Gestern wollte ich eigentlich eine größere Tretrollertour unternehmen, aber bereits nach 60 km Fahrt am Rhein entlang verliess mich die Lust und ich steuerte den Remagener Bahnhof an, um per Zug nach Köln zurückzukehren. Immerhin ist der Grund für meinen Motivationsmangel edel: Weiterhin zehre ich vom Triumphgefühl meines Holzschuhmarathons.
Das Besondere an dieser Veranstaltung war ja, dass ihr Erfolg im Vorhinein kaum absehbar war, so wenig wie selten zuvor in meiner Sportlerlaufbahn. Reinhold Messner hat ja den Begriff „Grenzgang“ für just diesen Abenteuertypus gewählt, und mit dieser frischen Erfahrung kann ich sagen: Die Freude am Gelingen ist umso grösser, je unvollkommener die Vorbereitung ist.
In den letzten Tagen gingen mir allerlei Abwandlungen durch den Kopf: Marathon in Pumps, in Gummistiefeln, mit einem Kartoffelsack auf dem Rücken. Besonders die Pumps-Idee reizt mich, und ich diskutierte sie bereits mit unserer Genial-Daneben-Kostümbildnerin. Sie riet zu Plateausohlen. Ich finde hohe, dünne Absätze kleidsamer - zumal ich keine Angst davor habe, lange, sehr lange unterwegs zu sein. Vielleicht sollte ich die Schuhe ausschließlich nach geschmacklichen Erwägungen aussuchen, nicht nach praktischen. Dann jedoch würde ich unweigerlich bei recht hohen Stilettos landen. Den Gedanken, die Zugspitze via Höllental in Pumps zu besteigen, habe ich nach gründlicher Beratung mit Hannes erst unlängst verworfen; sollte ich unterwegs in die Bredouille geraten und einen Rettungseinsatz bewirken, müsste ich diesen wahrscheinlich selber bezahlen. Aber Marathon? Ganz in Ruhe, im Flachland? Könnte machbar sein, wenn die Gefahr des Umknickens mit Spezialtraining und/oder Knöchelschienen in Schach gehalten wird. Oder nicht?
Weiterhin sehe ich mich außerstande, auch nur kurze Strecken in meinen Marathonholzschuhen zu laufen. Schlüpfe ich hinein, verspüre ich sogleich Druck am rechten Spann, einen Druck, der zwar nicht akut schmerzt, aber unangenehme Erinnerungen hervorruft - so unangenehm, dass es mich graust. Macht nichts. Am Donnerstag gedenke ich in den Klompen nach München zu reisen, und dann werden sie auf unsere Hütte verbracht, um mir dort lediglich für die kurzen Gänge zum Plumpsklo parat zu stehen.
Hüpfball-Marathon - auch so‘ne Idee, die ich beizeiten testen werde. Habe vergessen, wie geeignet die Gummidinger für längere Strecken sind. Wird ausprobiert.
Kein Wunder, dass ich meine frische Holzschuh-Erfahrung in jede entfernt erscheinende Aufgabenstellung einfließen lasse. ZB Brexit: Mag ja sein, dass UK keinen Plan hat und nicht ausreichend vorbereitet ist. So ist das eben auf echten Grenzgängen. Gerade der Sprung ins besonders kalte Wasser kann erfrischen, beleben, ungeahnte Kräfte freisetzen. Kurzum: Es ist nicht völlig, im Sinne von 100%, auszuschließen, dass die Brexiteers ihr Land in eine grandiose Zukunft führen. Aber Rees-Mogg & Co sind auf Stilettos unterwegs, klar.
Oder die Zukunft des Tourismus, ein Thema, mit dem ich mich viel beschäftige, da ja mein Sohn Cyprian genau dies studiert. Wenn zB Fernflüge wegen Klima nicht mehr möglich sind, braucht es Alternativen. VR-Brillen, Bahn und Radreisen sind natürlich Trumpf, aber vielleicht auch Holzschuhe. Zum Beispiel. Alle Hilfsmittel, die uns (ohne Ressourcenverschwendung) unsere Umgebung, unser Leben neu entdecken helfen. Ich kannte die Strecke von Köln nach Düsseldorf auch vorher bestens - aber seit meinem glorreichen Klappergang werde ich sie als meine persönliche Via Dolorosa für immer im Herzen tragen.