Montag, 29. April 2019

Deutsche Flüsse (21): Dhünn



Zum Frühstücksei verspürte ich Appetit auf eine temporäre Nebenbeschäftigung als rheinischer Heimatdichter. 
Kölsche Mundart, oha. 
Seit Wochen hänge ich in der Domstadt herum, höre den Leuten zu - da kann es schon mal zu merkwürdigen Gelüsten kommen, so wie Schwangere sich ja auch bisweilen nach Senfgurken mit Sahnehaube sehnen, gell?
Beim Schreiben tauchten allerdings diverse Sprachfragen auf, die ich, so lautete bald der Beschluss, von einer autochthonen Fachfrau klären lassen wollte, nämlich meinem langjährigen Bodyguard Kathrin Linden. 
Zunächst der Text, wie ich ihn ihr nach seiner Fertigstellung whattsappte: 


De Dhünn ist nicht dick
De Dhünn ist kein Tünnes
Braun fließt de Dhünn
mit einem Schuss Grün

De Dhünn schunkelt munter
Vom Bergischen runter
De Dhünn wird nicht bunter
Im Gegenteil. Guiness-

farben mündet sie in die Wupper
Dünnflüssig braun. Tupper-
warentürkis ist sie oben. Man hat 
de Dhünn‘n Riegel vorgeschoben

Am Staudamm steht ein Tünnes
Ein dicker Tünnes und pupt.
Neben ihm hampelt ein 
Spatz, der piept. 

De Dhünntalsperre ist voll
De dicke Tünnes ist auch voll.
Tünnes und Spatz 
piepen und pupen harmonisch

De dicke Tünnes sagt:
„In Kölle, da wohn isch"
De Spatz fliegt nach oben
De Dhünn fliesst nach unten

Richtung Leverkusen
De Tünnes isst eine Pampelmuse
Sie scheint ihm zu munden
Der Saft tropft in de Dhünn

De Dhünn wird verdünnt.
Der Spatz ist weg
De Tünnes geht zum Bus. 
Schluss.


Voilà. Kathrin ging sogleich an die Arbeit, und nach einem Viertelstündchen durfte ich mich über die folgende Übersetzung freuen:


De Dhünn is nit dick
De Dhünn ist keine Tünnes
Braun fleeß de Dhünn
mit einem Schoss Jrön

De Dhünn schunkelt munter
Vom Bergischen erunter (eig. eraf)
De Dhünn weed nit bunter
Im Gegenteil. Guiness-

farben mündet se in de Wupper
Dünnflüssig brung. Tupper-
warentürkis is se bovven. Man hätt 
de Dhünn‘n Riegel vorjeschoben

Am Staudamm steht en Tünnes
Ne dicke Tünnes und pupt (wenns pupsen heissen soll dann is et futze oder möffe).
Neben ihm hampelt en 
Spatz, der piept. 

De Dhünntalsperre ist voll
De dicke Tünnes ist och voll.
Tünnes und Spatz 
piepe und pupen harmonisch

De dicke Tünnes säht:
„In Kölle, da wohn isch"
De Spatz fliegt noh bovven
De Dhünn fliesst noh unge

Richtung Leverkusen
De Tünnes isst ne Pampelmuse
Se scheint ihm zu munden (schmecke?!)
Dä Saff tropft in de Dhünn (dä Saff is in de Dhünn am droppe?!)

De Dhünn weed verdünnt.
De Spatz ist fott
De Tünnes geht zum Bus. 
Schluss.


Was soll ich sagen? Et hat noch immer johtjejange! 
Welch wunderbarer Wohlklang quillt aus diesen weichen Zeilen! 
Herzlichen Dank, liebe Kathrin. 


Sonntag, 28. April 2019

Deutsche Flüsse (20): Wertach





Der Augsburger Augustusbrunnen 

ist mit Pflockweibern verziert

der Fachmann nennt sie „Hermen“

Aus ihren blanken Busen sprudelt Wasser

Brunnen- wie auch Busenfreunde schwärmen:

Juhu!

Die Barbusigen heissen

Singold, Wertach, Brunnenbach und Lech

Sie sind aus schwarzem Messingblech legiert

Oben steht der Kaiser, der mit harter Hand regiert

„Adlocutio“, so nennt man diese Geste 

bei der Ansprache ans Heer

Ein bisschen wie Mario Barth, wenn er

„Weeste, weeste?“ sagt. 

„Mario wer?“

scheint die Wertach nachzufragen, 

diese Unschuld aus den Bergen, leer 

der Blick, höchstens ein bisschen 

Unbehagen könnte man in ihm vermuten

Kein Wunder, wenn dir Wasser 

aus dem Busen quillt. 

Spuckmamillen: Selten sieht man solche

im Repertoire des internationalen Porno

Augustus, der in Nola, Mezzogiorno,

starb, stand, so sagt man, mehr auf Dolche

und auf Cola, die er, wenn mit ersteren er

Kuckucksuhren schnitzte, literweise soff.

Neinnein, suppende Damenbrüste sollten eher 

Schwabenblicken schmeicheln

Wahrscheinlich gab es Zoff mit Ehefrauen

Womöglich musste manch Betrachter heucheln

Wer hat sich diesen Brunnen ausgedacht?

Mario Barth? Russ Meyer? Stand die 

Squirting-Sitte bei der Wertach Nässe Pate?

Wo recherchiert man derlei? 

Venus-Messe? Kam das schon bei Arte?

Gibt’s zu diesem Thema Foren? Youporn?

Falls mitnichten, hab‘ ich mir geschworen, 

unsern Wissensstand zu ändern und

die Pflockweiber bekannt zu machen,

so bekannt wie Männchen Piss, sprich

den Brüssler Bub zu gendern. 

Wie also popularisieren überzeugte

Feministen solche Wesen?

Fürs erste reicht‘s, wenn Sie,

verehrte Leser, diese Zeilen

lesen. Danke. 


P.S.: Meine Mama schickt mir soeben nach Lektüre dieses Bild, geknipst in Traudmannsdorf bei Meran:










Samstag, 27. April 2019

Deutsche Flüsse (19): Havel



In einem Sommer wollte ich alle Berliner Badegewässer beschwimmen. Mit Krumme Lanke, Schlachtensee und Grunewaldsee ging’s los - das war naheliegend, weil ich in jenem Sommer am Schloßparktheater probte und spielte, also im Südwesten Berlins. Gediegene Waldsäume und saubere Sandgründe unter bernsteinfarbenem Hautschmeichelnass. 

Mit der Straßenbahn fuhr ich bald darauf zum Orankesee, früher ein Refugium für verdiente Mitarbeiter der Stasi. Als ich mich jener Bojenkette näherte, die den Badebereich begrenzt, wurde ich vom Bademeister, der meine Absicht, den gesamte See zu durchmessen, offenbar mithilfe eines Fernstechers antizipiert hatte, per Flüstertüte zurückbeordert - und ich meinte hierin eine gewisse geheimdienstliche Kontinuität zu erkennen. 

Vom Weißensee blieben mir vor allem die Skulpturen am Ufer im Gedächtnis, friedliche, sanfte Bronzen, und nicht weniger friedliches, sanftes Damwild könnte ich dort auch gesehen zu haben - wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, streichelfeindlich eingezäunt. Der Hundekehlesee gab sich schmuddelig wie ein billiges sofioter Stundenhotel, den Müggelsee zierte müffelnder Algenschlamm. 

Zu den Höhepunkten zählten mehrerer Ausflüge, die ich schwimmend auf der Havel zurücklegte, beziehungsweise ihren ausgeuferten Seitenarmen: Einmal zog ich mich bei der Loretta aus, stopfte die Kleidung in meine Schleppboje und zog diese quer über den segelbootstrotzenden großen Wannsee zum berühmten Und-dann-nüscht-wie-raus-Strandbad. Wirklich splendid dort: die Vielzahl der Strandkörbe vor der Klinkerfassade, die länger als die Beine der Lollobrigida ist, modern, mondän und maritim. 

An einem anderen Tag startete ich ebenfalls bei der Loretta, und ein aus einer Brötchentüte Pattex schnüffelnder Jugendlicher, dem ein ganzes Hosenbein fehlte, schaute benebelt zu, wie ich in die Fluten stieg. Wahrscheinlich dachte er, ich sei eine Halluzination. Diesmal schwamm ich den kleinen Wannsee hinauf, unter trübem Himmel, ein schmales Stück Wasser zwischen sattgrünen Gärten, und in vielen sieht man originell gestaltete Bootsgaragen. Im Slalom zwischen den Teichroseninseln hindurch schlängelte ich mich zum Pohlesee. Der Blick weitet sich dort, und gegen den Durst genehmigte ich mir ein paar Schluck Seewasser. Schmeckte zart nach Terpentin, wie alle Fließgewässer in Berlin. Warum, konnte ich nie klären. An der Kohlhasenbrücke stieg ich aus und ging am Ufer entlang zurück zum Ausgangspunkt, vorbei an jener Stelle, an der Heinrich von Kleist erst seine Geliebte und dann sich selbst erschoss. 

Ein paar Tage später stieg ich nicht weit entfernt in den Griebnitzsee, bei dem es sich limnologisch um dasselbe Gewässer handelt, und stellte mir selber vor, mit Schusswaffen traktiert zu werden, verlief doch die Grenze zwischen DDR und Berlin (West) hier just durch die Seemitte. Theaterkollegin Anne Rathsfeld hatte in der hiesigen Schauspielschule studiert, direkt hier am Ufer, und sie war 1989 eine der nur 12 Schauspielerschülerinnen im letzten Jahrgang, die sich in den Pausen im Garten der Villa zum Rauchen trafen und sehnsüchtig rüberäugten, direkt unterm Wachturm, von dem die Grenzer der Arbeiter- und Bauernmacht wiederum aufmerksam hinunteräugten. Bemerkenswert am Ein- und Ausstieg ist hier der besonders grundlose, saftig-saugende Schlick, der mich sogleich bis zur Hüfte verschwinden ließ, ausserdem der rege Binnenschiffsverkehr.

Den schönsten Schwimmtörn erlebte ich allerdings, nachdem ich einige Tage später in Potsdam an der Nuthestrasse in die Havel stieg, und bei mittlerem Landregen zur Glienecker Brücke brüstelte, der berühmten Agenten-Austausch-Anlage (starring Tom Hanks), mit bestem Blick auf Schloß Babelsberg und die sagenhaft arkadisch gestaltete Uferpartie. Sattsehen geht nicht, im Gegenteil, je mehr ich meinen Hals nach rechts renkte, ins preußische Paradies, desto weniger wollte ich wieder raus aus der lauwarmen Havel mit ihrem beruhigenden Dröpje-for-Dröpje-Muster samt sonorem Soundtrack. 

Noch fehlen mir einige Gewässer in meiner Berlin-Sammlung, etwa der Tegeler See mit seinem berüchtigten Riesenwels, der dort allabendlich Möpse, Mütter und vor allem Kinder frisst, und, gleichsam als Krönung, eine Umrundung der Museumsinsel in der Spree. Ist natürlich wegen der vielen Dampfer in der engen Spundwandgasse streng verboten, darum müsste und würde ich die Sache auf einen hochsommerlichen Sommermorgen legen. Start mit dem ersten Sonnenstrahl. 

Würde? I wo. Werde! 

Deutsche Flüsse (18): Jade



Stumm dümpelt Gordon, die Badeente

auf der Jade dem Busen entgegen.

Alt ist sie, schon seit 10 Jahren in Rente.

Ist sie ein Feriengast? Von wegen!

 

Sie wohnte bis dato in Gelsenkirchen

gemütlich am Rand einer Badewanne 

gemeinsam mit anderen Quietsche-Tierchen

in der Obhut von Marvin, Karl-Heinz und Susanne.

 

Dann hieß es: "Urlaub! Es geht in den Norden!"

und Marvin packte das Tier in die Tüte.

Mit Hi-man und Dragonball Z reiste Gordon,

nicht ahnend, was ihm am Urlaubsort blühte.

 

Die Ferienwohnung war nahe der Jade,

an deren Ufer nach knapp einer Woche

Hi-man und Dragonball Z an der gedachten Wade

Gordon gewaltsam ergriffen und durch ein Loch

 

in der Tüte ins Freie verschleppten, bis an den Fluss.

Es geschah abends, am Freitag, dem vierten.

Bevor die Täter entkamen, per Bus,

schlugen sie Gordon k.o., penetrierten 

 

die leblose Ente und anschließend schmissen

die Mörder ihr Opfer ins moorige Wasser.

Das Tatmotiv? Soweit wir Ermittler zur Stunde wissen

sind Hi-man und Dragenball Z Entenhasser.

 

Vorsicht! Die Täter sind Actionfiguren

aus Hartgummi, und ihre Schultern sind breit.

Wir wissen nicht, mit welchem Bus sie fuhren.

Falls Ihr sie seht, sagt uns Bescheid.

Danke!


Jade 

Freitag, 26. April 2019

Deutsche Flüsse (17): Erft



Der unterschätzteste aller Flüsse

ist die Erft, diese Perle des Rheinlands

Erst neulich schaute ich Markus Lanz

Da sagte ein Jemand, man müsse

 

im Kanu Jangtse und den Kongo hinunter 

um sagen zu können: "Ich war dabei"

Spontan entwich mir ein Schrei:

„Von wegen! Die Erft ist wilder und bunter!"

 

Nun gut, sie ist kürzer und nicht so bekannt

Sie ist eine Wolga im Büßergewand

für Schiffsverkehr viel zu flach 

 

Vielleicht wohnt sie deshalb in meinem Herzen

Denn ich, und das sage ich ohne zu scherzen

bin ebenfalls weniger Fluss als Bach.

Deutsche Flüsse (16): Panke



Über die Panke mag ich nicht schreiben

Zwei Vögelchen flattern die Parkwege ab

Boatengkäfig, Bunte & Kuchen in Buch

Kladdenopfer auf Hegels Grab

- ein schöner, ein schaler Versuch


Los ging’s am Bierpinsel, wippender Dost

Den Botanischen Garten beehrten wir auch

1984. Schwimmen mit märkischen Hechten

Ein Jahr lang wippt der blühende Strauch

- in braven, in brutwarmen Nächten


Wahlverwandt im Garagenpark

Ein Nashorn wirft sich auf die Flanke

Es riecht nach Yoga, Weihrauch und Ruß

Dann fällt der Schnee in die Panke

- in den süßen, den schmutzigen Fluss







Donnerstag, 25. April 2019

Deutsche Flüsse (15): Emscher



Die Emscher? Wir kennen uns ewig, waren ja beide Punks. Ich schlitzte mir damals mit der Flex Löcher in meinen Fischgrätanzug, die Emscher ließ sich von Klopapierschiffchen befahren. 

Ich zerbiss Sektgläser und schlief auf Pappkarton, die Emscher engagierte Wanderratten, die per Treidelgeschirr braune Würste durch Dortmund-Aplerbeck zogen. 

Ich spielte am Ufer Katzenmusik auf einer Kindergeige, und die Emscher onanierte dazu schaumiges Ejakulat. Verdient haben wir mit der Nummer nichts.

Dann nähte ich die Löcher im Anzug zu, wurde Ornithologe, und die Emscher unterzog sich einer aufwendigen Sanierung. Am Phoenix-See wohnen jetzt die Lamborghini-Fahrer vom BvB. 

Sind wir uns untreu geworden? Ach was. Das ist doch nur der Neid der Kindergeigen und Treidelratten. Hätten sich ja umschulen lassen können, auf Wohnzimmerdeko und Wuscheltier, woll? 

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