„Top Gear" für Tretroller: Das wäre eine Fernsehsendung ganz nach meinem Geschmack (Aber dass mein Geschmack im deutschen Fernsehen Berücksichtigung findet, ist eher unregelmäßig der Fall. Zumeist nachts, auf Kabelkanal Nr. 3096b. So in etwa).
Donnerstag, 21. März 2019
Amisch Roller
„Top Gear" für Tretroller: Das wäre eine Fernsehsendung ganz nach meinem Geschmack (Aber dass mein Geschmack im deutschen Fernsehen Berücksichtigung findet, ist eher unregelmäßig der Fall. Zumeist nachts, auf Kabelkanal Nr. 3096b. So in etwa).
Dienstag, 19. März 2019
Hörgerät und Sütterlin
Ja, unsere Premiere hat Spass gemacht. Gestern tüftelte ich jedoch noch an einem „Bandnamen" herum, der Jürgens und meine Auftritte veredeln könnte. Auf dem Zettel standen gestern Nachmittag:
Mal sehen, ob sich irgendwas durchsetzt. Notfalls müssen wir weitermachen wie Sonntag. Da las man auf der Tafel lediglich:
Samstag, 16. März 2019
Gibt’s eigentlich dieses „England“ noch?
„I would prefer not to“ sprach Bartleby
Die Räbin krächzte heiser
und Ringo starrte immer leiser
auf seinen Stick, der lang und länger wurde
Bloody Sunday? Das ist neu
Dyson macht mit schwingendem Gemächt
sich aus der Geschäftsgrundlage
Bingo-Bänker exen Äpplewoi
Das Unterhaus:
ein Boomerang bei Instagram
Und alle haben recht.
Donnerstag, 14. März 2019
Trautmann-Tränen
Wieder gesund! Was ist passiert, während ich mich durch die Tage röchelte? Beckmann wurde gescholten, weil er mit „Nazis“ feierte. Mal abgesehen davon, dass der Begriff „Nazi“ historisch präzise definiert ist und ein Nazi etwas anderes ist als zB ein Faschist, ein Nationalkonservativer oder ein wirres Enfant terrible, fand ich die ganze Empörung über Beckmann fehl am Platz. Einer muss doch mit den Leuten reden! Nicht wegducken, sondern: Einladung annehmen, ran ans Büffet, raus mit der Klampfe!
Montag, 11. März 2019
Beckmann, Matussek und die katalanische Wasserschnecke
Im fiebrigen Traum riss mich ein Handstaubsauger vom Teppich. Nach kurzem Flug durchs Rohr landete ich sanft in einer verstaubten Partygesellschaft. Matthias Matussek feierte seinen 65., und Beckmann sang zur Gitarre einen Song von Bob Dylan. Jan Fleischhauer vom Spiegel war auch da, ebenso wie dieser sonderbare Kolumnist von der BILD, der mit den langen Zähnen und den tiefen Falten, der immer etwas an den Wolf erinnert, der sich als Großmutter verkleidet hat. Der Geschäftsführer der „Jungen Freiheit" erhob sein Glas, und man redete über Meinungsfreiheit („...alles wie damals in der DDR"), Trump („gnadenlos unterschätzt"), und den Chemnitzer FC („kann doch sein, dass auch ein Hooligan privat ein feiner Kerl ist"). Ich schenkte Mattusek eine Flasche Danziger Goldwasser und einen Stapel Papst-Benedikt-Bierdeckel und erzählte ihm anschließend, unlängst im Kölner Zoo das Affenhaus besucht und erfahren zu haben, dass alle Menschenaffen jahrelang stillen. Nur wir Menschen nicht. Große Augen. Beckmann hört auf zu singen. Was ich damit sagen wolle? Ich werde unsicher, weiß es selber nicht, verliere den Faden, preise, um das peinliche Loch zu stopfen, den nicht nur namentlich bemerkenswerten Alfsee nahe Osnabrück, frage, ob schon mal einer der Anwesenden katalanische Wasserschnecken gegessen habe? Mit Zahnstocher, per eingeschnitztem Widerhaken zum Besteck veredelt? Betretenes Kopfschütteln. Beckmann singt „Schön ist es auf der Welt zu sein" und „Hab meinen Wagen voll geladen", Matussek hat sich als Ölscheich verkleidet und tanzt auf‘m Tisch. Schweißnasses Erwachen.
Freitag, 8. März 2019
Nackt in Paris, eine öde Ode
Über den schwimmbegeisterten Landadeligen Lord Rokeby schrieb Edith Sitwell in ihrem großartigen Handbuch „Englische Exzentriker", er habe seine Freunde bei jeder Gelegenheit mit länglichen Gedichten gelangweilt. Ich verschoss mich sofort in das liebenswerte Ensemble einer Reihe gesetzter Herren am knisternden Kamin, die aus reiner, echter Freundschaft ihre Müdigkeit unterdrücken und verstohlen gähnend den Ergüssen Rokebys lauschen. Von diesem trauten Bild habe ich mich inspirieren lassen und den ersten Teil eines Langgedichts verfasst, bei dem Ausführlichkeit weit vor allen anderen Parametern rangiert:
Mögen die anderen glänzen mit leuchtendem, warmem Gesang
Möge der Lorbeer für Wahrheit auf anderen Häuptern ruhen
Möge man andere Dichter beklatschen für ihre tollkühnen Oden
Sie feiern und preisen und teilen. Mir bleiben Pfeifen und Buhen
Man werfe Dosen mit Hopfensaft feste an meine sprechenden Lippen
Oder besuche erst gar nicht die Hallen, in denen ich eintönig lese
Mögen die anderen auf Punkte bringen, wofür ich Landkreise brauche
Sinn und Pointen, auch Stil ist woanders, ich arrangier‘ das Gewese,
Reihe die Füllsel als Ketten, und Schlösser befestigen diese im Nichts
Nebensatzrinnsale stauen sich, stürzen in die toten Arme der Stimme
Stromschnellen, Sprachfälle, schmatzende Gischt sind noch das Beste
Bleiernes Wabern die Regel. Ich komm‘ nicht zu Potte, ich schwimme
Und füge zum Unmut der Hörer noch sinnlose Satzwiederholungen ein.
Und füge zum Unmut der Hörer noch sinnlose Satzwiederholungen ein.
Und springe von Thema zu Thema, unklar, beliebig und unmotiviert.
Ein Totempfahl flanierte flennend durch Texas und pflückt Gladiolen
Tempi pürrées - ich mische die Zeiten, vergesse das Versmaß, auf Steine
reime ich Reime, auf Gladiolen Dieter Bohlen, die falsche Silbe betont,
Poeten - Diäten, Stress - Maitresse, Maigret - Bratwurst vom Reh
Und mit einer eisernen Stange verbiege ich notfalls Verstand zu Verstond
Ich bringe sie alle zum Flüchten. Noch nie blieb bei mir bis zum Schluss
Eine sitzen. Immer warn schon bei der Pause die vorderen Reihen gelichtet
Und dann, gegen 10, wenn mein Vortrag beendet, hallt es, mein Echo
kehrt wieder vom Schankraum; der letzte, der ging, hat man mir berichtet,
war taub. Ich bleibe noch hinter dem Tisch mit der Lampe und halte
Den Atem an. Stille. Dann späh ich über die Kante der Bühne ins gleißende Licht
Und webe erneut vierhebige Jamben, während das Publikum nebenan Gamben
auf Pizzen verspeist. Andere essen nur Suppe, der Taube ein Linsengericht
Der Fabulator im Einsatz - Zäsuren sind nicht seine Sache; er labert
und rattert und nüdelt wie ein Ventilator in tropischer Nacht an der Decke
während die Netze der Hundefangflotte verlassene Strassen durchwedeln
Nachtwächter schwenken Laternen und Herbststürme wühlen im Drecke
Bonbonpapier wird besungen von mir seit annähernd 19 Minuten im Takt
eines Webstuhls aus Manchester. Wie‘s zittert, nachdem es vom Klumpen
Gefieselt, jener zerlutscht, dann zerbissen, der Fetzen fortan arbeitslos
Von einem Besen nebst Schaufel gekehrt, dann in den Müll zu den Lumpen
Jetzt rede ich bereits 20 Minuten, am Horizont künden rosane Schimmer vom
baldigen Tage, oder vom letzten, Ich dehne die Lefzen auf Anschlag und gähne
Nachtigall, ich hör dir trapsen von ferne, und trapse dann selber, nach hause
Mikrowelliere den Rücken vom Stiere, trinke ein Glas heisse Milch, putze Zähne
Und fall in Schlaf. Und träum von Matrosen, die mit ihrem Schoner nach Berne
(Unweit der Mündung der Weser) segeln. Und dort den Rewe besuchen und
Nudelgerichte im Einweckglas kaufen und ferner‘n Fenchel und Sex mit der
Frau an der Kasse erzwingen. Mit der Frau an der Kasse, die ihren Hund
Hans-Joachim getauft hat. Mutter Malteser, Vater ein Pudel. Erstmal Kaffee
Dann schrubb ich die Dielen und höre bulgarische Frauen im Ohrhörer laut
Und koche zwei Eier, bügele Hemden, bügele Hemden, bügele Hemden.
Und seh im Spiegel den Dichter. Daneben die Frau im Spiegel als Braut
Faseln: Fasern von Fässern, Die Worte verwässern und landen im Ausguss
Faseln: Pollen von Haseln flattern durch diesen grau-melierten Vormittag
Im Pyjama aus Nicki in hellbraun bestaun ich den Park mit den Magnolieferen
Füttre die Enten, die pennten, bis ich ihnen Krumen ins Federkleid stak
Mittags bewege ich hungrig mich durch das Quartier mit der Hose auf Halbmast
Dittsche‘n Groschen an die Friedhofsmauer und Skelettreste klappern im Takt
Bald springt der Knopf und die Hose fällt runter. Ich entsteige munter dem Stoff
Weiter zur U-Bahn die Rolltreppe trägt mich. Heiter am Bahnsteig begegne ich nackt
Einem windigen Wicht, der mich mustert mit Augen wie eiserne Schnallen
Vom Gürtel des D’Artagnan. Ich zuck mit den Schultern am Bahnsteig Nummer zwei
Auf einer Bank lümmeln Chinesen, das Mädchen hält sich die Hand vor die Augen
Scharfer Wind kündet vom nahenden Zug, Großposter werben für Kleinkinderbrei
Gänsehaut sprießt. Eine bucklige Schachtel betrachtet wägend die hängenden Teile
An meinem Körper, der Zug fährt ein, wir steigen zu, die Türen fiepen wie Ferkel
Denen man in einem langen Prozess Disziplin beigebracht, fiep-fiep-fiep-fiep-fiep
Wo fährt der Zug hin? Weiss ich nicht mehr; Pantheon, Père Lachaise, Place Mdm. Merkel
In einer Ecke bedrängt ein Besuffski ein Mädchen, er hält sie und lallt und sie weint
Ich näh’re zögernd mich, pardonnez-moi, der Kerl guckt kurz rüber und lacht à l‘Hyäne
Dann sudelt er weiter, ich tipp ihn an, seine Pranke fährt aus und trifft meine Hirse
Gurtgriffig reiss ich ihn rückwärts, ich unter ihm; Hinterkopf hämmert auf Nase und Zähne
Kreischen. Weinen. Spritzer von Blut. Der Trunkenbold ist übrigens ein Matrose
Arbeitet sie an der Kasse, bei Rewe? Ich kann das Schild mit dem Namen nicht lesen
Ringe und knuffe den trunkenen Grapscher, mogle mich aus seinem Schwitzkasten raus
Hinke, sein Mädchen im Schlepptau, zur Tür, der Zug hält, nix wie weg, und wir pesen
Den Bahnsteig entlang und hinauf an die Luft, wir: mein nackiger Rumpf und Renate
So heisst sie, wie sie im Laufen verrät, und dann gibt sie mir eine Bise und entfleucht.
Regen tropft mir auf Brust, Schultern und Frise, ich friere und rufe per Handzeichen Taxis
Ohne Erfolg, sie fahren vondannen, ein Fahrer zeigt mir einen Vogel, drastisch verscheucht
Er mich vom Straßenrand indem durch eine Pfütze er fährt, platsch bin ich nasser als nass
Ratlos schau ich Renate nach, die in der Ferne am Straßenrand steht. Huhu, Fahrdienstleiter!
Sie steigt ein, just in den Wagen, der mich benässt. Umarme mich selbst, halte mich fest
Nackidei steht im Regen, mein Magen knurrt, mein Nachtschlaf mau, solo. Wie geht es weiter?
Komplexe Väter
Nach den „Genial Daneben-Das Quiz"-Aufzeichnungen steige ich zu Hugo ins Auto, und wir fahren in die Kölner Innenstadt, zum Theater am Dom. Heute gucke ich mir das jüngste Stück von René Heinersdorf an, „Komplexe Väter". Hugos Widersacher, Partner, Alter Ego wird in diesem Stück von Jochen Busse gespielt, der heute auch in einer der Quiz-Shows dabei war, und schon beim gemeinsamen Mittagessen hatte ich viel Freude. Hintergrund: Vorgestern wurde in Köln ein Geldtransporter überfallen, und man argwöhnt, dass die Rentner der RAF die Täter sein könnten - wegen der ältlichen Bewegungen auf den Überwachungskamerafilmen. Busse jedenfalls erzählte, zur ersten Generation der RAF persönliche Kontakte gehabt zu haben, etwa zu Rolf Pohle. Es sei im Münchener „Rationaltheater" gewesen, in dem Pohle im Beisein Busses erfuhr, dass er zu einer Uni-Prüfung nicht zugelassen wurde und daraufhin beschloss, Terrorist zu werden. Das war noch vorm Frankfurter Kaufhausbrand, circa 1966, und Busse erzählt von den Koryphäen jener fernen Tage, im swinging Schwabing. Jetzt wird Busse 80, umspannt diese gewaltige Zeitspanne und brilliert in „Komplexe Väter" in einer Weise, die das Prädikat „frisch" verdient. Genauso wie der 10 Jahre jüngere Hugo, dem er wie im High Noon-Duell gegenüber steht. Western, tripptrapp pengpeng. Dabei geht‘s in „Komplexe Väter" um den Altersunterschied in einer Partnerschaft. Das Stück ist von ähnlicher Qualität wie die vorherigen Heinersdorf-Kracher; René hat wirklich verinnerlicht, wie man derlei zusammenhäkelt. Lustig: In jedem Stück gibt‘s die „Hugos Leben"-Ecke; irgendwann später kann man mal all diese Szenen hintereinander hängen und hat dann so eine Art Bühnenbiografie dieses großen, liebenswerten Mannes. Ich spare mir weitere Details, denn das entscheidende Argument für einen Besuch im „Theater am Dom" (läuft, glaube ich, bis zum 26.April) ist, dass man mit Hugo und Jochen zwei Leuten bei einer Tätigkeit zuschaut, die sie lieben. Sie lieben es, auf der Bühne zu stehen und Theater zu spielen. Echte, wahre, berauschende Liebe. Und Liebe reißt mit!
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