Teresa sang gestern in der Basilika Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein, und ich war als Babysitter dabei. Irgendwo in dieser Gegend müsste ich mal einen Optikerkongress moderiert haben, vor über einem Jahrzehnt, auf dem mir erstmals das Wort „Best-Ager“ begegnete. Aber davon abgesehen ist mir Oberfranken erfrischend neu.
Die Basilika ist ein prächtiger Großbau mit leider derzeit eingerüsteter Fassade („Irgendwas ist ja immer“). Rokoko mal anders: Nicht leicht und blumig wie die Wies, sondern wuchtig und beige; alles ist aus dieses ockergelben Steintyp gemeißelt, den Frau von Welt von der Place des Vosges in Paris kennt. Von der anderen Seite des Maintales grüsst das kleiderschrankhafte Kloster Banz, gleicher Stein, heute nicht mehr in der Obhut der Benediktiner, sondern der CSU via Hanns-Seidel-Stiftung. Die Vierzehnheiligen erreichen wir, also der vorm Bauch in der Trage sitzende Theo und ich, über eine schmale, gleichmässig ansteigende Allee, während Teresa zur Probe im Taxi voraus gefahren ist. Fischfilet (es ist Freitag) in der Gaststätte mit Pilgerstübala. Es gibt geschmackvoll etikettiertes Pilgerbier, und ich erwäge, mir ein Sixpack in den heimischen Lehnstuhl mitzunehmen. Ist dann aber doch zu unhandlich. Der Platz neben der Kirche bietet einen Wahnsinnspanorama - wenn man sich mindestens die martialische Fabrik sowie den halbfernen Kirchturm aus den 50ern wegdenkt. Im Gotteshaus stösst der Blick zunächst auf den verwirrenden, die vierzehn Nothelfer darstellenden Spezialaltar in der Raummitte.
Schon frappierend, welch weitgehende künstlerische Freiheit man als Rokoko-Architekt genoss. Bei den Vierzehnheiligen handelt es sich fast ausnahmslos um Märtyrer des 12.-14. Jahrhunderts, die in misslichen Lebenslagen helfen, etwa Blasius bei Halsschmerzen. Ins Auge springt sogleich ein Best-Ager, dem wohl der Kopf abgesäbelt wurde (Name vergessen). Und jetzt steht er da und hört, den eigenen Döz in beiden Händen, meiner Frau zu, wie sie Schuberts „Ave Maria“ anstimmt. Das habe ich neulich auch mal mit ihr öffentlich aufgeführt, nämlich als Klavierbegleiter beim 110. Geburtstag von Schwester Konrada, der ältesten Ordensschwester der Welt (letzte Woche verstorben). Heute mit Orgel. Ausserdem singt Teresa Händels „He shall feed his flock“ und Mozarts „Laudate Dominum“. Die große Kirche ist brechend voll (600 Zuhörer?), und Theo singt, quietscht, juchzt begeistert mit. Nachdem wir gar zu viele Blicke auf uns ziehen, gehe ich nach draußen und studiere die Auslagen der Devotionaliengeschäfte. Dicke Kerzen, Ammoniten, Gebetbücher. Ich kaufe ein Heft mit „Nothelfer-Liedern“ für meine Gesangsbücher-Sammlung. Dann übe ich mit Theo Krabbeln am Hang. Meine Frau kommt bestens an; gut möglich, dass wir diesen bezircenden Ort in Zukunft noch häufiger besuchen werden. Und so studiere ich denn auch neugierig ein Aufnahmeformular für die Bruderschaft der Vierzehnheiligen, finde die Idee, sich einem solchen Club anzuschließen, denn aber doch allzu schräg - vom zeitlichen Aufwand mal ganz abgesehen. Beten kann man ja auch daheim im Lehnstuhl, zur Not sogar ohne Bier.
Nach Schlussapplaus im gestreckten Galopp zum Interregio heimwärts.