Sonntag, 17. Februar 2019

Diesel-Krise? Nicht mit uns!

Zu meinen liebsten Verkehrsmitteln gehört der Tretroller. Er vereint alle Vorzüge des Fahrrades mit der Nonchalance des Flaneurs; laut Straßenverkehrsordnung handelt es sich bei einem Tretroller um ein Kinderspielzeug, dessen Einsatz auf Bürgersteigen ausdrücklich zulässig ist. Jede Kleidung ist willkommen, das Tempo angenehm bescheiden - und doch im Großstadtmix auf vielen Strecken dem Auto ebenbürtig. Im Stau stand ich mit einem Tretroller noch nie. 
Psychologisch basiert der Reiz des Rollerns sicher auch auf den allerersten Kindheitserinnerungen; man war noch zu klein fürs Rad mit Stützrädern, erlebte darum stehend seinen ersten Geschwindigkeitsrausch und eroberte die Sackgassen des Wohnviertels. Wer auf einem Roller steht, verjüngt sich gleichsam, wird selber wieder zum Dreikäsehoch. 
Stichwort Stehen: Wer lieber rumsteht als rumsitzt, ist auf dem Tretroller besser aufgehoben als auf einem Fahrrad. Und wie titelte der „Stern" vor einigen Jahren? „Sitzen ist das neue Rauchen" - da haben wir‘s. Tretroller rules.
Selbstfahrende Autos faszinieren mich persönlich ähnlich wenig wie Elektromobilität - mein Herz gehört einer anderen Interpretation des Wortes „Fortschritt", nämlich der buchstäblichen. 
Ich persönlich habe Roller verschiedener Fabrikate im Einsatz, wobei Tschechien eine besonders prominente Rolle unter den Herstellernationen spielt: „Mibo" und „Kostka" heißen zwei Firmen, die ausgefeilte Roller herstellen, mit denen ich beste Erfahrungen auch auf Langstrecken gesammelt habe (Langstrecke heisst bei mir: über 100 km, etwa meine Standardroute von Osnabrück zu meinen Eltern nach Oldenburg). Der bemerkenswerteste Hersteller ist sicher dieser hier: 
Amischroller
...und soeben fällt mir auf, dass ich mit meinem Strohhut durchaus zu den Amisch passen würde. Jetzt fehlt mir nur noch ein Ohm-Krüger-Bart, um mich erfolgreich mit den Amischen verwechseln lassen zu können. Ich habe mal welche kennen gelernt, vor einem Jahrzehnt auf der „Queen Mary". Zwei Paare, die auf dem Schiff den Atlantik überquerten. Hintergrund: Sie stellten Kachelöfen her, die auch in Europa vertrieben werden. Quasi eine Dienstreise. Miteinander parlierten sie in einem spannenden Mix aus Englisch und einem Dialekt, der dem Pfälzischen ähnlich klang. „Jetzt gehn mir uff de Stubb" hieß es, wenn sie im Speisesaal zuende gefrühstückt hatten.

Draußen zwitschern euphorisch die Kleiber, Bachstelzen, Wiedehopfe. Blaues Band. Lenzluft. Raus mit uns, Frühlingsträume träumen. 



Freitag, 15. Februar 2019

Weißer Rausch

Frühstück beendet. Zeit für einen Spaziergang, den Hang hinter der Hütte hinauf. Bebop, Boys und weißes Pulver. Wir haben zwei Paar Tourenski und ein Paar Schneeschuhe. Wer kriegt was? Da ich mir aus rasanten Abfahrten nichts mache, nehme ich letztere. Sohn Leander schreitet forsch voran, dann komme ich. Leanders Bruder Cyprian kämpft mit monumentalen Blasen. Jaja, Skitourenschuhe. Die passen prinzipiell nie. Fast.
Oben lockt die Sonne. Gleißend und ohne den zartesten Dunst. Ihr goldener Schuss lässt den Schnee warm wirken. Gierig strebe ich in Richtung Licht, à la Motte in Gore-Tex-Hosen, sauge die Luxens in mich hinein wie Dennis Hopper sein Poppers in „Blue Velvet". 
Das Panorama oben ist schlichtweg bonfortionös. Fester Firn am Kamm. Windstärke 0,0. Fernsicht bis Tahiti.
Leander begrüßt mich im Schnee badend. Luxuriöser als Dagobert Duck im Geldspeicher. Ich überlasse ihn seinem Bad und laufe den Kamm entlang. Ganz hinten schläft die Speickspitze, vor ihr träumt die Antoniaspitze. Ja, die Berge schlafen. Man hört sie atmen, guttural und gleichmäßig. Bauchschläfer allesamt: Man wandert auf den Bergrücken.

Nachdem ich mich am Reigen der Riesen satt gesehen habe, kehre ich zurück zu Leander, der sich noch immer im körnigen Crack aalt. Nein, satt gesehen habe ich mich nicht, nur der Cold Turkey ist mit knapper Not abgewendet. Goldener Schuss, Crack, Turkey - du liebe Güte, ich rede wie Christiane F. 
Voll auf Droge. Leben in Zeitlupe. Alle Knoten platzen, die Wahrheit der Welt knirscht unter Deinen blasigen Füßen, in kristalliner Form. Der mächtige Dealer im Himmel hat uns das Powder geschenkt - zum Anfixen. Später müssen wir blechen, und der Dealer reibt sich die kalten Flunken.
Jetzt kommt Cyprian auf den Kamm.

Ganz cool, mit Spiegelbrille. Auch er im Rausch. Will nicht mehr weg. Lässt sich nieder und schweigt. Giert und grinst. Glücklich, wer sich an der Bergsonne berauschen kann. Luzides Träumen. Leander fährt als erster ab, fräst monumentale S-Bögen in den Talar des Hanges. S wie Sorro. Ich hoppele hinterher. Werde immer schneller. Juchze. Sprinte schließlich. 
Womit wir später blechen müssen? Muskelkater und Müdigkeit. Kein Problem. Wir sind reich. 



Zwillinge im Zillertal

Zauberschnee („Generation Z"). Und in der gleißenden Mittagssonne 4 Grad plus - Viel zu dick sind die Anoraks, in denen Cyprian und Leander mich zur Hütte begleiten. Schnell ist alles durchgeschwitzt. Cyprian macht bald auf Putin und stiefelt mit nacktem Oberkörper bergauf. Ich habe derweil ganz andere Probleme, weil der mit Lebensmitteln randvolle Riesenrucksack auf meinem Rücken kamelhaft hin und her wackelt, und gleichzeitig der warme Schnee an den Fellen meiner Tourenski kleben bleibt. Er stollt, wie man so sagt. Vier Kilo Extrafracht. Cyprian gehts genau so. Wir werden immer langsamer. Schneckenhaft nahezu. Auf dem letzten Kilometer wirken wir wie Everest-Bezwinger: Fünf Schritte, Fluchpause. Stossgebet, weiter. An der Hütte auf 1800 Metern angekommen, erstmal aufs Dach, den Schornstein ausgraben. Dann wird der sonstige Schnee geräumt. Theoretisch. Praktisch lassen wir‘s einfach bleiben, weil die Wehen uns überfordern. Also die Schneewehen. Immerhin kriegen wir die Tür auf. Alle Systeme intakt. Lebende Stubenfliegen sagen Griaß Enk. Wie haben die hier überlebt? 
Ich kredenze Schupfnudeln mit Kraut, Dörrobst, Chorizo und Spekulatiuscreme, und dann sind wir eigentlich bis zum Abend im Wesentlichen mit Essen, Klönschnack und dem Hüten der beiden Holzöfen beschäftigt. Abschweifen sollte man nie länger als eine Viertelstunde, sonst drohen die Feuer auszugehen. 
Der Wert der Wärme wird einem hier klar. Und was für eine Revolution es gewesen sein muss, als Holz durch Kohle ersetzt wurde: Der Heizer, zumeist war dies ja eine Frau, gewann viel Zeit und persönliche Freiheit, weil sie nicht mehr gar so strikt an den Ofen gebunden war. Und plötzlich hatte sie nicht mehr permanent Holzsplitter in den Händen stecken.
Etwas sonderbar: Da geht man „raus in die Natur", um dann dorten nach Möglichkeit drin zu bleiben, bei 25 Grad Raumtemperatur. Damit sich die Heizarbeit auch lohnt. 

So. Es ist 7:28. Lehre der Nacht: Meine Zwillinge schnarchen nicht. Alles ist mucksmäuschenstill, zusätzlich verstillert durch die Schneefracht auf dem Dach. Jetzt muss ich mich um die Öfen kümmern. Raus aus den Federn, rein ins Werdertrikot. Gleich geht die Sonne auf. 



Donnerstag, 14. Februar 2019

Rom sehen und...


Meine schönste Fahrradtour in Gesellschaft war gleichzeitig meine längste. Sie hätte evtl. kürzer sein können, aber dazu gleich mehr. Start jedenfalls war in Füssen, abends um sechs. Auf den berühmten Schuss warten hier: Hannes, sein Bruder, der damals erst 19-jährige Cornelius, Bernd (Banker aus Frankfurt, der im Internet von unserem Vorhaben erfahren hatte) und ich. Ohne Rad zu sehen sind ferner Geli und Jonas, Hannes‘ Familie, die uns gleich zum Abschied winken wird, und hinter uns steht das Wohnmobil von Sigi, der uns erfreulicherweise begleiten möchte. 

Das nächste Bild zeigt uns in raffinierter Windschatten-Formation bei der Einfahrt in die erste von drei Dämmerungen, die wir erleben werden. Könnte bei der Auffahrt zum Zirler Berg sein.

Ein Blick in Sigis Wohnmobil, Mitternacht auf der Brennerpasshöhe. Schnell wird klar, welche Vorteile sich mit einer solchen rollenden Verpflegungsstation auftun: Man muss nicht, wie im ordinären Gartenlokal, auf verschlafene Kellner warten und darf in der Gaststube den Hut aufbehalten. „All you can eat" ist obligatorisch, und Sperrstunde jibbet nicht. Während dieses Nachtmahles geht draussen gerade ein Gewitter hernieder - es sollte das einzige bleiben. Ansonsten immer eitel Sonnenschein. 

Einen halben Tag später überfahren wir den Po, also den Fluss (hahaha, auf der Fahrt nach Paris bin ich ulkigerweise auch schon mal die Meuse entlanggeradelt) und kommen in eine Gegend, in der mein Navi plötzlich streikt. Nanu! Strassen enden im Nichts, obwohl sie laut Navi weiterführen sollten, andere Strassen, deutlich sichtbar, kennt unser Navi nicht. Will sagen: mein Navi. Denn für die Wegfindung zuständig bin ich. Damals, 2012, waren Navi-Apps noch unbekannt, und man befestigte an der Lenkstange mehr oder weniger klobige Spezialgeräte zur Wegfindung. Ich besass als einziger solch ein Gerät und stecke nun in der Tinte, da ich, nach reichlich 20 Stunden Fahrt mehrfach im Kreis fahren lassen muss. „Wir müssen nochmal zurück, der Abzweig dürfte vor ungefähr einem Kilometer gewesen sein" - solche Sätze stossen nach über 500 km Pedalieren nicht bei jedem auf Verständnis. 

Hier sieht man mich beim Versuch, die Unzulänglichkeiten meines Navis anhand einer Landkarte zu ergründen, und in den Blicken meiner Sportkameraden erkennt man eine gewisse Düsternis. Ich hingegen verbreite lächelnd Optimismus. Wahrscheinlich witzele ich gerade: „Keine Sorge; alle Wege führen nach Rom" oder sowas ähnliches. 
Der Konflikt wird wenige km nach der Aufnahme dieses Bildes gelöst: Wir kommen in ein Städtchen, ich glaube es heisst San Felice sul Panaro, das von einem Erdbeben schwer getroffen wurde. Das Zentrum ist ein Trümmerhaufen, und Soldaten halten Wache, um Plünderungen zu verhindern. Wir begreifen: Die alten Strassen sind nicht mehr existent, und mein Navi kennt die neuen Behelfsstrassen noch nicht. 
Am Ortsausgang befindet sich ein riesiges Zeltlager für jene, die obdachlos geworden sind. Gebeutelte, graue Gestalten schleichen zwischen den Zelten umher. Wir stellen unsere 5000-€-Carbonräder ab und stärken uns in der Lager-Cafeteria - ziemlich nachdenklich gestimmt. 
Am Abend, in der Innenstadt von Bologna, verfransen wir uns erneut. Diesmal ist es tatsächlich meine Schuld. Es kommt zu Vorwürfen, die ich mit einer lautstarken Explosion kontere. Anschließend fahre ich mit Höchstgeschwindigkeit voraus, um allerdings an der nächsten roten Ampel auf meine Freunde zu warten. Tja; manchmal ist der Typ, den man im Grenzbereich in sich kennen lernt, gar nicht soo sympathisch. Ich bitte die anderen um Entschuldigung. Angenommen, Schwamm drüber.
Übernachtung hinter Bologna, nach über 600 km. Hannes hat Knieprobleme, sein Bruder keine Lust mehr. Cornelius auch nicht, also fahren Bernd und ich alleine weiter. Netterweise begleiten alle anderen uns aber fürderhin im Wohnmobil und winken beizeiten. Huhu! Einträchtig rollen Bernd und ich nach kurzem Powernap Richtung Florenz. 
Das Tempo ist nunmehr deutlich verringert. Einerseits fehlt der Windschatten, und auf jeder Kuppe warte ich auf Bernd. Normalerweise könnte solch eine Tempodifferenz durchaus nerven, hier jedoch überwiegen die Vorteile: Immerhin einer, der mir Gesellschaft leistet. Alleine hätte ich mich schwerlich zur Weiterfahrt aufgerafft. Danke, Bernd!
Wir überqueren den Arno, nehmen uns in der Mittagsglut die herrlichen Hügel der Toskana vor und erreichen am Spätnachmittag Siena. Auf dem dortigen Marktplatz, berühmt durchs Pferderennen, treffen wir die bestens ausgeruhten Wohnmobilisten wieder und stärken uns gemeinsam mit ihnen. Der Kellner erkennt in unseren Gesichtern den Ernst der Lage und kredenzt uns Cola in Maßkrügen. 

Die Nacht verbringe ich in einem ausgetrockneten Straßengraben, direkt neben der Staatsstraße SS2. Überall dorniges Gestrüpp, Gekkos und Müll. Aber das ist mir egal; ich ziehe mich aus, lege mich auf meine Isomatte und schlafe sofort ein. 
Drei, vier Stunden später geht‘s weiter: Es ist Sonntagmorgen, und die breite Staatsstrasse gehört uns. Als wir in Acquadependente eine Bäckerei betreten, um uns mit Espresso zu dopen, verzieht der Bäcker das Gesicht: Wir starren vor Dreck, und Fluchtfliegenschwärme umschwirren uns. So dreckig war ich noch nie! Auch meine Handykamera ist mit schmierigen Fruchtriegelresten eingekleistert. Immerhin entsteht dadurch ein interessanter Weichzeichnereffekt:

Wahrscheinlich handelt es sich um den Lago di Bolsena. Das ganz hinten könnten aber auch die white Cliffs of Dover sein, oder die Kreidefelsen auf Rügen. 
Wir machen noch einige Male Rast, unter anderem am Braccianosee:

Gut, ganz soviel kann man da auch nicht erkennen. Gerne würden wir ins Wasser eintauchen, aber unsere Hintern sind gerade gut verschorft, und wir wollen den Schorf nicht aufweichen. Also weiter. 
Am frühen Nachmittag kommen mir bereits Bushaltestellendesigns von früheren Rombesuchen bekannt vor. Und exakt in dem Moment, in dem wir die Stadtgrenze überqueren, springt der Kilometerzähler auf „1000 km":

Vierstellig. Wenn ich nicht mehrfach als Navigator versagt hätte, wäre uns der Stolz auf die runde Summe versagt geblieben! So ist alles im Leben immer für irgendwas gut. Und weil‘s so schön war, hier nach brutto 56 Stunden unsere Ankunft am Hotel, Bernd und ich, mit Triumphatorengeste. Veni, vidi, vici. 







Mittwoch, 13. Februar 2019

Nie wieder Rücken


Ich bin begeisterter „Tragepapa". Stundenlang transportiere ich Theodor vor meinem Bauch; mittlerweile habe ich Erfahrungen mit allen gängigen Modellen gesammelt, Limas Baby, Baby Björn, Manduca. 
Einerseits leuchtet es mir ein, dass sich der Mensch aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte als Tragling am Körper seiner Artgenossen geborgener fühlt als im Kinderwagen. Andererseits folge ich auch einem trainingskonzeptuellen Kalkül: Theo wog bei der Geburt dreieinhalb Kilogramm, jetzt über acht. Bei steigendem Gewicht und gleichzeitig immer länger werdenden Tragzeiten müsste meine Rumpfmuskulatur durch diese Schlepperei auf Jean-Claude-van-Dammesche Ausmasse anwachsen. Und Rückenmuskeln, so habe ich gelernt, schützen vor Schmerz. 
Vor meinem ersten Marathon war ich durchaus anfällig: Alle paar Monate zwickte da irgendwas, ich „kriegte Zug", hatte „mich verhoben", was man eben so sagt, wenn‘s wehtut. Dann wohnte ich im Allgäu, und durch Skilanglauf war die Sache schnell passé (Laufen alleine reicht nach meiner Erfahrung nicht aus). Wie sich Rückenschmerzen anfühlen, habe ich seither völlig vergessen. 
Tauglich als Rückenstärkung sind auch: Schwimmen, Boxen, „Nordic Skating" (also Inline Skating mit Stöcken) und Kajakfahren. 
Aber man muss ja gar nicht extra Sport treiben, um seinen Rücken zu pflegen; Heben, Wuchten, Tragen kann man auch im Alltag. Einkaufswagen nehme ich nur beim großen Wochenendeinkauf, ansonsten bevorzuge ich Körbe. Koffer mit Rollen lehne ich aus religiösen Gründen ab. Neben Theodor schleppe ich gerne große Rucksäcke mit allerhand Inventar durch die Gegend: Bücher, Lebensmittel, Wackersteine. 
Bodenwischen ist nicht nur rückenfreundlich, sondern macht auch die Wohnung schön! Überhaupt, Vierfüsslerstand: Ich freue mich bereits darauf, meinem jüngsten Nachwuchs als Reittier zur Verfügung zu stehen, so wie auch schon meine inzwischen erwachsenen Zwillingssöhne Cyprian und Leander auf mir geritten sind. 
Ideal ist auch Schaufeln. Ich liebe es, Schnee von A nach B zu schippen, aber es geht natürlich auch mit Erde. Wichtig: Die Schaufel nicht einseitig bedienen, sondern regelmäßig zwischen rechts und links wechseln. Ist koordinativ gegebenenfalls gar nicht so leicht; probiert’s mal aus!

Vom Schaufeln ausgehend kann man dann einen Schritt weitergehen und Bauen. Etwa einen Iglu. Oder gleich ein richtiges Haus - der Phantasie sind da kaum Grenzen gesetzt. Als Mann soll man ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen, ein Haus bauen - alles drei Aktivitäten, die den Rücken fordern, sofern man‘s nicht deligiert oder motorisiert. Fahrstühle, Rolltreppen? Überflüssig. Autos? Gut für Lahme, Schwache, Kranke. Allzu leicht steigt mein ein, gedankenverloren, und zack! ist man am Ziel. Leute, hütet Euch vor Autos! Sie machen dick, schlaff und hässlich. Man sieht nicht die Feinheiten der Landschaft und riecht nicht die Aromen der Welt. Kennt Ihr diesen Duft im Sommer, wenn nach einem heissen Tag Regen auf Asphalt fällt? Mein Lieblingsduft! Kriegt man im Auto nichts von mit. Fahrt lieber Fahrrad. Oder zeugt ein Kind und tragt es durch die Gegend. Kind und Rücken sagen Dankeschön.





Montag, 11. Februar 2019

Per Tretroller zum Traualtar



Dies ist ein offizielles Hochzeitsfoto der Bonings. Unsere Hochzeit war nicht zuletzt deshalb witzig, weil ich ja qua Ehe zum Bayer wurde (so sieht es jedenfalls die bayerische Verfassung). Und als ich meine Frau fragte, was ich bei der Heirat anziehen sollte, war ihre Antwort klar: eine Lederhose. Und als folgsamer Bräutigam ziehe ich an, was meine Frau sich an mir wünscht. Ganz nebenbei habe ich eine Lederhose auch deshalb gerne im Kleiderschrank, weil man in ihr hervorragend radeln kann.
Apropos. Ein Meilenstein auf unserem Weg zum Traualtar war unsere gemeinsame Alpenüberquerung im Sommer 2017, sie per Bergrad, ich auf dem Tretroller. 
Immer wieder hatte sie meinen mannigfaltigen Schilderungen vergangener Großfahrten gelauscht und rief eines Tages: „Das will ich auch!" Training? Wurde nach kurzer Testfahrt zum Tegernsee für überflüssig erklärt. Dies ist eine der angenehmsten Charaktereigenschaften meiner geliebten Frau: Ihre unerschrockene Abenteuerlust. Sie kann grundsätzlich ersteinmal alles - bis das Gegenteil bewiesen ist (bisher nicht passiert).

Wie wenig Erfahrung Teresa mit langen Radtouren hatte, äußerte sich nicht zuletzt daran, dass sie beim Start die von mir überreichten Radhandschuhe falsch herum anlegte, mit der Handinnenfläche nach außen. Erst schmunzelte ich, dann wurde mir etwas bang. Kann sowas gut gehen? Was, wenn nicht?

Die Verläufe der einzelnen Etappen sind ja weiter vorne in diesem Blog ausführlich beschrieben. Gestern fand ich einen unveröffentlichten Nachtrag mit folgendem Text:
„Unsere Strecke war laut Routenbeschreibung 363 km lang, bei 5200 Hm bergauf und 5850 Hm bergab. Da wir uns bereits ganz zu Beginn die Auffahrt zum Hochthörle gespart haben und auch später oftmals die Fahrstrasse den Trails vorgezogen haben, dürften kaum 5000 Hm erreicht worden sein. Auf eine Aufzeichnung per Navi haben wir verzichtet, um die Akkus unserer Handys zu schonen- einen Ersatzakku wollten wir nicht mitnehmen. Überhaupt sind wir beim Gepäck ausgesprochen minimalistisch vorgegangen: Neben der Sportkluft am Leib hatten wir lediglich je eine Regenjacke, Armlinge und ein Paar Knielinge dabei (ich, der drei Viertel des Jahres in kurzen Hosen herumrennt, braucht keine), außerdem je eine Freizeitkleidung für abends: für Teresa ein besonders leichtes Kleid, für mich Shorts und ein kurzärmliges Hemd. Dreingabe: Badezeug, Kulturbeutel, Bufftücher."

Neben den schweißtreibenden Auffahrten hat Teresa vor allem die Tunnels als herausfordernd in Erinnerung. Ich wiederum entsinne mich mit besonders zartem Grausen unserer Versuche, diverse Auffahrt abzukürzen, etwa jene zum Gampenpass, die uns ausnahmslos auf (unserem gemeinsamen Leistungsniveau) unangemessene Schiebestrecken führte. Andererseits eröffneten mir diese Verirrungen immer wieder die Gelegenheit, mich als Kavalier zu präsentieren, indem ich nicht nur mein, sondern auch ihr Gefährt schob:

Am Gampenpass erwartete uns oben, gleichsam als Klimax des partnerschaftlichen Heroismus, der höchste Punkt unserer Reise. 

Auf der fünften Tagesetappe erreichten wir schließlich unsere letzte Passhöhe, den Passo del Balino; ab dort gings nur noch bergab zum Gardasee, an dessen Ufer wir am Abend den Sonnenuntergang bestaunten.

Wir selber hatten den Eindruck, eine sehr brauchbare Reisemethode für sportlich ungleich trainierte Paare gefunden zu haben. Aus dem Bekanntenkreis weiß ich nämlich, dass unterschiedliche Leistungsniveaus viele Paare abschrecken, gemeinsam loszulegen: Dem einen geht‘s zu schnell, der andere fühlt sich unterfordert. Die Tretroller/MTB-Variante löst das Problem. Und wenn der/die Radler(in) schwächelt, kann der Trottinettist mit der rechten Hand am Hinterteil anschieben, falls nötig und erwünscht.
Unsere Reise verlief jedenfalls in harmonischer Eintracht; ein solches gemeinsames Abenteuer schweißt zusammen, und ein Jahr später durften wir Theodor begrüssen:

Bin mal gespannt, wann wir das erste Mal zu dritt auf große Urlaubsfahrt gehen. Wir liebäugeln bereits mit einer Unternehmung im kommenden Sommer. Sicher mit kinderfreundlich-kürzeren Tagesetappen - das ist aber auch alles, was zur Stunde feststeht. 




Über das wackere Verwittern




2007 entdeckte ich bei Dreharbeiten in Warnemünde in meinem rechten Nasenloch ein schlohweißes Nasenhaar, und in ihm manifestierte sich für mich die Tatsache, dass auch ich jenem unausweichlichen Prozess unterworfen bin, der schließlich Staub zu Staub werden lässt. Ich wähnte mich am Scheideweg: Wenn ich früh sterben wollte, so wie Jimi Hendrix, wäre dann jetzt die letzte, die allerletzte Gelegenheit? Nein, ich war bereits 40, mithin nicht mehr „jung", die Chance verpasst, jetzt galt - und gilt - es wacker zu verwittern. Aber wie geht das? Man könnte sich die Nasenhaare konsequent schwarz färben, ausserdem das zunehmend überschüssige Körperhaar auf die lichten Stellen am Kopf verpflanzen lassen. Aber würde man das „Problem" auf diese Weise nicht lediglich in die Zukunft verschieben? Und nähmen Färben und Verpflanzung nicht allerhand Zeit in Anspruch - Zeit, welche man eventuell besser mit Tätigkeiten verbringt, die einem noch mehr Freude bereiten als OPs? Etwa Sport, Sauna oder Sex? Der Sex-Appeal mangelnden Selbstwertgefühls, der mit Schönheits-OPs dokumentiert wird, ist jedenfalls mickrig. Nein, in dieser Abwägung entschied ich mich für die transparente Vergreisung nebst Zeitgewinn für die schönen Seiten des Lebens. 
Ein ähnlicher Einschnitt wie mein Nasenhaarfund war mein Aussenbandriss im Oktober 2014:


Dreharbeiten in der Schweiz. Morgens wollte ich schnell auf einen Berg hoppeln, war schon fast wieder unten, knickte um und hörte das typisch schnalzende Geräusch. Klarer Fall, Bänderriss. Ärgerlich humpelte ich ins Hotel und bestritt den folgenden Drehtag als sportliche Herausforderung: „So tun wie wenn nichts wäre". Lediglich bei einer Strassenmusikszene in Zürich, an deren Ende ich aus dem Bild gehen sollte, geriet meine Performance etwas staksig. „Jetzt ist mir doch glatt der Fuss eingeschlafen" log ich schmunzelnd. Abends stand ich dann noch mit Heidi Happy auf der Bühne, und nicht zuletzt, weil Dieter Meier im Publikum stand, riss ich mich kräftig zusammen und tanzte zur Querflöte so gut es eben ging. Der anschließende Weg zum Hotel geriet dann allerdings heftig; für 400 m brauchte ich fast eine Stunde. Am nächsten Tag Ärztemarathon, CT, Schiene holen, dann 6 Wochen Laufpause (Fahrradfahren ging). Ich hatte nicht mal das Training übertrieben, fast war‘s eine „Bagatellbewegung". Ok, so ist das eben in der zweiten Lebenshälfte, der Körper wird anfälliger, weniger geschmeidig, die Erholung dauert länger. Und irgendwas ist immer. Mal knackt das Knie, mal zwickt die Hüfte, dann der Fuss. Die schöne Herausforderung besteht nun darin, sich auf jene Bewegungsabläufe zu konzentrieren, die der Körper schmerzfrei hinkriegt; Herz und Kreislauf ist es ja egal, wie sie in Wallung gebracht werden. Skilanglauf ist am besten, klar. Kann ich nicht laufen, wird geradelt, ist hierfür das Wetter zu schlecht, kann man Schattenboxen oder Seilspringen, oder ich fahre mit dem Tretroller durch die Gegend.


Moderates Tretrollern geht (neben Schwimmen) fast immer. In den letzten Jahren ist es zu einer meiner Lieblingssportarten geworden. Alle 5-15 Schritte wechsele ich Stand- und Tretbein. Ein kleiner Klapproller lässt sich prima auf Reisen mitnehmen. Bei Kälte friert man auf dem Roller nicht so schnell wie auf dem Rad, und es sind mehr Muskeln an der Fortbewegung beteiligt. Man braucht auch weniger Spezialkleidung, kommt mit normalen Strassenschuhen gut vorwärts und schafft dabei lange Strecken: 2017 bin ich von Köln nach Arnhem gerollert, in den Niederlanden. Früh morgens los, gegen Abend am Ziel, das sind 180 km. 

Auf dem Tretroller unternahm ich auch eine meiner schönsten Reisen überhaupt, nämlich meine Alpenüberquerung gemeinsam mit meiner Frau Teresa 2017, die eher untrainiert war, aber auch mal über die Berge nach Italien wollte, quasi aus dem Stand. Die goldene Idee: Sie fuhr Mountainbike, ich Tretroller, so waren wir ungefähr in einem Tempo unterwegs. Weiter vorne in diesem Blog findet man ja noch das damalige Reisetagebuch. 






The biggest Arztroman ever

Willkommen in meinem neuen Tagebuch („Post-Coronik“), das sich womöglich auch in diesem virtuellen Gewölbekeller vornehmlich mit Corona befa...

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