Freitag, 10. Mai 2019

Deutsche Flüsse (28): Peenestrom



Ein junger Mann in Reiterhosen überzeugte Hitler, dass mit Raketen der Krieg gewonnen werden könne. Also enteignen, bauen, Forscher ansiedeln. 


Eine S-Bahn wurde durch den Wald geführt, das große Kraftwerk mit modernster Filtertechnik ausgestattet, um verräterische Rauchsäulen zu vermeiden. 


Bombardiert wurde trotzdem, etwa das Wohnquartier der Wissenschaftler. Allenthalben Ruinen, Grundmauern, Prüfstände. Der Startplatz des A4 ist heute eine Lichtung im Wald, mit beschriftetem Hinkelstein. 


Dann zog der junge Mann die Reiterhose aus, warf sie in den Peenestrom und überzeugte Eisenhower, dass mit Raketen der kalte Krieg gewonnen werden könne. 


Die Reiterhose ward von den Gezeiten auf und ab geworfen, später diente sie als Unterschlupf für einen alten Kabeljau. 


Das Brackwasser liess alle Nähte quellen, in der ersten Sturmnacht rissen Wellen in den Hosengrund ein Loch. 


Bald wurde das Beinkleid überall durchs Tosen wund, der Hosenknopf machte sich frei und wurde an den Strand gespült. 


Dort sank er im Sande tief, wurde aber ab und an vom Wetter wieder hochgewühlt; der Knopf tauchte in Zyklen wie Kometen wieder auf, fast raketisch, im Jargon des Ex-Besitzers formuliert, des Mannes mit dem Raumfahrt-Fetisch. 


Letztes Jahr nun fuhr ich mit dem Klapprad auf der schönen Insel und vernahm am Strand Gewinsel - Klagelaute eines Knopfs. Ich stieg ab und hob ihn auf, fuhr dann in den Küstenwald. 


Auf der Knopfrückseite las ich „Heeresversuchsanstalt", darunter: „WvB" graviert, ich näht’ ihn an, seither ziert meinen Hosenstall der Knopf vom Mondraketenmann.


Und immer, wenn ich morgens den braunen Braun-Knopf knöpfe, denke ich an Kennedys Kampf gegen die Roten, „ein kleiner Schritt" etc., an die Weltkriegstoten - und an den klügsten aller klugen, bösen Köpfe. 

Donnerstag, 9. Mai 2019

Deutsche Flüsse (27): Ilm



Es war einmal ein Junge,

der mit aufgeblähter Lunge 

einer alten Trombe Töne

abzuringen suchte. 

Die Trombe wollte nicht,

der Junge fluchte, 

trat gar auf das Instrument.

Da tauchte ein geheimer Rat,

bekleidet nur mit Badehose,

aus dem Wasserlauf im Park,

wo er gerad‘ sein Morgenbad

genossen hatte, auf.

„Guten Tag!“, sagte der Herr

und lud beide, Bube, Tube, 

in sein nahes Gartenhaus.

Goethe lötete die Tröte

und zeigte dem Willigen,

wie man einen chilligen

Herb-Alpert-Sound ner 

billigen Blechtute entlockt.

Der Junge war perplex,

wie so‘ne Trombe rockt,

wenn man weiß, wie‘s geht

(heute wäre dies undenkbar:

Alter Mann ohne Klamotten

lockt ein fremdes Kind zum tuten - 

klingt nach keinem guten, 

sondern einem grotten-

schlechten Film).

Und das Haus, in dem 

die beiden bliesen, 

steht noch heute, 

zwischen Wald 

und Wiesen:

an der Ilm


Dienstag, 7. Mai 2019

Deutsche Flüsse (26): Würm



Ein Dieb klaute Zwirn,

und um zu türm‘

sprang er in die Würm.

Mangels Hirn

begann sich der Zwirn

am Gewürm zu verwirrn,

das man am Grunde der Würm

nicht aufm Schirm

hat, wenn man nicht firm

ist. Nebenan war ne Kirm-

es; „Könnt ihr mich hörn?“

schrie der Dieb; ein paar Görn,

einer hiess Jörn, 

aßen gerad’ Möhrn

und hörten weg.

„Ich könnt mich empörn!“

hört’ man den Halunken röhrn.

Dann begann es zu stürm‘;

er ertrank in der Würm.

So kann man sich irrn.

Und sein letztes Wort war:

„Himmelarsch...“

Freitag, 3. Mai 2019

Deutsche Flüsse (25): Werra




In der Werra sah ich einst 

ein halbes Schwein flussabwärts treiben 

Mein Grenzschutz-Vorgesetzter sprach: 

"Was meinst? Sollen wir's uns einverleiben?"

Ich nickte stumm und zog mich aus

und holte's aus der Brühe raus

die, aufgrund der Kaligruben,

sehr salzig war. Auf einem Karren schuben

wir das schweinische Volkseigentum

zum Hauptquartier, würzten mit Rum

(Salz war schon dran), dann rief ich: Essen fasse!

Und wegen dieser Tat wurde ich:

 "Held der Arbeiterklasse"



...ein Gedicht, mit dem man eventuell besonders auf Lesungen im Osten punkten kann. On werra. 

Donnerstag, 2. Mai 2019

Deutsche Flüsse (24): Lech



Im Traum sah ich Füssen von oben

Dschunken versunken am Ufer des Lech

Wiesenwitwen zuppeln im Wind

Die Jalousien waren herabgelassen wie 

Unterhosen bei der Musterung

Propellergeräusch

Den Forggensee gab es noch nicht.

Ein Landmann auf einem Porschetraktor

schlich über die Via Claudia. Als er mich 

sah, hupte er Sturm. Sound wie bei den

„Waltons“. Die Ruine des Römerbades

Propellergeräusch

war mit Krautschupfnudelkonserven gefüllt.

Ein Lausbub in Lederhosen mischte das 

Blatt seines Panzerquartetts. Ich biss ins Gurkensandwich, drückte auf den Auslöser

und riss am Steuerknüppel meiner Lancaster




Dienstag, 30. April 2019

Deutsche Flüsse (23): Aller




Aller 

guten Dinge sind

Knaller

am Allerwertesten


In aller Freundschaft

faucht Pofalla

Pall Mall

Fiderallalla


Dr. Dralle beisst

in die Gartenkralle?

Nein. 

„Wietze Fuhse Wölpe“

Lachte Ise. 

Er bestellt Leipziger 

Allerlei und warmen 

Waller im Sud


Winsen Sie 

was? Jupp Derwall

fährt im Celler Loch

mit einer Kalaschnikow

Motorrad 

Milch macht

müden Hodenhagen, 

ich schaller dir eine! 


Aller, was geht?

Pigalle, Pigalle

mitten in Verden

Gürtelschnalle

Gift und Galle

Taj Mahal 

That‘s all. 

Oker?

Deutsche Flüsse (22): Neger



Die Neger, so lese ich morgens im Hotelbett, entspringt im Rothaargebirge. Sie durchfließt das Negertal, dessen Abschluss man sich als „Kar“ vorstellen dürfe, was bei mir sogleich alpine Assoziationen auslöst. Ich sehe einen reißenden Gebirgsbach zwischen Altschneefeldern gurgeln, unter Geiern, und dicke Murmeltiere pfeifen Alarm. Gespeist wird die Neger von der Namenlosen, die bisweilen auch „Namenlofe“ genannt wird. Mal abgesehen davon, dass eine Namenlose ja schlecht zwei Namen haben kann, vermute ich hier einen lispenden Anwohner als Ursache des Konsonantentauschs. Weitere Zuflüsse heissen „Fauleborn“ und Faules Siepen“, was natürlich irgendwie rotgrün versifft klingt, oder im Gegenteil rassistischen Vorurteilen folgend, oder, ganz anders, mit Faulgasen im Bachlauf zu tun haben könnte. Jedenfalls ist da irgendwas faul. Nach 17,7 km entwässert die Neger in die Ruhr, ja, so sagt man in der Hydrologie. Als Laie denke ich bei „Entwässern“ zuerst an Kaffee, Bier oder Spargelsaft, den aber die Neger gewiss nicht führt, sondern vielmehr klares Wasser von den Hängen des Klapperberges und anderer rothaariger Riesen. 

Bei der weiteren Bettrecherche stoße ich auf das bemannte Torpedofahrzeug der deutschen Kriegsmarine gleichen Namens. Der geht auf den Marinebaurat Richard Mohr zurück, den geistigen Vater dieser Waffe. Entwickelt wurde der Torpedo mit Cockpit, an dessen Unterseite ein zweiter Torpedo befestigt wurde, der über kein Cockpit, dafür aber reichlich Sprengkraft verfügte, ab 1943 in der Torpedoversuchsanstalt Eckernförde. Wichtigster Konstruktionsmangel: Der „Neger“ konnte nicht tauchen, die etwa 200 Einsätze wurden daher überwiegend nachts durchgeführt. 80 Prozent der Besatzungen kamen ums Leben. 

Weitere Kleinkampfmittel der deutschen Marine hießen: K-Projekt, Molch, Hecht, Biber, Delphin, Manta, Tarpon, Grundhai, 27, 34, 27 F, 27 G und 32

- letztere waren sozusagen Namenlose. 

Murmeltier und Geier blieben anderen Waffengattungen vorbehalten.

Auf zum Frühstück. 

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