nicht mit irgendwelchen Nachbarn geteilt werden.
Und immer, wenn ich dort oben stehe, wünsche ich mir, der zivilisatorische Wahnsinn würde komplettiert werden. Ich wünsche mir H & M, Zara, McDonald‘s. Deutschlands höchste Tiefgarage, Kino, Kreisverkehr, Thai-Massage. Ich wünsche mir Wohnblocks, Erlebniswelten, Spa und Club-Szene - und im Gegenzug wünsche ich mir, dass der Rest der Alpen von übertriebener Bautätigkeit und Zersiedelung verschont bleibt. Man wird ja wohl noch wünschen dürfen.
Dienstag, 26. Februar 2019
Post-Veganismus und Fußgesundheit
...und kaum poste ich ein Bild meines Fußes, wie ich ihn euphorisch der Kölner Vorfrühlingssonne aussetze, lese ich bei Strava den folgenden Kommentar: „Nach gesunden Füßen sieht das nicht aus!!!" Natürlich bin ich sofort alarmiert, nicht zuletzt wegen der drei Ausrufezeichen. Ist mir irgendetwas entgangen? Frostschaden? Fußpilz? Akute Sepsis? Also entgegne ich mit einem besorgten „inwiefern?" Die Antwort kommt prompt:
Montag, 25. Februar 2019
Böse ohne Grund
Impulskontrolle war noch nie meine Stärke.
Achte Klasse, Schule aus. Ich radelte vom Schulzentrum Kreyenbrück nach Hause, und kurz, bevor ich auf den Radweg am Müllwerk einbog, kam mir ein Junge auf einem beigen Tourenrad entgegen. Blond, dünn, prominente Schneidezähne. Am Beginn seiner Pubertät - just so wie ich. Die Richtung, aus der er kam, ließ annehmen, dass er die nahe gelegene Hauptschule besuchte.
Ich habe auch heute, vierzig Jahre später, keine Ahnung, was mich trieb, warum ich meinen linken Arm streckte und anhob, nach Art einer mittelalterlichen Turnierlanze. Jedenfalls hatte der Junge keine Chance, meine Attacke kam aus dem Nichts; kurz bevor er mich passierte, traf ihn meine Faust an der Schulter, stieß ihn aus dem Sattel. Er flog einige Meter durch die Luft, während sein Tourenrad noch einen Augenblick weiterfuhr. Im Augenwinkel sah ich den Jungen hart auf den Asphalt aufschlagen, und gleichzeitig beschleunigte ich meinen Tritt. Bald war ich außer Sicht, mein Herz pochte, und mich befiel ratlose, rastlose Panik. Warum hatte ich das getan? Nichts fiel mir ein, was als Antwort getaugt hätte. Ich kannte den Jungen nicht, hatte ihn nie zuvor gesehen, hatte auch nichts gegen Hauptschüler mit großen Schneidezähnen. Meine Tat war mir ein Rätsel - und ist es bis heute.
Bald war ich daheim, erzählte meinen Eltern nichts und versuchte, den Vorfall zu vergessen.
Tag zwei, große Pause. Meine Klassenkameraden und ich spielten Fussball. Weitläufiger Pausenhof, keine Aufsicht in der Nähe. Am Parkplatz tauchte ein finster dreinblickender Trupp Hauptschüler auf, angeführt von einem muskulösen Kleiderschrank mit Ofenrohr-Armen. Ganz hinten erkannte ich mein Opfer, mit geprellter Hand auf mich zeigend. Der Kleiderschrank nickte und ließ seine Fingerknöchel knacken. Bevor ich diskret flüchten konnte, hatten sie mich auch schon umstellt; der Schrank, zwei Schubladen größer als ich, packte mich am Schlawittchen, hob mich aus den Latschen und raunte mit ins Bassregister gebrochener Drohstimme: „Warum hast Du das gemacht?" Adrenalin durchflutete mich. Ich blieb stumm, wohl weil die Angst mich lähmte, aber auch, weil ich keine plausible Antwort parat hatte. Im Hintergrund sah ich, wie meine Klassenkameraden in Wortgefechte mit den Hauptschul-Delegierten gerieten. Einer meiner Freunde nahm einen der Rächer in den Schwitzkasten, ein anderes Paar rollte ringend übers Pflaster, doch ich hing weiterhin regungslos an den Pranken des Kraftprotzes, rücklings an eine Waschbetonwand gepresst. Schlotternd rang ich nach Worten, aber kein Piep schaffte den Weg an meinem Kehlkloß vorbei. Dann erklang der Pausengong, mein Rächer ließ mich fallen; die Hauptschüler gingen Richtung Hauptschule ab, und wir machten uns auf den Weg zum Französischunterricht bei Frau Trinks.
Was es denn mit der Attacke auf sich habe, fragten meine Mitschüler. Keine Ahnung, log ich, und zuckte mit den Schultern.
Tag drei. Wieder tauchten die Hauptschüler in der großen Pause auf, Schneidezahn hinten, Kleiderschrank vorne, wieder hob dieser mich aus den Angeln, stellte mich zur Rede, ohne dass ich auch nur eine Silbe hätte sagen können. Und wieder endete das Tribunal mit dem Pausengong.
Als ich nach der fünften Stunde heim radeln wollte, begegnete ich im Fahrradkeller meiner Klassenlehrerin. „Man erzählt sich merkwürdige Sachen. Stimmt es, dass du einen Hauptschüler einfach so vom Rad gestoßen hast?" Ich setzte mein harmlosestes Gesicht auf, gab mich betont schlapp und schmächtig. „Aber Frau Hinrichs, sie kennen mich doch. Trauen sie mir sowas zu? Und warum sollte ich derlei tun?" Ja, warum. Frau Hinrichs legte den Kopf schräg, schaute mich eindringlich an und nickte. In mühsam getarnter Beklommenheit radelte ich davon.
Tag vier. Die Sache wuchs mir über den Kopf. Um in der großen Pause nicht erneut vom Rächer meines Opfers drangsaliert zu werden, vertraute ich mich meinen Eltern an. Eine Horde halbstarker Hauptschüler habe es auf mich abgesehen, terrorisiere mich, und um meine Not zu untermauern, verwies ich auf psychosomatische Symptome, etwa Fieber. Das testhalber in der Achselhöhle versenkte Thermometer manipulierte ich in einem unbeobachteten Moment am Heizkörper. Knappe 39 Grad; genug, um das Bett zu hüten und nicht zur Schule zu müssen. Meine Eltern nahmen derweil Kontakt mit dem Rektorat auf, und ich war gespannt auf den Fortgang der Ereignisse.
Lange warten musste ich nicht. Am frühen Nachmittag öffnete sich die Tür meines Kinderzimmers, und der Dünne und sein Rächer traten ein, begleitet von zwei Polizisten in Uniform. „So, jetzt dürft ihr euch entschuldigen!" bellte barsch der Hauptwachtmeister. Erst trat der Kraftprotz an mein Krankenbett, drückte meine Hand und murmelte „Es tut mir leid!", dann bat auch mein Opfer formvollendet um Entschuldigung. Großherzig nickte ich den beiden zu und nahm mit fester Stimme die Entschuldigung an, woraufhin beide Besucher davondackelten, begleitet von ihrer Polizeieskorte. Im Hinausgehen nickte der Hauptwachtmeister meiner Mama zu: „Richtig so; man muss sich nicht alles gefallen lassen!"
Und damit war der Fall abgeschlossen.
Für das Foto wurde die Szene nachgestellt.
Danke, Hugo.
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